ANZEIGEN 68 KLEEBLATT · AUSGABE 12/2012
Kolumne von Jenny Pfeiffer Laut gedacht Wir sprechen, wie ihr schreibt Neulich hätte ich ja fast beim Fernsehsender VOX angerufen. Um mich wegen schlechter Recherche zu beschweren, denn „Das perfekte Dinner“ in Hannover leitete der Sprecher mit den Worten ein: „Willkommen zum perfekten Dinner in der Hansestadt Hannover!“ – Hansestadt? Also bitte... Glücklicherweise waren mir die Telefongebühren dafür zu schade. Anderenfalls wäre es nämlich peinlich geworden, da empörte Bekannte, die sogleich Wikipedia konsultiert hatten, mir später mitteilten: „Du musst jetzt stark sein: Hannover ist tatsächlich Hansestadt, etwa seit dem vierzehnten Jahrh<strong>und</strong>ert!“ Meine Kinnlade fiel auf Kniehöhe. Was hatte die Schatztruhe meiner Heimatstadt bisher noch vor mir verborgen? Sofort stürzte ich an meinen Laptop <strong>und</strong> durchstöberte das Internet nach den größten Errungenschaften der niedersächsischen Landeshauptstadt. Ein Name, an dem ich dabei nicht vorbei kam: Emil Berliner. Der Hannoveraner <strong>und</strong> spätere Emigrant revolutionierte nicht nur die Musikwelt durch die Entwicklung der Schallplatte <strong>und</strong> des Grammo phons, sondern erfand nebenbei noch den allseits beliebten Parkettboden sowie den Tragschrauber. Wahnsinn! Im Anschluss habe ich erst mal nachgeschlagen, wozu ein Tragschrauber gut ist. Im Übrigen muss ich seit meinen Internetnachforschungen im Büro täglich an Wahlhannoveraner Gottfried Wilhelm Leibniz denken, dem ich meinen besten Fre<strong>und</strong>, die Rechenmaschine, verdanke. Ha, endlich noch ein paar Argumente, um sie den meist auswärtigen oder zugezogenen HannoverVerächtern ins Gesicht zu schleudern, die ich immer wieder nörgeln höre: „Hannover hat das gewisse Nichts. Echt nix los hier.“ Von wegen, die haben doch alle noch weniger Ahnung als ich! Großartige Dinge hat unsere Region hervorgebracht. Hochdeutsch zum Beispiel, nicht umsonst existiert in einem großen Internetnetzwerk die Gruppe „Hannover – Wir sprechen, wie ihr schreibt“. Ernsthaft, wie kommen die Menschen im Süden <strong>und</strong> Osten Deutschlands bloß mit ihren Dialekten klar? Auch auf CinemaxxKinos müssten wir verzichten, hätte nicht ein Mitschüler meines (darauf extrem neidischen) Geschichtslehrers in der Nikolaistraße den deutschlandweiten Erfolg seines Unternehmens begründet. Darüber hinaus gilt: Kein Hannover, keine Kekse! Schließlich wurde hier die Firma Bahlsen gegründet, <strong>und</strong> wer kann sich schon eine Kindheit ohne 52zahnige Leibniz Butterkekse vorstellen? Im Gegensatz zu diesen hat sich unser Kultgetränk „Lüttje Lage“ zwar nie weit über die Stadtgrenzen verbreitet, sorgt dafür aber für exklusives Trinkvergnügen auf unseren Volksfesten. Und wäre Heinrich Göbel aus dem nahe gelegenen Springe damals schneller zum Patentamt gespurtet, stünde als Erfinder der Glühbirne im Lexikon heute nicht Thomas A. Edison! Wo wir gerade Volksfeste erwähnt haben, natürlich ist bei uns das größte Schützenfest der Welt zu Hause, während das Maschseefest inzwischen Gäste aus ganz Norddeutschland anlockt. Neu war mir hingegen, dass in Laatzen die größte Messehalle nebst größter Autoparkfläche der Welt steht. Nun, immerhin waren wir im Jahr 2000 ExpoStadt. Auch wenn die futuristischen Pavillons den Betrachter lange nicht so zu überwältigen vermögen wie der Prachtbau unseres Neuen Rathauses. St<strong>und</strong>enlang könnte ich auf dem Trammplatz stehen <strong>und</strong> staunen, besonders wenn die Kuppel <strong>und</strong> all die detailverliebten Bauverzierungen bei Nacht angestrahlt werden. „Eines der schönsten Gebäude Europas“, begeisterte sich einmal jemand. Also, wenn das keine schlagenden Argumente zugunsten der Leinemetropole sind! Und wen das immer noch nicht überzeugt hat, dem sei gesagt: Wie haben außerdem in der Altstadt einen wahrhaftigen Wunschbrunnen, der gelegentlich sogar funktioniert, einen veganen Supermarkt <strong>und</strong> natürlich die Welfen, bekanntermaßen lange mit dem englischen Königshaus verb<strong>und</strong>en. Genau wie aus den Tudors ließe sich aus ihrer Geschichte sicher eine prima Fernsehserie machen... Naja, vielleicht nicht unbedingt mit unserem Prügelprinzen als zentraler Figur. Ach ja, ein Tragschrauber ist übrigens eine Art Helikopter mit andersartigem Antrieb. Und bei so vielen hannoverschen Highlights ist mir jetzt auch klar, warum wir den Titel „Hansestadt“ nicht mehr im Namen führen: Das hat unsere schöne Stadt überhaupt nicht nötig. KLEEBLATT · AUSGABE 12/2012 69