cthulhus ruf - Der dunkle Planet
cthulhus ruf - Der dunkle Planet
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als ich wie ein Crashtest-Dummy zwischen den straffen<br />
Schultergurten hin und her geworfen wurde. Da ich den<br />
Knacks innerlich gespürt hatte, hätte ich eigentlich Schmerz<br />
empfinden müssen, doch durch den Adrenalinschub – oder<br />
was auch immer – fühlte ich mich nur benommen. Einzig<br />
beim Einatmen stockte ich, weil es wie ein Nadelstich<br />
wehtat. Einer der Splitter musste einen Lungenflügel<br />
durchlöchert haben, denn mit jedem Zug wurde das<br />
Luftholen schwieriger.<br />
Als ob sich meine Lungen mit Blut füllten oder langsam<br />
kollabierten.<br />
In meiner morbiden Fantasie hatte ich mir bereits<br />
Bestattungsszenarien ausgemalt, noch ehe meine Hände<br />
selbstständig geworden waren: Loch in der Lunge.<br />
Hämorrhagie. Innere Blutungen. Rest in pieces – ruhe in<br />
Stücken.<br />
Kurz nachdem ich ausgestiegen war, brach ich<br />
zusammen. Dann zwang ich mich zum Aufstehen und<br />
knickte erneut ein, weshalb ich mich ans Auto lehnen<br />
musste.<br />
Mehr Blut tropfte in meine Augen. Ich rieb mit dem<br />
Handballen daran, ohne den roten Schleier loszuwerden.<br />
Er lag in einer Pfütze mitten auf dem Asphalt, zerteilt<br />
von der weißen Linie; eine kaputte Puppe. Die Laterne<br />
strahlte nur zum Teil direkt auf seinen Körper; vom Rest<br />
ließen sich nur schattige Umrisse erkennen. Jämmerlich<br />
klein sah der alte Kerl aus, zerknittert nach dem Sturz.<br />
Auseinandergebrochen. Leckgeschlagen und auslaufend.<br />
Sein Mantel war zerfleddert und schwarz vom Blut und<br />
Wasser, das er aufsaugte, röter jedoch am Bauch, um den<br />
sich der Stoff gewickelt hatte. Da er von dort aus bis zum<br />
Schritt aufgerissen war, sah er aus wie eine Reliefkarte des<br />
Verfalls. Ein unterschwelliger Hinweis auf die Anatomie<br />
dieser Stadt.<br />
Im Tod hatte er die Beine wie ein Freudenmädchen<br />
breitgemacht und lud damit jeden weiteren Autofahrer ein,<br />
über ihn zu rollen. Ich ertrug den Anblick nicht.<br />
Gott sei Dank blieb er gesichtslos, denn die Schatten<br />
verbargen wie ein Leichentuch seine starren Züge. Er besaß<br />
keine Erkennungsmerkmale, weder Augen noch Nase und<br />
Mund, um durch die gerinnende Schwärze zu atmen, die ihn<br />
umgab. Nichts.<br />
Wir mussten wie die grausigen Überreste einer<br />
Schießerei ausgesehen haben. Zwei Revolverhelden. Einer<br />
tot, bloß ohne Kugel im Kopf, der andere schwer verwundet<br />
und vom Schmerz gebeutelt, aber nicht am Boden. Noch<br />
nicht.<br />
Mich auf die Beine zwingend – das tat weh! – begab ich<br />
mich zu ihm. Dabei erlebte ich eine dieser gefühlten<br />
Ewigkeiten, in der ich ging und ging, jedoch anscheinend<br />
nie ankommen sollte. Ich wähnte mich auf einem Nagelbrett<br />
mit Messern in der Brust und spürte sie bei jedem Atemzug.<br />
Dass ich im Blut ersoff, nahm ich deutlich wahr, da ich<br />
immer flacher Luft holte, je weiter meine Lungen in sich<br />
zusammenfielen. Dann stand ich über ihm und schaute<br />
hinab auf die Verheerungen des Zusammenpralls. Die<br />
Flasche hatte ein Loch in seinen Hals gerissen. Sie<br />
wiederum war abgebrochen und stecken geblieben. Blut<br />
quoll stoßartig aus der Wunde, als ich auf die Knie sank.<br />
Das Glas fungierte als Katheter zum Aderlass, doch auch<br />
der hörte irgendwann auf.<br />
Ich musste etwas tun, wenn auch nicht auf irgendwelche<br />
Lebenszeichen spekulieren, denn das erübrigte sich.<br />
Zögerlich<br />
legte ich dem Toten die Hand auf die Wange, da spürte ich<br />
eine durchdringende Kälte, obwohl er erst vor kaum zwei<br />
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