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Volltext (PDF) - Deutsches Institut für Erwachsenenbildung

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lisch damit um, daß wir wenig Wahlmöglichkeiten<br />

haben? Das ist ein ganz anderes Thema <strong>für</strong> Beziehungen<br />

als: Wie gehen wir damit um, so viele verschiedene<br />

Möglichkeiten zu haben? Ich glaube, wir<br />

müssen hier sehr vorsichtig sein und uns davor hüten,<br />

dies als einen Vorwurf oder Mangel zu begreifen.<br />

Die Menschen hatten vielmehr andere Fähigkeiten<br />

entwickelt, die mehr dem damaligen System<br />

entsprachen. Heute müssen sie andere Fähigkeiten<br />

lernen, die alten wirken einfach nicht mehr, sind<br />

nicht mehr relevant.<br />

Wagner: Ich würde gerne noch weiter differenzieren.<br />

Die alten Fähigkeiten wirken insofern, als<br />

sich eine bestimmte Wahrnehmungsweise erhalten<br />

hat. Denn viele Menschen im Osten Deutschlands<br />

gehen davon aus, es sei alles gleich geblieben: ‘Es<br />

sind irgendwo Machthaber, die bestimmen, was wir<br />

tun sollen’. Aus dieser Wahrnehmung schließen sie:<br />

‘Es hat eigentlich keinen Sinn, daß ich mich als einzelner<br />

um irgend etwas kümmere’. Dies stimmt mit<br />

den Wahrnehmungen zu DDR-Zeiten überein, ist<br />

also erhalten geblieben. Von daher werden tatsächlich<br />

vorhandene Wahlmöglichkeiten nur schwer genutzt.<br />

Viele schließen daraus, die Lage habe sich<br />

nicht so sehr verändert.<br />

Erschwerend kommt hinzu, daß sich auf dem flachen<br />

Land in der ostdeutschen Provinz tatsächlich<br />

nicht viel geändert hat. Dieselben Leute sitzen etwa<br />

in der Verwaltung noch an ähnlichen Stellen, rein<br />

personell haben wenig Veränderungen stattgefunden,<br />

und wie langsam sich Menschen ändern, das<br />

können wir als Psychotherapeuten wirklich sagen,<br />

das wird wahrscheinlich Generationen dauern. Insofern<br />

wird die Wahrnehmung vieler Menschen<br />

durch die Tatsachen noch gestützt.<br />

Frage: Im Unterschied zu Westdeutschland fällt<br />

auf, daß in der DDR sowohl die Entscheidung, daß<br />

eine Frau erwerbstätig ist, als auch, welchen Beruf<br />

sie konkret ausübt, der Frau anheimgestellt blieb.<br />

Die Männer haben sich hierin nicht eingemischt. In<br />

Westdeutschland war bzw. ist dies bis heute anders,<br />

es gibt dort sowohl Paare, in denen der Mann über<br />

die Erwerbstätigkeit der Frau entscheiden will, als<br />

auch solche, in denen die Frau selbst entscheidet. In<br />

der DDR fiel dies in den Entscheidungsbereich der<br />

Frau, dies war relativ selbstverständlich.<br />

Wagner: Weitgehend ja. Die autoritären Beziehungen,<br />

in denen der Mann über die Frau bestim-<br />

47<br />

men wollte, gab es jedoch auch. Die Dominanz war<br />

vielleicht nicht so sehr im Beruflichen oder in der<br />

Berufsentscheidung ausgeprägt.<br />

Allerdings waren die Möglichkeiten zu einer beruflichen<br />

Karriere <strong>für</strong> die Frauen in Westdeutschland<br />

weiter entwickelt als in der DDR. Denn hier<br />

war das Ideal: Mann, Frau, Kind, das familienorienterte<br />

Ideal viel vorherrschender und wurde<br />

auch mehr praktiziert.<br />

Gleichwohl hatte die Arbeit und Arbeitswelt eine<br />

größere Bedeutung, davon berichten viele Familien.<br />

Frauen, die sich von ihrem Mann nicht ausreichend<br />

verstanden fühlten, hatten vielleicht eine Kollegin,<br />

mindestens eine, mit der sie sich sehr gut verstanden<br />

und besprechen konnten. Freundschaften im Kollegenkreis<br />

haben also eine große Rolle gespielt. In den<br />

Arbeitskollektiven wurden viele emotionale Beziehungen<br />

ausgelebt, auch wenn ich das nicht idealisieren<br />

möchte.<br />

7.7 Frauenerwerbstätigkeit = Emanzipation?<br />

Foertsch: Wenn die Frauen alle arbeiten gegangen<br />

sind und arbeiten gehen durften, war dies nicht<br />

gleichbedeutend mit der Frage, wie emanzipiert die<br />

Frauen sein durften. In Westdeutschland wird dies<br />

leicht miteinander gekoppelt, also wenn eine Frau<br />

arbeiten gehen darf, ist sie auch emanzipiert, von<br />

ihrem Mann unabhängig. Die Möglichkeiten, daß<br />

Frauen im Westen Karriere machen können, sind<br />

auch vielfältiger gewesen, daß sie also in Position<br />

und Stellung kommen, wo sie als Frauen vollkommen<br />

unabhängig vom Mann werden können. Auch<br />

wenn dies nicht viele Frauen machen, macht allein<br />

die Möglichkeit, daß es theoretisch so wäre, einen<br />

Unterschied zu einer Situation aus, in der viele Frauen<br />

ganz selbstverständlich arbeiten gehen, aber eben<br />

ohne große Aufstiegschancen.<br />

Wagner: Im Politbüro saßen gerade einmal zwei<br />

Frauen.<br />

Foertsch: In Westdeutschland gab es eine Auseinandersetzung<br />

darüber; Frauen haben im Unterschied<br />

zu den Männern gemerkt: ‘Wir sind unterdrückt,<br />

wir müssen uns aufraffen’. In der DDR war<br />

dies dagegen selbstverständlich. Der Staat sorgte<br />

schon da<strong>für</strong>, daß die Frauen gleichberechtigt sind,<br />

also mußten Frauen sich nicht viel Gedanken darüber<br />

machen; wenn schon der Staat sagt, ‘Ihr seid

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