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Volltext (PDF) - Deutsches Institut für Erwachsenenbildung

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Die ökonomischen Härten des Umbruchprozesses<br />

halten diesen Familientyp nicht zusammen: Sie wirken<br />

noch nicht einmal hemmend, dazu ist das<br />

angeschwollene Konfliktpotential zu brisant. Kinder<br />

sind in dieser Situation oft hilflos sich selbst überlassen.<br />

Ihre Eltern bezeichnen sie, ihr Schuldbewußtsein<br />

überspielend, als „<strong>für</strong> ihr Alter schon sehr<br />

unabhängig“.<br />

Die Risiken dieses Familientyps sind von ihrer<br />

Intensität her unterschiedlich stark, und auch die<br />

Bewertung dieses Familientyps dürfte je nach der<br />

Interpretation weit auseinandergehen. Tritt die Risikofamilie<br />

in verstärkter Form auf, so können wir<br />

von einer ‚Explosionsfamilie‘ sprechen. Wenn jedoch<br />

die individuellen Chancen betont werden sollen,<br />

so könnte man von einer ‚Aufbruchfamilie‘ reden.<br />

2) Die Verhärtungsfamilie: Zur Abwehr des übergroßen<br />

Außendrucks (Arbeitslosigkeit, neue Alltagsnormen,<br />

veränderte Wertmaßstäbe) schließen sich<br />

die Eltern nach innen hin zusammen. Sie lassen die<br />

Außenwelt möglichst nicht an sich heran; man<br />

könnte beinahe von einer ‚Regressionsfamilie‘ sprechen.<br />

Stellen wir gleichzeitig eine fragwürdige, bisweilen<br />

sogar völlig fehlende Kommunikation mit der<br />

jungen Generation fest (s.o.), so kann diese Verhärtung<br />

der Erwachsenen die Kinder regelrecht abstoßen.<br />

Die Panzerung gegenüber der feindlichen Außenwelt<br />

kann dazu führen, daß nichtgelöste Konflikte<br />

der Erwachsenen, die Gegenwart zu bewältigen,<br />

mit Hilfe psychologischer Übertragungsmechanismen<br />

auf die Kinder übertragen werden und diese<br />

nun die nicht ausgelebte Aggressivität der Eltern<br />

aufnehmen und unbewußt verinnerlichen. Für die<br />

Eltern wiederum ist dies ein Grund, sich – voller<br />

Abscheu – von ihren „erstaunlicherweise gewaltbereiten“<br />

Kindern abzusetzen.<br />

3) Die Kontinuitätsfamilie steht zwischen den<br />

beiden genannten Familientypen. Dieser Typus, der<br />

quantitativ am häufigsten anzutreffen ist, versucht,<br />

Modelle der ‚sanften Anpassung‘ zu praktizieren.<br />

Diese Familien lassen sich durch die große Kontinuität<br />

– vor und nach dem Epochenumbruch –<br />

charakterisieren. In der DDR-Zeit mußte dieser<br />

Familientypus kaum den Charakter einer Schutzund<br />

Trutzgemeinschaft annehmen; die fehlende,<br />

nahe Kommunikation zu den Kindern, die in der<br />

23<br />

Vergangenheit leicht überdeckt wurde (s.o.), tritt<br />

jedoch heute zutage und führt zu Irritationen. Auch<br />

die Folgen des sozio-ökonomischen Strukturumbruchs<br />

wirken langfristig auf diesen Familientypus<br />

ein: Während die Männer – soweit nicht auch<br />

diese arbeitslos sind – aufgrund der gestiegenen<br />

Arbeitsintensität und -anforderungen (auch zeitlicher<br />

Art) sehr beansprucht sind, sehen sich die –<br />

vielfach arbeitslos gewordenen – Frauen in die Rolle<br />

einer Nur-Hausfrau gedrängt, die sie mehrheitlich<br />

ablehnen, da diese Rolle ihrer Erziehung, ihren Erfahrungen<br />

und auch ihrem bisherigen Lebensstil<br />

nicht entspricht.<br />

Die Verlagerung aller Haushaltsverrichtungen<br />

und -verantwortlichkeiten auf die Frau, wie sie sich<br />

als Folge abzeichnet, führt zu krisenhaften Umschichtungen<br />

des Familiengefüges, die <strong>für</strong> die Zukunft<br />

zu prognostizieren, aber zunächst bei diesem<br />

Familientypus noch wenig sichtbar sind. Die<br />

Kontinuitätsfamilie möchte so tun, als ob die strukturellen<br />

Veränderungen, die auch sie – zumindest<br />

latent – betreffen, ihr persönliches Familienleben<br />

möglichst wenig beeinflussen bzw. beeinträchtigen.<br />

Je nachdem, wie gut ihr das gelingt, kann man weiter<br />

differenzieren:<br />

Soweit die Frauen noch berufstätig sind und<br />

ebenfalls höheren Belastungen ausgesetzt sind, können<br />

sie teilweise damit rechnen, daß sich traditionelle<br />

Familienarrangements aufweichen und ihre<br />

männlichen Partner aufgrund des jahrelang erprobten<br />

Vereinbarkeitsmodells einen Teil der Familienarbeit<br />

übernehmen. Die Kontinuitätsfamilie kann<br />

insofern als sozialer Puffer wirken. Durch eine offene,<br />

interne Kommunikation wird dies erleichtert.<br />

Verhandlungshaushalte haben insofern am ehesten<br />

Chancen, abrupte Brüche abfedern zu können.<br />

Anderen Familien (z.B. restrikten Befehlshaushalten)<br />

gelingt dies weniger; dort entspricht dem<br />

Wunsch, an der Realität, wie sie ist, festzuhalten,<br />

kein tatsächliches innerfamiliäres Arrangement.<br />

Aufgrunddessen ist so eine – noch vorläufige – Tendenz<br />

von ‚Befehls‘- zu ‚Verhandlungshaushalten‘ zu<br />

konstatieren (siehe auch: du Bois-Reymond 1991).<br />

Um an ihren bisherigen Vorstellungen festzuhalten<br />

(Berufstätigkeit beider Partner), sieht sich die<br />

Kontinuitätsfamilie vielfach genötigt, einen flexiblen<br />

kommunikativen Umgang zu pflegen. Kommt<br />

es in der Folge zu Rollenaufweichungen, so weniger

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