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cthulhus ruf - Der dunkle Planet

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geistesabwesend auf den Fingerspitzen ab. Ich versuchte,<br />

anhand ihrer Mundbewegung zu erkennen, welche Karte sie<br />

im Augenblick betrachtete – den Formwandler mit<br />

geisterhaftem Geweih am Kopf eines großen Hundes, ein<br />

Fabelwesen einem Hirsch mit anmutigem, weißem Schwanz<br />

ähnlich, das fortwährend die Gestalt wechseln und zum<br />

Löwen oder Adler werden konnte; die sich verbeißenden<br />

Pferde über einem Meer von Blut; das eherne Tor zu einer<br />

Säuleninsel, das Mael Dúin und seinen Gefährten<br />

verschlossen blieb; den Feuerbaum mit flammendem Geäst;<br />

die trauernde Königin, die am hohen Gestade vor der<br />

vertraut roten See und der Steinsäule mit dem<br />

eingemeißelten Gesicht urtümlichen Kummers ihr Leid<br />

klagte ...<br />

Ich wusste, dass sich Aimee nicht zu einem »Oh Declan«<br />

hinreißen lassen würde, sobald sie merkte, dass ich zu mir<br />

gekommen war. Sie gehörte nicht zu der Sorte Frauen, die<br />

großes Hallo machten. Trotz ihres Erscheinungsbildes – zur<br />

Dreiviertelhose gestutzte Levi’s 501 in Schwarz, dazu<br />

passende Wollsocken und Doc Martens mit achtzehn<br />

Löchern, ein billiges weißes T-Shirt unter schwarzer Weste<br />

mit drachenköpfigen Endlosverzierungen, die sich nur dem<br />

Anschein nach veränderten – war sie viel zu empfindsam,<br />

um sich auch nur ansatzweise so zu geben. Ich legte den<br />

Kopf zurück auf mein bauschiges Kissen und schaute ihr<br />

mit feuchten Augen beim Kartenspiel zu, während sie<br />

versuchte, ihre eigenen Tränen zurückzuhalten.<br />

Aimee entsprach den gängigen Schönheitsnormen beim<br />

besten Willen nicht. Ihre Nase war etwas zu lang, und der<br />

Teint etwas zu wächsern, ihre Füße zu groß, sie war<br />

insgesamt etwas zu lang geraten.Wirklich alles an ihr wirkte<br />

ungestüm. Roh, frisch und erfrischend. Während sie<br />

versuchte, die Immrama zu deuten, nagte sie<br />

an ihrer Unterlippe.<br />

Sie sammelte die Karten mit einer fließenden, trügerisch<br />

selbstsicheren Handbewegung ein, mischte und legte sie<br />

drei weitere Male aus, bevor sie sie ordnete und in den<br />

türkisfarbenen Beutel verstaute. Da sie die Insel der Trauer<br />

dreimal in hrem eigenen Haus aufgedeckt hatte, bestand<br />

kein Zweifel mehr an dem Weg, der ihr vorgegeben war.<br />

Vielleicht verbreiteten Krankenstationen schlechtes Karma<br />

oder so, keine Ahnung. Ich will gar nicht erst so tun, als<br />

glaube ich an diesen New-Age-Hokuspokus-Scheiß. Ich<br />

nicht. Aber sie tat es dafür umso fester, und dass sie nun<br />

zufällig dreimal die Trauer erwischt hatte, machte ihr<br />

schwer zu schaffen. Sie hatte die Augen<br />

zusammengekniffen, sodass man das Blau ihrer Pupillen<br />

nicht mehr erkannte, und atmete in kurzen Stößen.<br />

Ich versuchte, mich aufzusetzen, doch flammte der<br />

Schmerz zwischen meinen Rippen erneut auf, weshalb ich<br />

wieder ins Kissen sank. Einen Augenblick, wohl nur zwei<br />

Herzschläge lang, musste ich das Bewusstsein verloren<br />

haben. Entweder das oder ich hatte bloß die Augen vor<br />

lauter Schmerz geschlossen.<br />

Da lag so viel in diesem Blick. So viel Herzschmerz in<br />

dieser geteilten Sekunde. Und ich lag richtig, es empfing<br />

mich kein »Oh Declan«-Willkommensgruß unter den<br />

Lebenden. Meine Augen sagten: »Ich liebe dich.« Ihre: »Du<br />

hast mich verraten.«<br />

<strong>Der</strong> Schmerz in meiner Brust war nicht allein dem Bruch<br />

geschuldet. Ich schniefte. Aimee gab ihr Bestes, um zu<br />

lächeln. »Was für ein Paar«, sprach sie, trocknete ihre<br />

Augen und versteckte die Karten nahezu unbewusst. Sie<br />

wusste, was ich von diesem Esoterik-Quatsch hielt.<br />

Ich musste nicht fragen, wo ich war, weil ich die roten<br />

Backsteinmauern durch das einzige Fenster des Zimmers<br />

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