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training + coaching<br />
R<br />
wegs vernünftige Behandlung in 40 Stun<strong>de</strong>n<br />
kaum möglich sein dürfte, son<strong>de</strong>rn<br />
auch <strong>de</strong>ren willkürliche Zusammenstellung.<br />
So geht es etwa um Themen wie<br />
„Was ist Kommunikation?“, „Selbstmordwörter“,<br />
„Raum- und Distanzzonen“,<br />
„Probleme in Ziele verwan<strong>de</strong>ln“,<br />
die „Walt-Disney-Strategie“ und „Phobien<br />
überwin<strong>de</strong>n“. „Das wirkt wie ein<br />
wüstes, oberflächliches Sammelsurium“,<br />
urteilt Ma<strong>de</strong>leine Leitner, Psychologin<br />
und Karriereberaterin in München. „Da<br />
fin<strong>de</strong>t die Hitpara<strong>de</strong> aus <strong>de</strong>m NLP, <strong>de</strong>r<br />
systemischen Beratung und <strong>de</strong>r Kommunikationspsychologie<br />
statt.“ Ein klares<br />
Konzept sei jedoch nicht erkennbar. Mit<br />
<strong>de</strong>r Behauptung, dass die Teilnehmer lernen<br />
sollten, wie „Phobien“ überwun<strong>de</strong>n<br />
wer<strong>de</strong>n könnten, mache sich <strong>de</strong>r Anbieter<br />
sogar strafbar. Denn Phobien seien Erkrankungen,<br />
für <strong>de</strong>ren Behandlung eine<br />
Erlaubnis zur Ausübung einer heilkundlichen<br />
Tätigkeit vorliegen müsse. „Dass<br />
ein Dozent so etwas anbietet, ist schon<br />
schlimm genug“, sagt Leitner. „Wenn sich<br />
aber auch noch eine renommierte Institution<br />
wie eine IHK für so etwas hergibt, ist<br />
das wirklich erschütternd.“<br />
Massive Kritik<br />
Auch Marie-Dorothee Burandt, Geschäftsführerin<br />
<strong>de</strong>r Bob-Personalentwicklung in<br />
Hamburg, kann in diesem Konzept keine<br />
„theoretisch nachvollziehbare Fundierung<br />
und Schlüssigkeit“ erkennen. Der<br />
Lehrgang sei ein gutes Beispiel dafür,<br />
was sich auf <strong>de</strong>m Markt generell tue.<br />
Zum einen beantworte er einen Bedarf,<br />
<strong>de</strong>r offensichtlich beson<strong>de</strong>rs bei <strong>de</strong>r Zielgruppe<br />
Führungskräfte vorhan<strong>de</strong>n sei.<br />
Zum an<strong>de</strong>ren versuche er, die Illusion<br />
zu bedienen, dass man in kürzester Zeit<br />
(für relativ wenig Geld) eine umfassen<strong>de</strong><br />
Zusatzqualifikation – mit „Schein“ und<br />
„Titel“ – erwerben könnte. So halte sie<br />
Inhalte wie „Mein Konflikt als Business-<br />
Coach!“, „Die Werteprogrammierung als<br />
Grundlage für unser Metamo<strong>de</strong>ll“, „Glaubenssätze<br />
än<strong>de</strong>rn“ o<strong>de</strong>r „Hypnotische<br />
Sprachmuster“ im Rahmen eines Schnellkurses<br />
für ausgesprochen gefährlich,<br />
weil sie inhaltsleer und ohne Bezug zur<br />
entsprechen<strong>de</strong>n Theorie vermittelt wür<strong>de</strong>n.<br />
„All das reduziert die Komplexität<br />
<strong>de</strong>s Coaching-Geschehens unangemessen<br />
60 wirtschaft + weiterbildung 06_2009<br />
und verstärkt sicherlich Manipulationsversuche“,<br />
so die Psychologin. Massive<br />
Kritik kommt auch vom Berufsverband<br />
Deutsche Psychologinnen und Psychologen<br />
(BDP) in Berlin. „Eine IHK-Aus- o<strong>de</strong>r<br />
Fortbildung genießt allgemein Vertrauen“,<br />
erklärt Thordis Bethlehem, Vizepräsi<strong>de</strong>ntin<br />
<strong>de</strong>s BDP. „Umso fataler ist es, dass<br />
ein <strong>de</strong>rmaßen unseriöses Angebot unter<br />
<strong>de</strong>m IHK-Dach angeboten und auch noch<br />
mit Zertifizierungsprüfung abgeschlossen<br />
wird.“ Es sei schlichtweg unmöglich, die<br />
genannten Themen in 40 Stun<strong>de</strong>n zu vermitteln.<br />
Scha<strong>de</strong>n für die IHK?<br />
Auch <strong>de</strong>r DBVC – Deutscher Bun<strong>de</strong>sverband<br />
Coaching hält es für „sehr unglücklich“,<br />
wenn eine angesehene Kammer wie<br />
die IHK sich nicht an <strong>de</strong>n gängigen Qualitätsstandards<br />
orientiere und Produkte<br />
anbietet, die sich in einer Grauzone bewegten.<br />
„Wir stören uns daran, dass eine<br />
fünftägige Mini-Weiterbildung als Ausbildung<br />
bezeichnet wird und mit einem Zertifikat<br />
beworben wird, das einen berufsbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />
