Volltext (PDF) - Deutsches Institut für Erwachsenenbildung
Volltext (PDF) - Deutsches Institut für Erwachsenenbildung
Volltext (PDF) - Deutsches Institut für Erwachsenenbildung
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Ralf Rink:<br />
„Mein Vati arbeitet ja teilweise auch nachts. Mutti<br />
hat jetzt die ganze Verantwortung, die beiden lassen<br />
mir viel Spielraum. Ich geh fast jeden Tag fort. Jede<br />
Woche gibts Disko bis in die frühen Morgenstunden,<br />
bei manchen Familien gibt’s das nicht. Wir haben so<br />
unseren Treff, da geh ich so um viere, fünfe am Nachmittag<br />
hin, komm um neune abends wieder nach Hause.<br />
Später komm ich nicht, weil da in unserem Treff<br />
nichts mehr los ist, da wird’s langweilig.“<br />
Christian Liedtke:<br />
„Wenn ich jetzt Mist baue, daß ich jetzt was nicht<br />
richtig gemacht habe, naja dann ist klar, daß sie dann<br />
die Zügel etwas enger ziehen. Ansonsten habe ich meine<br />
Freizeit, die ich so brauche.Ich hab eigentlich noch<br />
nie großartig mit meinen Eltern über private Dinge<br />
gesprochen. Es sei denn, wat Schule angeht, det ja.<br />
Ansonsten weiter nischt. Das hab ich noch nie gemacht,<br />
soweit ich mich entsinnen kann. Ich weeß halt nicht,<br />
wie meine Eltern darauf reagieren.“<br />
Christian Liedtke:<br />
„Die Jugendweihe ist bei mir zuhause ausgefallen.<br />
Weil ich drei Tage vorher Scheiße gebaut habe. Ick hab<br />
det Bad, d.h. nicht ich, ein Kumpel von mir, wir haben<br />
an meinem Fahrrad gebaut, der hat sich bei mir die<br />
Hände gewaschen, da war die Wanne dreckig und ich<br />
hab mich geweigert, die Wanne sauberzumachen. Da<br />
hat Mutti gesagt, fällt Jugendweihe aus. Da ist sie<br />
ausgefallen. Was sollt ich dagegen machen? Gar nischt,<br />
ich hab mich auf mein Bett geschmissen und geheult.<br />
Mutti verpaßt mir Stubenarrest. Der Vater nicht. Der<br />
meckert bloß rum. Und sie sagt dann nur, ‘ne Woche<br />
Stubenarrest’, oder zwei oder drei oder vier. Je nachdem,<br />
was ich gerade gemacht hab. Aber daß Jugendweihe<br />
ausfällt, war das Schlimmste. Vater sagt weniger,<br />
er sagt gar nichts, da gibt’s bloß Haue. Dann ist jut.“<br />
Annegret Schindler:<br />
„Ich hab das allet nicht so verbissen gesehen (gemeint<br />
ist Haussuchung wegen Straffälligkeit des Sohnes<br />
- d.V.), weil ich ja weiß, daß die Kollegen von der<br />
Polizei auch bloß ihre Pflicht tun, und wir ben auch<br />
ein ordentliches Elternhaus, ja nicht daß er – also ich<br />
33<br />
Sohn Ralf entwickelt in den Augen der Eltern ein<br />
nicht mehr rollenkonformes Verhalten – sie waren<br />
bisher einen ‚braven‘ Sohn gewohnt – , doch der<br />
Junge hält sich bedeckt, sucht Kommunikation im<br />
Kreis der Freunde. Ralf Rink bestätigt das.<br />
Bei der Familie Liedtke finden wir starke Abweichungen<br />
gegenüber der allgemeinen Rollenerwartung.<br />
Nach mehreren Ausbruchversuchen von Gundula<br />
Liedtke in den Jahren 1990 bis 1993 ist die<br />
Familie heute in Auflösung begriffen.<br />
Sohn Christian weiß durchaus, was seine Eltern<br />
von ihm erwarten: Sein Rollenverständnis wird in<br />
der Anerkennung der Erzieherfunktion der Eltern<br />
deutlich. Daraus wird deutlich, daß Rollen nicht<br />
ausreichend besetzt, nahe Kommunikationen in der<br />
Familie gestört, Beziehungen entleert sind. Ein Beispiel<br />
da<strong>für</strong>, wie Abweichungen von der Rollenerwartung<br />
weitere Folgen nach sich ziehen.<br />
So werden seitens Gundula Liedtke nach strengem<br />
Regelsystem Bestrafungen verhängt.<br />
Der autoritäre Erziehungsstil, die Unangemessenheit<br />
der Bestrafung, überhaupt die Bestrafung –<br />
dies alles läßt sich als Indiz <strong>für</strong> fehlende nahe Kommunikation<br />
interpretieren.<br />
In der Familie Schindler hat sich die Kommunikation<br />
stark verschlechtert. Die Beziehungen zwischen<br />
Eltern und Kindern scheinen entleert, nachdem<br />
die Eltern mit ihren Erziehungsmaßnahmen<br />
offensichtlich gescheitert sind. In dem Familienporträt<br />
gibt es Hinweise, daß ambivalenter Erziehungs-