7. Jahrgang, Heft 2 (Juli 1977) - CatholicaPedia
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- 93 - VII<br />
Christus nicht. Die äußere Bedrängnis Pauls VI. sehen doch nur die "Seher",<br />
aber nicht wir normal Begabten!<br />
Es ist merkwürdig: In allem will der aufgeklärte Mensch gescheiter<br />
sein als alle früheren Generationen - nur dort, wo er wirklich<br />
gescheiter sein müßte, dort stellt er sich dumm! An ewigen Wahrheiten, ja<br />
sogar daran, daß es überhaupt ewige Wahrheiten gibt, rüttelt er, auf die<br />
Geschichtsbetrachtung verzichtet er jedoch! Dabei müßte er doch dadurch,<br />
daß er auf einen größeren Zeitraum zurückblicken kann als dies frühere<br />
Generationen konnten, über den Verlauf der Geschichte und die Erfüllung<br />
von Vorbildern besser Bescheid wissen. Aber das Gegenteil ist der Fall.<br />
Moses hatte vor knapp dreieinhalb Tausend Jahren einen weit besseren Überblick<br />
über die gesamte Geschichte als der Mensch des 20. Jahrhunderts.<br />
So etwas wie durch Lebenserfahrung gewonnene Weisheit des Alters sucht<br />
man heute vergeblich. Aber das kann auch kein Wunder sein. Denn wie soll<br />
ein 90-jähriger Lebensweisheit besitzen können, der seinen ganzen Altersstarrsinn<br />
dafür aufwendet, um sich gewaltsam einzubilden, er sei bis zu<br />
seinem 3o. Lebensjahr ein Fisch, bis zu seinem 40. ein Nilpferd, bis zu<br />
seinem 50. ein Kamel, bis zu seinem 60. ein Esel, bis zu seinem 7o. ein<br />
Affe, bis zu seinem 80. ein Halbaffe gewesen, sei erst im 90. Lebensjahr<br />
ein Mensch geworden und 'ìabe die kurze Zeit bisher im Dämmerschlaf geistiger<br />
Umnachtung verbracht und sei erst jetzt, während er schon ins Grab<br />
fällt, ein normaler Mensch geworden! Dabei bemerken die Väter gelegentlich,<br />
daß ihre Nachfahren in diesem oder jenem Punkt sicher mehr sagen<br />
könnten als sie. Wenn der Alte Bund einst ein Vorbild für das Zukünftige<br />
gewesen sei, warum sollte dann nicht auch die gegenwärtige Zeit. Vorbilder<br />
für künftige Zeiten enthalten, meinte der hl. Hieronymus (In Is.16,14)!<br />
b) Der Blick in den Himmel.<br />
Es gibt aber auch den umgekehrten Fall, nämlich daß uns in der Hl.Schrift<br />
himmlische Dinge geschildert werden, deren Verwirklichung in der irdischen<br />
Wirklichkeit wir dann erkennen sollen. Die Erkenntnis der Engel<br />
richtet sich unmittelbar auf Ideen oder Prinzipien, die die Grundlage<br />
für die irdische Wirklichkeit bilden. Daß das Weizenkorn zuerst in die<br />
Erde fallen und sterben muß, um Frucht bringen zu können, ist beispielsweise<br />
ein solches Prinzip, dessen Verwirklichung wir in den verschiedensten<br />
Bereichen bis hinauf zur Heilsgeschichte millionenfach beobachten<br />
können. Hält man sich dies vor Augen, so begreift man auch, daß es unsinnig<br />
ist, etwa bei der Apokalypse zu sagen, dieser oder jener Abschnitt<br />
beziehe sich ausschließlich auf dieses oder jenes konkrete Ereignis. Freilich<br />
werden häufig kurze, konkrete Angaben eingeflochten, die sich, wörtlich<br />
genommen, nur auf ein Ereignis beziehen lassen, um damit den Leser<br />
darauf hinzuweisen, daß dieser Satz auf jeden Fall auch auf dieses Ereignis<br />
bezogen werden müsse. Wenn es z.B. Apok. 12,12 heißt, der Teufel sei<br />
mit gewaltigem Grimm zur Erde hinabgestiegen und er wisse, wie kurz seine<br />
Frist ist, dann steht eine Erfüllung dieses Kaitels offenbar noch aus,<br />
denn 19oo Jahre gelten in der Hl. Schrift nicht als kurze Frist, wohl<br />
aber ein Menschenalter, in diesem Fall die Lebensdauer des Antichrist.<br />
Um bei der Auslegung nicht ins Uferlose zu geraten, ist es also erforderlich,<br />
sehr genau auf solche Angaben zu achten. Geht man nämlich nach<br />
der heute üblichen Methode vor und sagt, dies bedeute das und dies jenes,<br />
hier sei etwas Bestimmtes für etwas Unbestimmtes und hier etwas Unbestimmtes<br />
für etwas Bestimmtes gesetzt, dann ließe sich unschwer alles und jedes<br />
aus jedem Kapitel der Apokalypse herauslesen!<br />
Bedenkt man, daß einerseits die Ideen in der Wirklichkeit in<br />
vielerlei Formen verwirklicht werden, und andererseits unser "Jetzt" Gott<br />
genau so nah ist wie das "Jetzt" des ersten Menschen, dann wird auch klar,<br />
warum die prophetischen Bücher, auch wenn in ihnen die Zukunft ausgelegt<br />
bzw. erhellt werden soll, gleichzeitig immer auch auf die Vergangenheit<br />
angewandt werden können, und umgekehrt, warum Berichte über Vergangenes<br />
zwangsläufig auch Zukünftiges enthalten, wenn der Hagiograph die Geschehnisse<br />
nach Art der Engel schauen durfte. So sagt etwa Christus, auch Mo-