Bildung für nachhaltige Entwicklung
GSa166_Mai24_ES
GSa166_Mai24_ES
- Keine Tags gefunden...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Thema: <strong>Bildung</strong> <strong>für</strong> <strong>nachhaltige</strong> <strong>Entwicklung</strong><br />
kal. Nachrichten aus aller Welt erreichen<br />
uns fast ohne Zeitverzögerung zum Geschehen<br />
und sind nicht nur <strong>für</strong> Erwachsene,<br />
sondern auch <strong>für</strong> Kinder zugänglich.<br />
Unser Einfluss auf das Klima ist<br />
weltumspannend und auch die Folgen<br />
nicht an nationale Zuständigkeiten gebunden.<br />
Durch transkontinentale Migrationsbewegungen<br />
leben Familien oft<br />
nicht mehr an einem Ort. Unsere Kleidung,<br />
unsere Mobilität, z. B. durch Autos<br />
und Züge, sowie unsere Ernährung<br />
setzen sich aus Produkten zusammen,<br />
die weltweit produziert wurden und z. T.<br />
weiter gereist sind, als viele von uns es<br />
jemals tun werden. Die Produkte werden<br />
von Menschen produziert, an deren Lebensumständen<br />
wir direkt beteiligt sind.<br />
Die Liste ließe sich unendlich fortsetzen.<br />
Die Gleichzeitigkeit von<br />
lokal und global<br />
Die Verschränkung von globalen und<br />
lokalen Fragestellungen und Bezügen<br />
stellt uns selbst vor die Herausforderung,<br />
damit umzugehen, ohne davon<br />
permanent überfordert zu sein. Annette<br />
Scheunpflug greift in ihrem Beitrag<br />
Die globale Perspektive einer <strong>Bildung</strong><br />
<strong>für</strong> <strong>nachhaltige</strong> <strong>Entwicklung</strong> (2000) die<br />
Steigerung von Komplexität auf, die<br />
mit einer Globalisierung der Welt in<br />
Zusammenhang steht. In ihrem Beitrag<br />
führt sie unter den Lernaufgaben als ein<br />
Lernziel auf: „Gerade aufgrund der Komplexität<br />
der Situation müsste das Lernziel<br />
eigentlich heißen, verstehen zu lernen,<br />
dass wir die Situation nicht hinreichend<br />
verstehen können. Das ‚Verstehen des<br />
Nichtverstehens‘ so zu organisieren, dass<br />
es weitere Anschlussmöglichkeiten an<br />
Lernen bietet, ist die Herausforderung“.<br />
(Scheunpflug 2000: 321)<br />
In einem Beitrag von 2022 beschreibt<br />
sie die Menschen als Wesen, die „in ihrer<br />
spontanen Problemlösungsfähigkeit auf<br />
Erfahrungen im Nahbereich spezialisiert<br />
[sind] – und diese ist <strong>für</strong> die Erfahrungen<br />
einer globalisierten Weltgesellschaft<br />
nicht besonders gut geeignet“. (Scheunpflug<br />
2022: 10)<br />
Weiter führt sie aus, „dass [die] Möglichkeiten,<br />
mit denen die Menschen ihre<br />
Umwelt wahrnehmen und in ihr reagieren,<br />
[…] sich menschheitsgeschichtlich in<br />
Anpassung an die unmittelbare Umwelt<br />
und den sich daraus ergebenden Notwendigkeiten<br />
entwickelt [haben]. Damit werden<br />
vornehmlich die Probleme gelöst, die<br />
sinnlich erfahrbar sind.“ (Scheunpflug<br />
2022: 10)<br />
Gleichzeitig unterstellt sie den Menschen<br />
ein „hohes abstraktes Reflexionsvermögen“<br />
(Scheunpflug 2022: 10), das<br />
es möglich macht, sich einer Weltgemeinschaft<br />
in einem abstrakten sozialen<br />
Raum zugehörig zu fühlen.<br />
Dazu bedarf es einer emotionalen<br />
Verbundenheit zu einer Weltgemeinschaft:<br />
„… [ist] das Verständnis dessen<br />
von Bedeutung, was das menschliche<br />
Leben zusammenhält: die Sicht auf den<br />
Menschen als reines menschliches Wesen,<br />
seine Würde und seine grundlegenden<br />
Bürgerrechte, egal wo er sich auf diesem<br />
Planeten befindet, sowie die daraus abgeleiteten<br />
Regeln des Zusammenlebens und<br />
der Aushandlung von Differenzen. Damit<br />
geht es nicht darum, die Dinge erst im<br />
Vertrauten und dann im Fremden wahrzunehmen,<br />
sondern von vornherein die<br />
globale Verwobenheit auszuloten und zu<br />
entdecken.“ (Scheunpflug 2022: 11–12)<br />
Sich mit anderen in Beziehung zu setzen<br />
ist <strong>für</strong> uns Menschen als soziale Wesen<br />
ein wichtiger Bestandteil unseres<br />
Handelns. Eine emotionale Verbundenheit<br />
