Volltext (PDF) - Deutsches Institut für Erwachsenenbildung
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48<br />
gleichberechtigt’, dann brauchen sie es nicht noch<br />
einmal wiederholen und in konkreten Lebensbereichen<br />
überprüfen. Ich habe daher den Eindruck, daß<br />
das Maß an Gleichberechtigung in anderen Lebensbereichen,<br />
nicht nur im Arbeitsbereich, sehr unterschiedlich<br />
war. Viele Frauen haben mir berichtet:<br />
‘Ich hab mir immer gewünscht, so selbstverständlich<br />
auftreten zu dürfen wie West-Frauen, so selbstbewußt’.<br />
Wagner: Das betraf aber auch die Männer. Als<br />
Mann in der DDR konnte man auch nicht einfach<br />
sagen, was man wollte. Offensiv die eigene Meinung<br />
zu vertreten, die von der offiziell tolerierten abwich,<br />
war schwierig. Insbesondere in Schulen war dies sehr<br />
eindrücklich, ich kenne das aus meiner Erfahrung<br />
als Elternvertreter: Früher mußte man sich jedes Mal<br />
überlegen, ‘Kann ich das jetzt sagen oder wenn ja,<br />
welche Konsequenzen hat dies <strong>für</strong> das Kind?’ Das<br />
spielt zwar heute auch eine Rolle, ich will mich auch<br />
heute mit der Direktorin der Schule nicht unnütz<br />
verkrachen und ihr nicht zu schräg persönlich kommen,<br />
aber die übergreifende politische Bedeutung<br />
ist entfallen. Man kann also Positionen durchfechten<br />
und bleibt nicht dabei stehen zu überlegen, ob<br />
man bestimmte Dinge überhaupt sagen darf.<br />
Das hat in vielen Bereichen eine Rolle gespielt,<br />
in denen auch männliche Selbstbestätigung schwer<br />
war. Die klassischen Bereiche männlicher Selbstbestätigung,<br />
wie berufliche Karriere machen oder ein<br />
gutes Auto, wie auch immer man das bewerten<br />
möchte, das war in der DDR sehr beschränkt.<br />
7.8 Parteibestimmtes Männerideal<br />
Frage: Wie sah denn das Männlichkeitsideal der<br />
DDR aus? Wie sollte sich das ‘Oberhaupt einer sozialistischen<br />
Familie’ verhalten? In mehreren Familiengesprächen<br />
äußerten Männer, sie wüßten gar<br />
nicht, welchem Ideal sie hätten nachkommen sollen.<br />
Wagner: Wie immer in der DDR müssen wir<br />
mehrere Ebenen betrachten, die offiziell verkündete,<br />
das tatsächlich gelebte Leben und das, was unter<br />
der Decke noch eine Rolle spielte. Ein Mann berichtete<br />
mir mal über einen anderen Mann, der mit<br />
der Schürze in der Küche stehe, naja, der sei eben<br />
auch in der Partei. In der SED-Ideologie waren<br />
gleichberechtigte Beziehungen angedacht, auch gefordert,<br />
in der Realität hat dies – angefangen von<br />
Parteifunktionären – wenig stattgefunden. Gerade<br />
Funktionäre waren so eingespannt, daß sie eine Frau<br />
im Hintergrund brauchten – wirklich eine Frau im<br />
Hintergrund –, während am ehesten in der Mittelschicht<br />
durchaus auch von einer linken Ideologie<br />
her Gleichberechtigung praktiziert wurde.<br />
Frage: Das Motto ‘Die Frau sichert das Hinterland’<br />
wäre ja die große Übereinstimmung zwischen<br />
konservativen Mustern in Ost und West.<br />
Wagner: In höheren Positionen finden wir mit<br />
Sicherheit eine solche Rollenverteilung. In den Mittelschichten<br />
haben wir tendenziell ausgeglichenere<br />
Beziehungen konstatiert, und in der Unterschicht<br />
herrschten ganz konservative Verhältnisse, da<strong>für</strong> ist<br />
der Ausspruch typisch: ‘Ein Mann, der mit der<br />
Schürze in der Küche steht, muß ein Genosse sein,<br />
der hat eben so verdrehte Ideen im Kopf’. Bei Arbeitern<br />
und Handwerkern dominierten also ganz<br />
traditionelle Rollenvorstellungen.<br />
Frage: Wenn Männer nicht so recht wußten,<br />
welchen Vorstellungen eines Familienoberhaupts sie<br />
eigentlich nachkommen sollten, dann waren sie – so<br />
berichten einige – auch dadurch irritiert, daß ihre<br />
Frauen am Arbeitsplatz achteinhalb Stunden lang<br />
mit ‘attraktiven’ Kollegen zusammen waren, die von<br />
den Ehemännern als gefährliche Konkurrenz erlebt<br />
wurden. ‘Weshalb’, so fragte sich manch einer, ‘soll<br />
ich der offiziellen Ideologie der Gleichberechtigung<br />
nachhängen und mich am täglichen Haushaltskram<br />
beteiligen, wenn das meine Chancen in der Konkurrenz<br />
mit diesen Kollegen schwächt? Als althergebrachter<br />
Mann habe ich vielleicht sogar mehr Chancen’.<br />
Wagner: Zu DDR-Zeiten habe ich genau solche<br />
Punkte näher verfolgt: Wo haben die politischen<br />
Verhältnisse eine Bedeutung und wo sind es die ganz<br />
persönlichen Verhältnisse? Der geschilderte Mann<br />
hat möglicherweise sein privates Mann-Sein in der<br />
Beziehung zu seiner Frau nicht bewältigt und sein<br />
Problem ideologisiert. Insofern ist im Einzelfall sehr<br />
genau zu unterscheiden, ob die politischen Verhältnisse<br />
nur vorgeschoben werden <strong>für</strong> persönliche Problematiken.<br />
7.9 Geteilte Hausarbeit?<br />
Frage: Obwohl über 90% der Frauen in der<br />
DDR erwerbstätig waren, haben sich die Männer