Volltext (PDF) - Deutsches Institut für Erwachsenenbildung
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cherung nicht weglaufen. Die Wende ist passiert, die<br />
Menschen sind mit vielen neuen Lebensumständen<br />
konfrontiert. Wenn die Eltern also lernen, mit Verunsicherung<br />
umzugehen, können sie dies als ganz<br />
sicheres Muster an ihre Kinder weitergeben. Ohne<br />
zu sagen, so und so ist es richtig, denn die Verunsicherung<br />
ist damit nicht weggewischt.<br />
Wagner: In der Pubertät ist die Sicherheit der<br />
Eltern sehr stark angefragt, weil die Jugendlichen<br />
dabei sind, die wunden Punkte herauszufinden.<br />
Wenn ich dann meine Rolle als Vater oder Mutter<br />
nicht ausfüllen kann, hat dies Konsequenzen <strong>für</strong> die<br />
Kinder, die mich prüfen. Sie sind mit einem höheren<br />
Maß an Unsicherheit konfrontiert, was <strong>für</strong> die<br />
Bewältigung ihrer Entwicklungsaufgaben ungünstig<br />
ist.<br />
7.12 Konfrontation mit der Unsicherheit<br />
Frage: Heißt das, daß die Kinder die Unsicherheit<br />
der Eltern bewußt entgegennehmen und akzeptieren<br />
sollen? Wie sollen sie begreifen, was da vor<br />
sich geht?<br />
Foertsch: Ich meine das nicht im Sinne von akzeptieren,<br />
sondern dies ist die Lebensrealität der Eltern,<br />
vor der niemand weglaufen kann. Sie stellt sich<br />
jeden Tag wieder neu her.<br />
Frage: Aber die Kinder tun es ja zum Teil, sie laufen<br />
ja weg, sie gehen in ihre Cliquen zu ihresgleichen.<br />
Foertsch: Genau, sie laufen in ihre Cliquen, um<br />
dieses Maß an Sicherheit wieder zu bekommen.<br />
Aber das könnte eine Vermeidungs- und Fluchttendenz<br />
sein. Den Eltern bleibt nichts anderes übrig,<br />
als sich mit dieser Verunsicherung auseinanderzusetzen.<br />
Vermeidung hat auf Dauer keine gute Auswirkungen.<br />
Es geht nicht darum, verunsicherte Eltern einfach<br />
hinzunehmen. Aber immerhin kann dies ein<br />
wichtiges Modell <strong>für</strong> die Kinder sein, wenn die Eltern<br />
lernen, sich damit auseinanderzusetzen, indem<br />
sie nicht mehr vermeiden, sondern auf die Angst<br />
und Verunsicherung zugehen, hingucken und nicht<br />
weggucken. Die alten Verhaltensmuster führen in<br />
der neuen Welt nicht weiter, und auch den Kindern<br />
bringen sie damit diese neue Verhaltensmuster nahe.<br />
Frage: Nehmen wir das Beispiel eines Vaters, der<br />
arbeitslos wurde, wobei die Kündigung nicht nur<br />
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von den Eltern, sondern auch von den Kindern als<br />
ungerecht empfunden wird. Die Nicht-Übernahme<br />
durch den westlichen Arbeitgeber wird also auch<br />
von den Kindern als Verletzung empfunden. Was<br />
soll in diesem Fall heißen, ich solle der unsicheren<br />
Situation offenen Auges entgegenschauen?<br />
Foertsch: Zunächst einmal ist die Bedeutung<br />
wichtig, die der Vater der Tatsache gibt, arbeitslos<br />
geworden zu sein. Zum Beispiel, wenn er denen, die<br />
ihn nicht übernehmen wollten, die Schuld da<strong>für</strong><br />
gibt. Das ist als Interpretation in Ordnung, aber<br />
wenn der Vater dabei bleibt, wird er nicht in die<br />
Lage kommen zu überlegen, wie er aus seiner Situation<br />
heraus eine neue Arbeit bekommen kann.<br />
Wenn er dabei bleibt, die Ungerechtigkeit zu<br />
beschwören, wird er seine Lage nicht ändern können.<br />
Die Verunsicherung ist in Ordnung, ist sogar<br />
notwendig; problematisch jedoch beginnt es zu werden,<br />
wenn das Gefühl bleibt, davon abhängig zu<br />
sein. Dann kann auch das Kind keine Lebensstrategie<br />
entwickeln und auch keine Methode, diese<br />
Schwierigkeit innerlich zu bewältigen.<br />
Frage: Wir hören ja des öfteren Äußerungen, der<br />
westliche Kolonisator sei an der Arbeitslosigkeit<br />
schuld. D.h. es findet eine Verlagerung auf den Außenfeind<br />
statt, die die Familien sogar stabilisieren<br />
kann. In diesem Fall übernehmen die Kinder diese<br />
Erklärungsmuster.<br />
Wagner: Sicher stößt man auf solche Äußerungen,<br />
ich möchte sie aber nicht allzu hoch bewerten.<br />
Schuldzuweisungen mögen zwar so eindimensional<br />
geäußert werden, aber tief im Innern werden selbst<br />
Menschen, die ‘schuldlos’ arbeitslos geworden sind,<br />
das Gefühl nicht los, irgendwie dazu beigetragen zu<br />
haben. Auch der Jugendliche wird in diesem inneren<br />
Zwiespalt leben. Auf der einen Seite wird er vielleicht<br />
auf diese Kolonisatoren schimpfen, aber zum<br />
anderen wird er – das wäre nur altersgerecht – seinen<br />
Vater <strong>für</strong> eine Flasche, <strong>für</strong> einen Versager halten.<br />
Das macht die Familiensituation dann heikel.<br />
Die Pubertät beinhaltet immer eine Konfrontation<br />
mit der Unsicherheit, selbst unter sichersten Verhältnissen.<br />
Das ist entwicklungspsychologisch notwendig.<br />
Schwierig wird es dann, wenn wir Verhältnisse<br />
haben wie jetzt, in denen eine Externalisierung<br />
der Ursachen vielen möglich erscheint; dies birgt die<br />
Gefahr, sich mit den eigenen Unsicherheiten nicht<br />
auseinanderzusetzen, also die Entwicklung auch