Volltext (PDF) - Deutsches Institut für Erwachsenenbildung
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Ulf Liedtke:<br />
„Ich weeß bloß soviel, wie die DDR noch existiert<br />
hat, wir als Familie mehr zusammengehalten haben.<br />
Det ist alles – man wußte, man muß <strong>für</strong>einander da<br />
sein, um nicht irgendwo in die Asche zu gehen. „<br />
Tatjana Roloff:<br />
„Aber die Angst, das zu machen, allein Westfernsehen<br />
zu gucken, war immens groß. Das kann man sich<br />
gar nicht vorstellen, das kann ich mir heute nicht mehr<br />
vorstellen. Also als Kind, als zehn-, elf-, zwölfjähriges<br />
etwa, und dann noch bis 14, 15 hin, als meine Eltern<br />
etwa 1600 km weg waren bei meinen Verwandten, da<br />
hab’ ich auch mal umgeschaltet, aber immer die Hand<br />
dran, sie könnten ja jeden Moment kommen, so eine<br />
Angst hatte ich. Und das war dann schon eine andere<br />
Welt, die da rüberkam. Die Schüler, mit denen ich in<br />
eine Schule ging, die guckten alle Westfernsehen, und<br />
die argumentierten in der Schule ganz anders und hatten<br />
ganz andere Auffassungen.“<br />
Hubert Rink:<br />
„Zuhause fällt den Frauen die Decke auf den Kopf.<br />
Nur putzen und Herd, das ist – da war die Entwicklung,<br />
auch die Erziehung nicht da in derDDR, daß aus<br />
den Frauen Hausmädchen gemacht worden sind, also<br />
das – da<strong>für</strong> sind sie nicht erzogen und auch nicht hin-<br />
31<br />
Bei Ulf Liedtke klingt dieses Spannungsfeld ähnlich<br />
durch: Der früher notwendigerweise enge Familienzusammenhalt<br />
geht heute verloren, wenn einzelne<br />
Familienmitglieder sich die Freiheit nehmen, eigene<br />
Wege zu beschreiten.<br />
Von Formen doppelter Kommunikation, die zu<br />
Formeln wie „unter uns gesagt“ führt, berichten die<br />
Geschwister Roloff. Die Kinder bilden gegenüber<br />
den Eltern eine eigene Sphäre der Kommunikation<br />
heraus: Wenn sie diese fern wähnen, wagen sie Westfernsehen<br />
einzuschalten und verstoßen damit gegen<br />
die Normen, die die Eltern ihnen beigebracht haben.<br />
Das allzu strike Moral- und Normengefüge<br />
konnte der Wirklichkeit, in diesem Fall: der Neugier<br />
der Kinder, nicht standhalten und führte zu<br />
Doppelbödigkeit in der Kommunikationsstruktur.<br />
5.3 ‚Nicht-rollenkonformes Verhalten‘ und seine Auswirkungen auf Familienkommunikation<br />
Ein sehr großer Teil des Familienlebens ist an soziale<br />
Positionen gebunden, durch soziale Normen geregelt.<br />
Gradmesser hier<strong>für</strong> ist die Frage, ob das<br />
einzelne Familienmitglied rollenkonformes oder<br />
nichtrollenkonformes Verhalten praktiziert; letzteres<br />
führt häufig zu Störungen der Kommunikation.<br />
Rollenkonformes Verhalten entspricht immer der<br />
historisch entwickelten Rollenerwartung, abweichendes<br />
erfüllt jene kaum oder gar nicht.<br />
In den akustischen Materialien ist abweichendes<br />
Verhalten signifikant. Erkennbar sind Brüche unterschiedlicher<br />
Intensität. Da jeder Mensch Rollen erlebt<br />
und übernimmt, beeinflußt dies direkt die Familienkommunikation.<br />
Schwierig wird die Aufgabe<br />
immer dann, wenn – wie in der gegenwärtigen Situation<br />
– die Familienmitglieder gleichzeitig unterschiedlichen<br />
Rollenerwartungen unterliegen.<br />
In der DDR waren bekanntlich beide Elternteile<br />
berufstätig, so daß häufig in Absprache oder nach<br />
Neigung die Rollen besetzt wurden. Heute scheint<br />
das Nur-Hausfrauen-Dasein und damit solches Rollenverständnis<br />
eine Renaissance zu erleben.<br />
Unabhängig davon gab und gibt es natürlich die<br />
Rollenerwartungen Eltern-Kinder, Kinder-Eltern,<br />
Kinder-Kinder, die sich nach unserer Vermutung<br />
nur wenig von denen in Westdeutschland unterscheiden.<br />
Wir vermuten: wenn überhaupt, dann lediglich<br />
modifiziert.<br />
Hier Beispiele aus der Familie Rink (Themenschwerpunkte<br />
„Kindererziehung und Kommunikation“<br />
sowie „Hausarbeit und Doppelbelastung“).<br />
Sie hatte nach ihren Aussagen einePartnerschaftsbeziehung<br />
entwickelt, die durch beiderseitige berufliche<br />
Tätigkeit bestimmt war. Durch die sehr starke