Sigrid Leuschner (Landtag) und Belgin Zaman - Kleeblatt
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Jenseits des Ballermanns<br />
Es gibt nur wenige Dinge, mit denen ich meine Frau <strong>und</strong> meinen<br />
Sohn noch überraschen kann. „Dieses Jahr machen wir Urlaub in<br />
einem BiosphärenReservat“, verkündete ich also am Frühstückstisch.<br />
Der Sohn am anderen Ende des Tisches verzog das Gesicht,<br />
die Frau neben mir bemühte sich, jetzt bloß nichts Falsches zu<br />
sagen. „Wir fliegen nach Menorca, das ist die kleine Insel neben<br />
Mallorca <strong>und</strong> sie ist von der UNESCO zum BiosphärenReservat<br />
erklärt worden“, klärte ich die Familie auf. Seit Jahren bin ich dafür<br />
verantwortlich, unsere Reiseziele festzulegen – das haben sie nun<br />
davon. Die Sache mit dem Biosphären Reservat hatte ich selber<br />
gerade erst in einem Reiseführer gelesen. Als Familienvater sollte<br />
man aber stets so tun, als sei man mit diesem Wissen bereits auf<br />
die Welt gekommen, also führte ich die Sache noch etwas fort:<br />
„Die Küsten der Insel sind nur sehr wenig bebaut <strong>und</strong> die Hotels<br />
dürfen sich nicht zu nahe an den Buchten ansiedeln. Deshalb ist<br />
die Insel noch so naturbelassen.“ Meine Frau hatte genug gehört,<br />
sie verschwand ins Schlafzimmer um ihren Bikini anzuprobieren.<br />
Wenige Tage später landeten wir in Mahon, der Inselhauptstadt<br />
Menorcas. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich Mahon immer für<br />
einen spanischen Käse gehalten. Ich bin nun einmal Gastronom,<br />
kein Geograf. Mit dem Mietwagen machten wir uns auf den Weg<br />
zu unserem Urlaubsort; Ciutadella, einer kleinen Gemeinde an der<br />
Westküste Menorcas. Die Insel ist nur 50 Kilometer lang, was kurze<br />
Autostecken bedeutet. Ich lernte den Vorteil kurzer Fahrtzeiten<br />
schon während unseres Ankunftstags sehr zu schätzen. Meine<br />
Frau nutz lange Autofahren nämlich gerne für Diskusionen über<br />
Gr<strong>und</strong>sätzliches. Zum Beispiel darüber, dass ich darauf bestanden<br />
hatte, den Mietwagen nicht direkt am Flughafen, sondern ein paar<br />
Straßen weiter zu buchen. Ich versprach mir von diesem genialen<br />
Einfall eine Ersparnis von mindestens 100 Euro. Die Autovermie<br />
24 KLEEBLATT · AUSGABE 12/2012<br />
ter, die sich nicht in der Nähe des Flughafens befinden, möchten<br />
für ihre Wagen eine wesentlich geringere Miete haben. Aber dann<br />
hatte der Mann hinter dem Verkaufstresen gelächelt <strong>und</strong> auf das<br />
Blatt Papier getippt, auf dem ich unterschreiben sollte. „Hier.<br />
Versicherung“, hatte er gesagt. Und ich bezahlte eine horrende<br />
Versicherungspauschale. Ich vermute mal, dass unser Auto auch<br />
für den Fall eines Meteoriteneinschlags oder einer Schneelawine<br />
versichert war. Anders kann ich mir diese Summe nicht erklären.<br />
Unseren ersten Ausflug unternahmen wir nach Cap d´Artrutx. Der<br />
Leuchtturm mit dem anliegenden Restaurant soll ein beliebtes Ziel<br />
für Touristen sein. Wir sahen uns um – <strong>und</strong> waren die Einzigen. In<br />
dem kleinen Gastronomiebetrieb hatte man offensichtlich nicht<br />
mit Gästen gerechnet, also mussten wir lange warten. Ich sehe<br />
solche Sachen immer ein bisschen entspannter, als es andere Touristen<br />
vermutlich tun. Als Cafébesitzer weiß ich, dass auch meine<br />
Gäste meistens dann besonders lange warten müssen, wenn das<br />
Cafe besonders leer ist. Jeder Handgriff ist dann weniger eilig.<br />
Wir bestellten einen Cortado; einen spanischen Espresso mit warmer<br />
Milch <strong>und</strong> wenig Schaum, der in einem kleinen Glas serviert<br />
wird. Manchmal lohnt es sich, zu warten.<br />
Unser Weg führte uns weiter in Richtung Osten. In Cala´n Bosch,<br />
einer kleinen Hafenstadt, bestellten wir unser Mittagessen. Das<br />
wollten wir den gemütlichen Leuchtturmgastronomen nicht auch<br />
noch zumuten. Drei kleine TapasTeller. Tortilla (Kartoffel Omelette)<br />
gut gewürzt, Gambas all Aljo (Garnelen im Olivenöl) <strong>und</strong><br />
gebratene Sardinen. Mein Sohn überstand dieses Mittagessen, das<br />
so gar nicht nach seinem Geschmack war, nur widerwillig <strong>und</strong><br />
forderte im Anschluss, sofort einen Strand aufzusuchen <strong>und</strong> baden<br />
zu gehen.