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Volltext (PDF) - Deutsches Institut für Erwachsenenbildung

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hab mich da nicht geschämt, muß ich mal sagen, und<br />

der eine Beamte hat dann gesagt, daß der Staatsschutz<br />

ermittelt. Sie haben Svens Zimmer durchsucht, drei<br />

Uhr morgens war das.<br />

Bei uns macht jeder so ein bißchen sein Ding. Die<br />

Daniela ist besonders weg von uns, der Sven vielleicht<br />

nicht mal so sehr wie die Dany, die Dany ist eben ein<br />

Typ, der sich viel mit sich selbst beschäftigt und die ooch<br />

sehr viel mit Freunden, ja, unterwegs ist, und die auch<br />

ständig allein im Zimmer ist. Hat sie immer so gemacht.<br />

Sie ist in der Beziehung so ein bißchen wie ich.<br />

Ich bin auch sehr gerne allein. Bei ihr ist das extrem<br />

ausgeprägt.“<br />

Rudolf Schindler:<br />

„Ich bin mehr <strong>für</strong> Familie. Ich geb viel da<strong>für</strong>, wenn<br />

die Familie zusammen ist. Grade bei Daniela ist es so,<br />

die hat ihre eigene Welt, ihr Zimmer, ihr Radio, liest<br />

gerne, oder sie schmökert, hat auch ihre Freunde, die<br />

kommen, aber im großen und ganzen – bei uns hält<br />

sie sich weniger auf. Wobei wieder Sven, wenn er da<br />

ist, mehr bei uns ist. Manchmal kommt das Familienleben<br />

in der Hinsicht zu kurz, diesen Umgang hat Sven<br />

erst jetzt, also nach der Wende, wa. Ich meine, wir<br />

waren in der Umbruchzeit mit unseren Problemen<br />

beschäftigt, und vielleicht liegt auch eine Ursache darin,<br />

daß unsere Kinder mit dem eben ooch fertig werden<br />

mußten und daß sie also nicht richtig bewältigt<br />

haben oder vielleicht doch die Unterstützung gefehlt<br />

hat.“<br />

Annegret Schindler:<br />

„Es ist ja auch so, daß unser Sohn z.B. ja völlig<br />

hemmungslos ist uns gegenüber, völlig distanzlos, sag<br />

ich immer. Also die Schwelle, die er früher nie überschritten<br />

hat, im Respekt oder in der Achtung oder so,<br />

die ist ja längst überschritten. Man fühlt sich ja auch<br />

dem Sohn hilflos ausgeliefert, in seinen Worten, in seinem<br />

Verhalten – also völlig distanzlos, ja. Man muß<br />

sich Sachen sagen lassen, da frag ich mich ernsthaft,<br />

also als Mutter, womit habe ich das verdient? Und hab<br />

ich das nötig, mich von meinem Sohn beschimpfen zu<br />

lassen? Aber wat, wat mach ich eigentlich in der Praxis<br />

dagegen? Du kannst eigentlich nischt drauf machen,<br />

du mußt nur das Beste draus machen, jeden Tag versuchen,<br />

jut über die Runden zu bringen, nur zu warten,<br />

stil (hinwendendes Verstehen und einschränkendes<br />

Anweisen) früher vorherrschten. Die Eltern resignieren<br />

jetzt, versuchen die Ereignisse im Zusammenhang<br />

mit ihrem Sohn Sven zu bagatellisieren (Strafverfahren<br />

und Hausdurchsuchung). Sprachgestus,<br />

Stimmlagen, Zwischentöne weisen darauf hin, daß<br />

sie innerlich sehr darüber betroffen sind. Gewalt<br />

scheint nun von den Kindern gegen die Eltern zu<br />

gehen. Annegret Schindler nimmt ihren Sohn<br />

schließlich als distanzlos, bedrohlich wahr, hofft,<br />

daß Sven eine Lehre findet und nach Beendigung<br />

wegzieht. Sie spricht davon leise, emotional gebrochen,<br />

bekennt ihr Resignieren offen. Es sind Ansätze<br />

vorhanden, die darauf verweisen, daß es nahe<br />

Kommunikation auch in der Vergangenheit kaum<br />

gab, daß dies durch das Wirken anderer Erziehungträger<br />

verdeckt wurde. Rollenkonformes<br />

Verhalten ist zwischen Eltern und Kindern fast nicht<br />

mehr erkennbar. Die Entleerung der Eltern-Kinder-<br />

Beziehung zeigt sich auch bei Tochter Daniela: Sie<br />

hält sich fast ausschließlich in ihrem Zimmer auf<br />

und entzieht sich dem Gespräch mit den Eltern.<br />

Es scheint widersprüchlich, daß Sohn Sven sich<br />

manchmal am gemeinsamen Fernsehempfang der<br />

Eltern beteiligt, ohne daß die Sendungen seinen Interessen<br />

entsprechen oder die Eltern ihn einbeziehen.<br />

Dies ist als Hinweis darauf zu verstehen, daß<br />

zum gegenwärtigen Zeitpunkt von seiten des Sohnes<br />

Kommunikation noch gewünscht, aber schon<br />

gestört ist.<br />

Ansätze zu politischen Themen gibt es zwischen<br />

Sven und den Eltern: Der von allen geteilte ‚Antifaschismus‘<br />

ermöglicht es dem Sohn, die Eltern unter<br />

Druck zu setzen. Sven rechtfertigt seine Aktionen<br />

gegenüber seinen Eltern damit, daß er im Gegensatz<br />

zu ihnen wenigstens etwas tue, was diese nicht<br />

bestreiten können. Sie wissen sich von den Intentionen<br />

her mit ihrem Sohn einig, nicht aber mit den<br />

gewalttätigen Folgerungen, die er daraus zieht.<br />

Doch die Gespräche darüber führen regelmäßig zu<br />

Streit, die Kommunikation endet in einer Sackgasse.<br />

Um überhaupt irgendwie als Familie zusammenleben<br />

zu können, beschränken die Schindlers die<br />

Kommunikationsinhalte auf äußerliche Fragen der<br />

Organisation des Zusammenlebens.

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