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von Landrat Gerd W iesmann, (Kreis Borken) - Landkreistag NRW

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Themen<br />

Kommunen als Träger der Jugendhilfe entsprechend<br />

ihrem Förderanteil einhergehen.<br />

Zur Verwirklichung dieses Ziels ist eine entsprechende<br />

Nachqualifizierung des Erziehungspersonals<br />

im Kindergarten erforderlich,<br />

die vermutlich mittelfristig auch entsprechende<br />

Vergütungssteigerungen zur Folge<br />

haben wird. Schließlich wird der Ausbau des<br />

Kindergartens zur „Vorschule” fast zwingend<br />

eine gesellschaftspolitische Diskussion<br />

über die Frage auslösen, ob es unter dem<br />

Gesichtspunkt der Chancengleichheit noch<br />

vertretbar ist, <strong>von</strong> den Eltern einen Beitrag<br />

für den Besuch des Kindergartens zu verlangen.<br />

Denn wenn die Prämisse für den Ausbau<br />

des Kindergartens zur „Vorschule” richtig<br />

ist, dass die Kindergartenjahre für die Förderung<br />

<strong>von</strong> Begabungen und Fähigkeiten<br />

<strong>von</strong> Kindern außerordentlich wichtig sind,<br />

lässt es sich kaum mehr begründen, dass z.B.<br />

für den Bereich der Sekundarstufe II, in dem<br />

diese Prägephase nicht mehr in dem<br />

Umfang besteht, kein Schulgeld, für den<br />

Kindergarten aber ein Beitrag genommen<br />

wird. Das Saarland und Rheinland-Pfalz<br />

haben z.B. deshalb im letzten Jahr die Beitragspflicht<br />

für das letzte Kindergartenjahr<br />

abgeschafft; in beiden Ländern ist statt des<br />

Jugend- seit einem Jahr das Schulministerium<br />

für den Kindergartenbereich zuständig.<br />

Letzteres ist grundsätzlich sinnvoll. Zuständigkeitskonflikten<br />

und Reibungsverlusten<br />

zwischen Jugend- und Schulministerium<br />

würde damit der Boden entzogen. Falls es in<br />

Nordrhein-Westfalen zu einer entsprechenden<br />

Entwicklung kommt, wären Einnahmeausfälle<br />

auch für die Kommunen zu befürchten.<br />

Zusammenfassend ist daher festzuhalten,<br />

dass die Verwirklichung der o.g. Zielsetzungen<br />

trotz der Entlastungseffekte im Kindergartenbereich<br />

und durch die demographische<br />

Entwicklung auch langfristig für die<br />

kommunalen Haushalte mit hoher Wahrscheinlichkeit<br />

nicht kostenneutral zu realisieren<br />

ist. In der Übergangszeit ist außerdem<br />

mit zusätzlichen Kosten zu rechnen, weil der<br />

Kapazitätsabbau im Kindergartenbereich<br />

und die damit verbundenen Entlastungen<br />

nicht so zeitnah realisiert werden können,<br />

dass er gleichzeitig mit den Mehrbelastungen<br />

für den Ausbau der Ganztagsbeschulung<br />

und die frühere Beschulung durch die<br />

Absenkung des Einschulungsalters eintritt.<br />

Nicht in diese Bilanz eingestellt sind dagegen<br />

gesamtgesellschaftliche positive Effekte, die<br />

sich auch positiv für die Kommunalhaushalte<br />

auswirken können (bessere Bildung der<br />

Schüler mit entsprechenden Auswirkungen<br />

für die Infrastruktur, geringere Inanspruchnahme<br />

der Kommunen für die Folgen der<br />

auch durch schlechte Schulbildung verursachten<br />

Arbeitslosigkeit etc.). Deshalb muss<br />

verlangt werden, dass sich die Umsetzung<br />

dieses Konzeptes nicht nur am pädagogisch<br />

100<br />

Wünschbaren, sondern auch am finanziell<br />

Machbaren orientiert, auch wenn dies<br />

Abstriche bei der Realisierung bedeutet. Für<br />

die Übergangsphase kann dies bedeuten,<br />

dass die Umsetzung der Maßnahmen zeitlich<br />

gestreckt werden muss, um die damit<br />

verbundenen Umstrukturierungsprozesse<br />

und Finanzierungsprobleme besser<br />

beherrschbar zu machen (Vorverlegung des<br />

Einschulungsalters in mehreren Schritten<br />

verteilt auf mehrere Jahre – z.B. Vorverlegung<br />

des Einschulungsalters um 2 bis 3<br />

Monate pro Jahr). Schließlich muss mit Entschiedenheit<br />

evtl. Bestrebungen des Landes<br />

entgegengetreten werden, die im Kindergartenbereich<br />

ggf. zu erzielenden Einsparungen<br />

bei den Kommunen für den Landeshaushalt<br />

zu vereinnahmen. Abgesehen da<strong>von</strong>, dass<br />

den kommunalen Entlastungen entsprechende<br />

Einsparungen beim Land bei der Kindergartenförderung<br />

gegenüberstehen, werden<br />

die bei den kommunalen Trägern der<br />

Jugendhilfe freiwerdenden Mittel dringend<br />

benötigt, um die zusätzlichen Finanzlasten<br />

durch den Ausbau der Ganztagsschulen etc.<br />

zu schultern.<br />

Das sich gegenwärtig abzeichnende Konzept<br />

der Regierungsfraktionen läuft darauf<br />

hinaus, die jetzt durch PISA sichtbar gewordenen<br />

Defizite u.a. durch einen Ausbau<br />

