cthulhus ruf - Der dunkle Planet
cthulhus ruf - Der dunkle Planet
cthulhus ruf - Der dunkle Planet
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
dienen. Jene Verdrängungen von einst sublimierten die<br />
Gefühle zu einer Feinheit und Empfindsamkeit, die wir<br />
heute kaum mehr kennen, und aus ihnen erwuchsen nicht<br />
selten jene künstlerischen und geistigen Leistungen der<br />
Vergangenheit, auf die wir angewiesen sind, weil unsere<br />
sanitäre Gegenwart sie nicht mehr liefert. Gewiss ist es<br />
befriedigend, eine wohlgenährte, allzeit babyhafte<br />
Menschheit um sich herum zu sehen, die ihre Gefühle<br />
rechtzeitig durch Funktionen entlastet und nicht mehr an<br />
Komplexen leidet, aber das vegetative Dasein auf der Stufe<br />
gutbetreuter Nacktmaden scheint doch gewisse Gefahren in<br />
sich zu bergen – im Mindestfalle die Gefahr, dass die<br />
ursprünglich vorhandenen geistigen Anlagen von der Masse<br />
nicht mehr in Anspruch genommen werden.<br />
Die Liebenden hatten sich eine Frist gesetzt. Sie wollten<br />
abwarten, bis Achleitner sein wissenschaftliches Ziel<br />
erreicht hatte. Es schien ihnen, als könnten sie ihm mit dem<br />
Erfolg einen Ausgleich für den Schmerz bieten, den sie ihm<br />
bereiten mussten. Georg Loeser arbeitete daher sehr intensiv<br />
neben Achleitner, und da er viel mehr Intuition und<br />
Begabung besaß als sein Lehrer, konnte er später<br />
wenigstens vor seinem Gewissen den Erfolg zu einem<br />
erheblichen Anteil für sich verbuchen. Ludwig Achleitner<br />
versuchte, die Geheimnisse des Alterns zu ergründen und<br />
damit die Probleme einer Verjüngung zu lösen. Er ging<br />
dabei seinen eigenen Weg, ohne sich um Brown-Sequard,<br />
Steinach, Voronoff, Bogomolets und andere zu kümmern.<br />
Seiner Meinung nach war nichts mit Hormonen oder gar<br />
Affendrüsen zu erreichen. Es genügte ihm auch nicht, das<br />
Bindegewebe funktionsfähig zu halten – Bogomolets hatte<br />
bekanntlich insofern später mit seinem ASG einige Erfolge<br />
– oder das Nervensystem mit einem Serum zu versorgen,<br />
wie es später Perotti mit den Metabolinen tat. Seine<br />
Auffassungen gingen vielmehr dahin, dass es einen<br />
zentralen Wirkstoff geben müsse, der – vermutlich über die<br />
Hypophyse – alle anderen sekundären Wirkstoffe zur<br />
Versorgung des Bindegewebes, der Nerven und der Drüsen<br />
auslöse, also den Prozess des Alterns zentral reguliere und<br />
entsprechend auch zentral eine totale Jungerhaltung oder<br />
Verjüngung hervor<strong>ruf</strong>en könne. Diesen unbekannten<br />
Wirkstoff versuchte er zu erfassen und rein darzustellen.<br />
Zweifellos war es Georg Loeser zu verdanken, dass er nach<br />
fast zwanzigjährigen Forschungen seine Aufmerksamkeit<br />
auf eine höchst verwickelte Eiweißgruppe richtete, die<br />
einige Jahrzehnte später als Steroide bekannt wurden und<br />
unter anderem Cortison und ACTH – in der Mitte des<br />
Jahrhunderts sehr bekannte Präparate – lieferten. Er kam<br />
nun schnell voran.<br />
Im Frühjahr dieses Jahres 1925 rundete sich seine<br />
Lebensarbeit. Er konnte den gesuchten Wirkstoff chemisch<br />
rein herstellen. Mit ihm zugleich gewann er einen<br />
Gegenstoff, der ebenso heftig eine Alterung hervorrief wie<br />
der Wirkstoff selbst eine Verjüngung. Solche Paarungen<br />
sind ja im innersekretorischen Bereich sehr häufig,<br />
angefangen bei Insulin und Adrenalin. Er bezeichnete den<br />
Wirkstoff selbst als „Vitin“, seinen Gegenspieler als<br />
„Antivitin“. Die Resultate an den Mäusen, Ratten und<br />
Kaninchen der Menagerie waren eindeutig und ließen<br />
keinen Zweifel zu. Die Frage blieb nur noch, ob es möglich<br />
war, die bisher nur in Spuren gewonnenen Wirkstoffe in<br />
größerer Menge chemisch zu erzeugen. Ludwig Achleitner<br />
ging ihr in diesen Frühlingstagen nach, während schon das<br />
Bewusstsein und die Sicherheit des großen Erfolgs in ihm<br />
arbeitete. Innerlich erlöst von der jahrzehntelangen<br />
Gebundenheit, fand er zum ersten Male, dass er reichlich<br />
viel von seinem Leben an diese Aufgabe gesetzt habe und<br />
17