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Volltext (PDF) - Deutsches Institut für Erwachsenenbildung

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gleichberechtigt’, dann brauchen sie es nicht noch<br />

einmal wiederholen und in konkreten Lebensbereichen<br />

überprüfen. Ich habe daher den Eindruck, daß<br />

das Maß an Gleichberechtigung in anderen Lebensbereichen,<br />

nicht nur im Arbeitsbereich, sehr unterschiedlich<br />

war. Viele Frauen haben mir berichtet:<br />

‘Ich hab mir immer gewünscht, so selbstverständlich<br />

auftreten zu dürfen wie West-Frauen, so selbstbewußt’.<br />

Wagner: Das betraf aber auch die Männer. Als<br />

Mann in der DDR konnte man auch nicht einfach<br />

sagen, was man wollte. Offensiv die eigene Meinung<br />

zu vertreten, die von der offiziell tolerierten abwich,<br />

war schwierig. Insbesondere in Schulen war dies sehr<br />

eindrücklich, ich kenne das aus meiner Erfahrung<br />

als Elternvertreter: Früher mußte man sich jedes Mal<br />

überlegen, ‘Kann ich das jetzt sagen oder wenn ja,<br />

welche Konsequenzen hat dies <strong>für</strong> das Kind?’ Das<br />

spielt zwar heute auch eine Rolle, ich will mich auch<br />

heute mit der Direktorin der Schule nicht unnütz<br />

verkrachen und ihr nicht zu schräg persönlich kommen,<br />

aber die übergreifende politische Bedeutung<br />

ist entfallen. Man kann also Positionen durchfechten<br />

und bleibt nicht dabei stehen zu überlegen, ob<br />

man bestimmte Dinge überhaupt sagen darf.<br />

Das hat in vielen Bereichen eine Rolle gespielt,<br />

in denen auch männliche Selbstbestätigung schwer<br />

war. Die klassischen Bereiche männlicher Selbstbestätigung,<br />

wie berufliche Karriere machen oder ein<br />

gutes Auto, wie auch immer man das bewerten<br />

möchte, das war in der DDR sehr beschränkt.<br />

7.8 Parteibestimmtes Männerideal<br />

Frage: Wie sah denn das Männlichkeitsideal der<br />

DDR aus? Wie sollte sich das ‘Oberhaupt einer sozialistischen<br />

Familie’ verhalten? In mehreren Familiengesprächen<br />

äußerten Männer, sie wüßten gar<br />

nicht, welchem Ideal sie hätten nachkommen sollen.<br />

Wagner: Wie immer in der DDR müssen wir<br />

mehrere Ebenen betrachten, die offiziell verkündete,<br />

das tatsächlich gelebte Leben und das, was unter<br />

der Decke noch eine Rolle spielte. Ein Mann berichtete<br />

mir mal über einen anderen Mann, der mit<br />

der Schürze in der Küche stehe, naja, der sei eben<br />

auch in der Partei. In der SED-Ideologie waren<br />

gleichberechtigte Beziehungen angedacht, auch gefordert,<br />

in der Realität hat dies – angefangen von<br />

Parteifunktionären – wenig stattgefunden. Gerade<br />

Funktionäre waren so eingespannt, daß sie eine Frau<br />

im Hintergrund brauchten – wirklich eine Frau im<br />

Hintergrund –, während am ehesten in der Mittelschicht<br />

durchaus auch von einer linken Ideologie<br />

her Gleichberechtigung praktiziert wurde.<br />

Frage: Das Motto ‘Die Frau sichert das Hinterland’<br />

wäre ja die große Übereinstimmung zwischen<br />

konservativen Mustern in Ost und West.<br />

Wagner: In höheren Positionen finden wir mit<br />

Sicherheit eine solche Rollenverteilung. In den Mittelschichten<br />

haben wir tendenziell ausgeglichenere<br />

Beziehungen konstatiert, und in der Unterschicht<br />

herrschten ganz konservative Verhältnisse, da<strong>für</strong> ist<br />

der Ausspruch typisch: ‘Ein Mann, der mit der<br />

Schürze in der Küche steht, muß ein Genosse sein,<br />

der hat eben so verdrehte Ideen im Kopf’. Bei Arbeitern<br />

und Handwerkern dominierten also ganz<br />

traditionelle Rollenvorstellungen.<br />

Frage: Wenn Männer nicht so recht wußten,<br />

welchen Vorstellungen eines Familienoberhaupts sie<br />

eigentlich nachkommen sollten, dann waren sie – so<br />

berichten einige – auch dadurch irritiert, daß ihre<br />

Frauen am Arbeitsplatz achteinhalb Stunden lang<br />

mit ‘attraktiven’ Kollegen zusammen waren, die von<br />

den Ehemännern als gefährliche Konkurrenz erlebt<br />

wurden. ‘Weshalb’, so fragte sich manch einer, ‘soll<br />

ich der offiziellen Ideologie der Gleichberechtigung<br />

nachhängen und mich am täglichen Haushaltskram<br />

beteiligen, wenn das meine Chancen in der Konkurrenz<br />

mit diesen Kollegen schwächt? Als althergebrachter<br />

Mann habe ich vielleicht sogar mehr Chancen’.<br />

Wagner: Zu DDR-Zeiten habe ich genau solche<br />

Punkte näher verfolgt: Wo haben die politischen<br />

Verhältnisse eine Bedeutung und wo sind es die ganz<br />

persönlichen Verhältnisse? Der geschilderte Mann<br />

hat möglicherweise sein privates Mann-Sein in der<br />

Beziehung zu seiner Frau nicht bewältigt und sein<br />

Problem ideologisiert. Insofern ist im Einzelfall sehr<br />

genau zu unterscheiden, ob die politischen Verhältnisse<br />

nur vorgeschoben werden <strong>für</strong> persönliche Problematiken.<br />

7.9 Geteilte Hausarbeit?<br />

Frage: Obwohl über 90% der Frauen in der<br />

DDR erwerbstätig waren, haben sich die Männer

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