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cthulhus ruf - Der dunkle Planet

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abzuwarten. Nachdem sich Carroll bei der Polizei erkundigt<br />

hätte, würde man dort mit mir sprechen wollen, und sobald<br />

wir unsere Schilderung abgeglichen hätten, sollten wir uns<br />

einhellig die Frage stellen, was aus dem Leichnam des Alten<br />

geworden war.<br />

Da Aimee nicht wieder aufkreuzte, nahm ich an, sie sei<br />

nach Hause gefahren, um ihre Krankenwache mit einem<br />

Nickerchen zu unterbrechen. Ich war nicht neidisch auf sie,<br />

obwohl ich selbst nicht schlafen konnte.<br />

Dabei konnte ich mich mit nichts außer meinen eigenen<br />

Gedanken beschäftigen; weder Zeitschriften noch<br />

Bücheroder Gesellschaft lenkten mich davon ab. Ruhigen<br />

Gewissens Musik hören durfte ich auch nicht, ohne<br />

befürchten zu müssen, der Krankenhausfunk gemahne an<br />

die arme Mary von Station 3. Also schloss ich meine Augen.<br />

Immer wieder döste ich mehr oder weniger gelangweilt<br />

und träge vor mich hin, indes ohne zu schlafen oder zu<br />

träumen, wovor ich mich, wenn ich mich recht erinnere,<br />

bisher nie gefürchtet hatte. Es kam einem Kampf gegen den<br />

Schlaf gleich, und ich kann nicht behaupten, dass mir das<br />

gefiel. So zwang ich mich zu ein wenig<br />

Gedankengymnastik, schichtete Punk-Riffs und Barock-<br />

Arpeggien übereinander, um mir vorzustellen, wie beides<br />

zusammen in einem Solo von Tachyon Web klingen würde,<br />

wenn sie alle Zügel schießen ließen. Zwar mochte ich, was<br />

ich mir zurechtbastelte, doch außerhalb einer Irrenanstalt<br />

wäre es wohl auf taube Ohren gestoßen, also wechselte ich<br />

vom Punk zum klassischen Zwölftakt-Blues und<br />

verwendete die Arpeggien nur für die Übergänge. Als auch<br />

das nicht passte, bekam ich wirklich den Blues. Es war<br />

frustrierend. Es hätte eigentlich funktionieren sollen. Am<br />

Ende blieb mir jedoch keine andere Wahl, als es als<br />

stümperhaftes Werk abzuhaken und mich mit etwas<br />

anderem zu beschäftigen. Dass ich zur Musik zurückkehrte,<br />

konnte ich zwar nicht vermeiden, doch diesmal ließ ich<br />

Michael Petruccianis Pianism Revue passieren, mit der<br />

Synthese aus modernen und Bop-Techniken, und dann<br />

Keith Jarrets Eyes Of The Heart, freier Jazz vereinigt mit<br />

diatonischen Wohlklängen.<br />

Sich derart in zahllosen Gedanken zu suhlen, war eine<br />

Form von stiller Folter. Ich ließ mich sogar dazu verleiten,<br />

ein Fazit unter meine sechsundzwanzig Lebensjahre zu<br />

ziehen, und musste betrübt feststellen, dass sie manches zu<br />

wünschen übrig ließen. Ich sann darüber nach, was ich<br />

besaß, und als ich über meinen Ansporn zum Aufstehen<br />

jeden Morgen nachdachte, fiel mir partout kein Grund ein,<br />

weshalb ich es tat. Niemanden aus meinem engeren<br />

Bekanntenkreis hätte mich vermisst, wenn ich liegen<br />

geblieben wäre. Ich berührte nicht viele Menschen und<br />

deren Leben, zumindest nicht auf einschneidende Weise.<br />

Dann ließ ich mir die Schwüre durch den Kopf gehen, die<br />

ich an der Universität abgelegt hatte. Ich war bestrebt<br />

gewesen, mich zu verändern und etwas zu bewegen, hatte<br />

jeden neuen Tag einfach aus dem Grund genießen wollen,<br />

weil er einzigartig und deshalb schätzenswert schien. Wie<br />

kläglich war ich bei alledem gescheitert! Meine Träume –<br />

aufgeschnitten und ausgeblutet.<br />

Dankenswerterweise bekam ich Essen und Medikamente,<br />

ehe ich vor lauter Selbstmitleid wahnsinnig wurde. Seit ich<br />

wach geworden war – vier Stunden zuvor, wie ich erkannte,<br />

als ich auf die Wanduhr schaute –, hatte ich keinen Hunger<br />

verspürt, und auch jetzt konnte ich weder Appetit noch<br />

anderweitige Begeisterung für den vorverdauten<br />

Fisherman’s Pie aufbringen, den man mir auf einem Teller<br />

vorschob. Allerdings kam ich nicht umhin, einen näheren<br />

Blick auf die beiden Schmerztabletten zu werfen, die<br />

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