Abschluss suggeriert“, erklärt<br />
Eberhard Hauser, Chef von Hauser-Consulting<br />
in Augsburg und Vorstand beim<br />
DBVC. Hauser ist bei seinem Verband zuständig<br />
für die Anerkennungsverfahren<br />
von Coaching-Weiterbildungsanbietern.<br />
„Wir wünschen uns, dass die IHK dieses<br />
Format zumin<strong>de</strong>st umbenennt.“ Über<br />
kurz o<strong>de</strong>r lang wer<strong>de</strong> das Würzburger<br />
Angebot jedoch in erster Linie <strong>de</strong>m Ruf<br />
<strong>de</strong>r IHK insgesamt scha<strong>de</strong>n.<br />
Die Gefahr sieht Knut Diekmann, zuständig<br />
für Grundsatzfragen in <strong>de</strong>r Weiterbildung<br />
beim Deutschen Industrie- und Han<strong>de</strong>lskammertag<br />
(DIHK) in Berlin, dagegen<br />
nicht. Er kenne zwar das Würzburger<br />
Programm nicht, könne sich aber nicht<br />
vorstellen, dass die Franken „eklatante<br />
Fehler“ machten. Dafür gebe es schließlich<br />
das interne Qualitätsmanagementsystem,<br />
<strong>de</strong>ssen Standards jedoch nicht<br />
öffentlich bekannt gemacht wer<strong>de</strong>n und<br />
sich ausschließlich an prozessorientierten<br />
Standards orientieren. Damit sei eine<br />
durchgängige Qualität <strong>de</strong>r Lehrgangs-<br />
Angebote sichergestellt. „Wir verlassen<br />
uns darauf, dass die IHK das einhalten“,<br />
sagt Diekmann. Gera<strong>de</strong> in neuen Märkten<br />
wie <strong>de</strong>m Coaching brauche man je-<br />
doch auch Raum für Experimentierfel<strong>de</strong>r.<br />
„Wenn ein Lehrgang nicht gut ist, wird<br />
er auch wie<strong>de</strong>r vom Markt verschwin<strong>de</strong>n“,<br />
glaubt Diekmann. Doch welches<br />
Unternehmen kommt schon auf die I<strong>de</strong>e,<br />
dass sich die IHK-Lehrgänge zum Business-Coach<br />
so gravierend unterschei<strong>de</strong>n?<br />
Und schließlich gibt es auch Teilnehmer,<br />
die nur scharf auf das schnelle Zertifikat<br />
sind. Das zeigt das Beispiel eines Teilnehmers<br />
in Westerham. Nach<strong>de</strong>m sein<br />
Engagement und seine Präsenz dort zu<br />
wünschen übrig ließen und man ihn ermahnte,<br />
dass er damit sein Zertifikat<br />
gefähr<strong>de</strong>, wechselte er kurzerhand nach<br />
Würzburg.<br />
„Ich hatte auch schon einen Interessenten,<br />
<strong>de</strong>r eine Stellungnahme wollte,<br />
warum unser Kurs viel länger ist“, erzählt<br />
Kerstin Rosner, Projektleiterin <strong>de</strong>r Führungsaka<strong>de</strong>mie<br />
<strong>de</strong>s IHK Bildungshauses<br />
Schwaben. Ab Juni bieten die Augsburger<br />
erstmals auch eine Ausbildung zum<br />
Business-Coach (IHK) mit 176 Präsenzstun<strong>de</strong>n<br />
an. Entstan<strong>de</strong>n sei die I<strong>de</strong>e aus<br />
<strong>de</strong>r Nachfrage nach Führungstrainings.<br />
Zielgruppe seien daher Führungskräfte,<br />
Personalverantwortliche, Geschäftsführer,<br />
aber auch Personen, die sich mit<br />
Coaching selbstständig machen möchten.<br />
„Wir möchten keine Coaches ohne intensive<br />
Ausbildung an Mitarbeiter o<strong>de</strong>r Klienten<br />
lassen“, betont Rosner. Sie könne<br />
sich nicht vorstellen, dass man das fundiert<br />
in 40 Stun<strong>de</strong>n lernen kann.<br />
Gegenangriff<br />
An Daniel Krämer prallt jegliche Kritik ab.<br />
Statt<strong>de</strong>ssen geht <strong>de</strong>r Leiter <strong>de</strong>s Schmalspur-Lehrgangs<br />
zum Gegenangriff über.<br />
„In Westerham machen sie eben mehr<br />
Selbsterfahrung und das Business steht<br />
nicht im Vor<strong>de</strong>rgrund“, behauptet er. Es<br />
sei die Frage, ob „die“ das überhaupt<br />
Business-Coach nennen dürften. Darüber<br />
kann Lehrgangsleiter Peter Patzelt<br />
nur <strong>de</strong>n Kopf schütteln. „Selbsterfahrung<br />
ist einfach notwendig, um vernünftig<br />
als Coach arbeiten zu können“, sagt <strong>de</strong>r<br />
Psychologe. „Ich muss doch Phänomene<br />
wie Übertragung und Gegenübertragung<br />
kennen.“ Zu<strong>de</strong>m spreche <strong>de</strong>r Teilnehmerkreis<br />
aus Vorstän<strong>de</strong>n, Geschäftsführern,<br />
Trainern, Personalentwicklern für sich.<br />
Bärbel Schwertfeger