der Vorschulerziehung, eine Vorverlegung<br />

des Einschulungsalters und einen Ausbau der<br />

Ganztagsbeschulung in den Griff zu bekommen.<br />

Es ist sinnvoll, alternative Konzepte zur<br />

Lösung der Probleme zu prüfen. In diesem<br />

Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass<br />

in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts<br />

eine ähnliche Diskussion stattgefunden<br />

hatte. Die Defizite des Schulsystems, die<br />

heute durch PISA erneut in das Bewusstsein<br />

gerückt worden sind, wurden schon vor 30<br />

Jahren festgestellt. Auch damals wurden dieselben<br />

Antworten wie heute vorgeschlagen<br />

(frühere Beschulung der Kinder durch Ausbau<br />

des Kindergartens als Bildungseinrichtung<br />

und Ausbau der Ganztagsbeschulung.).<br />

Schon damals standen der Realisierung<br />

dieser Vorschläge u.a. finanzielle Engpässe<br />

der öffentlichen Haushalte entgegen<br />

(Stichwort: erste Ölkrise 1974 etc.). Als<br />

Kompromiss hat dann 1975 der Bildungsrat<br />

vorgeschlagen, das Einschulungsalter um ein<br />

Jahr vorzuverlegen und trotzdem weiterhin<br />

13 Schuljahre bis zum Abitur vorzusehen.<br />

Mit diesem Vorschlag wollte der Bildungsrat<br />

u.a. die Finanzierungsprobleme abmildern.<br />

Denn durch den Vorschlag würde die öffentliche<br />

Förderung für ein „Kindergartenjahr”<br />

frei. Gleichzeitig würde er dem Ziel gerecht,<br />

die Kinder ein Jahr eher zu beschulen, um die<br />

besondere „Prägephase” dieses Lebensalters<br />

für die Förderung <strong>von</strong> Begabungen besser<br />

zu nutzen. Hinzu kam, dass die Jugendlichen<br />

ein Jahr eher als bisher ihr Abitur<br />

machen und/oder in das Berufsleben eintre-<br />

ten würden. Die Problematik, der u.a. mit<br />

der Forderung nach einem Abitur nach 12<br />

Jahren Schulzeit Rechnung getragen werden<br />

soll, wäre damit zu einem erheblichen Teil<br />

entschärft. Schließlich würden die Abstimmungsprobleme<br />

zwischen den pädagogischen<br />

Inhalten einer im Kindergartenbereich<br />

angesiedelten Vorschule und der normalen<br />

Schule erheblich reduziert, da die Schule für<br />

das letzte Kindergartenjahr zuständig ist.<br />

Auch aus kommunaler Sicht hätte ein solcher<br />

Vorschlag den Vorteil, dass zumindest für<br />

das letzte „Kindergartenjahr” die Frage<br />

zugunsten der Kommunen eindeutig geklärt<br />

wäre, wer für die Beschulung der Kinder diesen<br />

Lebensalters finanziell aufkommen<br />

muss. Zudem würde die schwierige Diskussion<br />

vermieden werden können, ob der<br />

Besuch des Kindergartens im letzten Jahr vor<br />

der Einschulung beitragsfrei sein muss. Pädagogisch<br />

setzt dieser Vorschlag selbstverständlich<br />

voraus, dass die in der Schule zu<br />

vermittelnden Inhalte darauf abgestimmt<br />

werden, dass die Kinder schon ein Jahr früher<br />

in die Schule gehen. Da eine pädagogische<br />

Neubestimmung der Bildungsinhalte in<br />

der Schule nach PISA ohnehin geboten ist,<br />

wäre damit aber kein nennenswerter zusätzlicher<br />

Aufwand verbunden. Die Übergangsprobleme,<br />

die mit der Vorverlegung des Einschulungsalters<br />

verbunden sind, würden sich<br />

allerdings schwieriger gestalten. Denn die im<br />

Kindergartenbereich abzubauenden Überkapazitäten<br />

würden größer und die Anzahl der<br />

Schüler, die übergangsweise zusätzlich zu<br />

beschulen wäre, würde stärker wachsen.<br />

Trotzdem stellt sich die Frage, ob diese Übergangsprobleme<br />

in Kauf genommen werden<br />

sollten, um die Voraussetzungen für ein<br />

langfristig tragfähigeres Konzept zu schaffen.<br />

Ob und inwieweit man solche Alternativen<br />

in die Diskussion einführt, muss mit<br />

den anderen beiden kommunalen Spitzenverbänden<br />

und in den Fachausschüssen<br />

der Verbände erörtert werden. Es macht<br />

jedenfalls keinen Sinn, dass der LKT NW<br />

ein derartiges Konzept allein einfordert.<br />

Gerade angesichts der Gefahr, dass das<br />

Land die anstehende Umstrukturierung<br />

auch zu einer Verlagerung <strong>von</strong> Kosten auf<br />

die kommunalen Gebietskörperschaften<br />

nutzen könnte, macht ein möglichst<br />

geschlossenes Vorgehen der kommunalen<br />

Spitzenverbände notwendig. Deshalb ist<br />

es wünschenswert, solche Alternativvorschläge<br />

zunächst mit den anderen beiden<br />

kommunalen Spitzenverbänden und in<br />

den Fachausschüssen der kommunalen<br />

Spitzenverbände zu erörtern, um konsensual<br />

zu entscheiden, ob sie in die Diskussion<br />

eingeführt werden sollen.<br />

EILDIENST LKT NW Nr. 3/März 2002<br />

– 40 10-33 –

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