zu einer Weltgemeinschaft orientiert<br />
sich demnach auch an gemeinsam<br />
formulierten Werten und an einem Bewusstsein<br />
einer gemeinsamen Verantwortung<br />
<strong>für</strong> den Erhalt dieser Welt.<br />
Die SDGs bieten da<strong>für</strong> eine Orientierung.<br />
Aber umso wichtiger ist es auch,<br />
diese als gemeinsame Ziele in einer<br />
Weltgemeinschaft zu verstehen und zusammen<br />
an deren Umsetzung mitzuwirken,<br />
womit wir wieder bei den Herausforderungen<br />
wären, die uns ein solches<br />
Verständnis abverlangt.<br />
BNE 2030<br />
Mit der konzeptionellen <strong>Entwicklung</strong><br />
von BNE, die ein fortwährender Prozess<br />
ist, sind diese Fragen eng verbunden.<br />
Welche Art von <strong>Bildung</strong> wird<br />
gebraucht bzw. bildet die Grundlage <strong>für</strong><br />
Lehrende, um den Herausforderungen<br />
der Zukunft zu begegnen und gleichzeitig<br />
die Zukunft so zu gestalten, dass<br />
sie auf Basis des Leitbilds <strong>für</strong> <strong>nachhaltige</strong><br />
<strong>Entwicklung</strong> zu einem Erhalt unserer<br />
Lebensgrundlage beiträgt?<br />
Parallel dazu geht es auch darum: Wie<br />
ist mit einer Globalisierung im direkten<br />
Lebensumfeld umzugehen? Welche Anschlussmöglichkeiten<br />
bieten wir jungen<br />
Menschen, ihre Fragen und Bedürfnisse<br />
einzubringen und sich gleichzeitig als<br />
aktiver Teil einer Gesellschaft bis hin zu<br />
einer Weltgemeinschaft zu fühlen?<br />
<strong>Bildung</strong> <strong>für</strong> <strong>nachhaltige</strong> <strong>Entwicklung</strong><br />
enthält viele Elemente, die sich den Antworten<br />
auf diese Fragen nähern. Dazu<br />
gehört die intensive Auseinandersetzung<br />
mit den da<strong>für</strong> benötigten Kompetenzen,<br />
wie z. B. der Fähigkeit zur Selbstreflexion,<br />
der Empathie und des kritischen<br />
Denkens sowie mit Komplexität und<br />
Unsicherheiten umgehen zu können. Ein<br />
weiterer wichtiger Punkt ist, Beteiligung<br />
zu erfahren und im Gestaltungsprozess<br />
Selbstwirksamkeit zu spüren.<br />
Ziele von BNE und Vorschläge <strong>für</strong> die<br />
Umsetzung liegen auf dem Tisch und<br />
sind neben vielen Veröffentlichungen<br />
und Praxisbeispielen z. B. in der BNE-<br />
Roadmap 2030 ausformuliert. Diese ist<br />
das globale Rahmenprogramm (2020–<br />
2030) <strong>für</strong> die Umsetzung von BNE, in<br />
dem der Schwerpunkt auf die Rolle von<br />
<strong>Bildung</strong> zur Verwirklichung der SDGs<br />
gelegt ist. Es werden fünf Handlungsfelder<br />
priorisiert, von denen eines die<br />
ganzheitliche Transformation der Lernund<br />
Lehrumgebung umfasst. Im Sinne<br />
des Whole Institution Approachs soll sichergestellt<br />
werden, „dass wir lernen,<br />
wie wir leben, und leben, was wir lernen“<br />
(Deutsche UNESCO-Kommission<br />
2021: 3), und das ist weltumfassend relevant.<br />
<br />
Quellen:<br />
Deutsche UNESCO-Kommission (2021):<br />
<strong>Bildung</strong> <strong>für</strong> <strong>nachhaltige</strong> <strong>Entwicklung</strong>. Eine<br />
Roadmap, online abrufbar unter:<br />
https://www.bne-portal.de/bne/de/bundesweit/bne-2030/bne-2030.html<br />
(Stand<br />
14.03.2024)<br />
Scheunpflug, Annette (2022): Die globale<br />
Dimension einer <strong>Bildung</strong> <strong>für</strong> <strong>nachhaltige</strong><br />
<strong>Entwicklung</strong>, in: Loccumer Pelikan, Ausgabe<br />
2/2022, 9–13, online abrufbar unter:<br />
https://www.rpi-loccum.de/material/pelikan/<br />
pel2_22/2_22_Scheunpflug (Stand<br />
14.03.2024)<br />
Scheunpflug, Annette (2000): Die globale<br />
Perspektive einer <strong>Bildung</strong> <strong>für</strong> <strong>nachhaltige</strong><br />
<strong>Entwicklung</strong>, in: Overwien, Bernd (Hrsg.):<br />
Lernen und Handeln im globalen Kontext.<br />
Beiträge zu Theorie und Praxis internationaler<br />
Erziehungswissenschaft. Frankfurt am<br />
Main: IKO – Verl. <strong>für</strong> Interkulturelle<br />
Kommunikation (2000) S. 315–327<br />
6 GS aktuell 166 • Mai 2024