von Landrat Gerd W iesmann, (Kreis Borken) - Landkreistag NRW
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Themen<br />
Stadthaushalt nur sehr indirekt, scheinbar<br />
ohne konkrete greifbare Auswirkung,<br />
betroffen ist. Denn die Landschaftsumlage<br />
mit ihrer Ausgleichswirkung nivelliert die<br />
Unterschiede unter den <strong>Kreis</strong>en und kreisfreien<br />
Städten, während besonderes Engagement<br />
der Kommunen im ambulanten<br />
Bereich sich direkt als Ausgabeposten im<br />
Haushalt niederschlägt.<br />
Bei genauerem Hinsehen muss allerdings<br />
auch dem im BSHG verankerten Wirtschaftlichkeitsprinzip<br />
der Sozialhilfe Rechnung<br />
getragen werden. Der in § 3 a BSHG<br />
festgelegte Grundsatz „ambulant vor stationär“<br />
erfährt eine gewichtige Ausnahme,<br />
nämlich, wenn eine geeignete Hilfe zumutbar<br />
und eine ambulante Hilfe mit unverhältnismäßigen<br />
Mehrkosten verbunden ist.<br />
Diese Formulierung ist wiederum auslegungsfähig<br />
und -bedürftig; die Prüfung<br />
dieser Zumutbarkeit soll unter Würdigung<br />
der persönlichen, familiären und örtlichen<br />
Umstände erfolgen.<br />
Es liegt auf der Hand, dass es vom Umfang<br />
und der – insbesondere zeitlichen – Intensität<br />
der angebotenen ambulanten Hilfen<br />
abhängt, ob und in welchen Konstellationen<br />
diese im Ergebnis tatsächlich kostengünstiger<br />
als eine stationäre Betreuungsform<br />
ausfallen. Der wesentliche Kostenfaktor<br />
ist die Betreuungsrelation und die für<br />
den Einzelnen <strong>von</strong> der Betreuungsperson<br />
zur Verfügung gestellte Zeit. Deshalb können<br />
reine Durchschnittswerte für den<br />
jeweiligen Menschen selbst oder auch für<br />
die betreffende Personengruppe mit gleichgelagerten<br />
Behinderungen keine Basis für<br />
einen realistischen Kostenvergleich darstellen.<br />
Vielmehr bedarf es insofern einer<br />
detaillierten Analyse im Einzelfall sowie –<br />
um Kumulationseffekte ermitteln zu können<br />
- bezogen auf die jeweilige Personengruppe<br />
mit vergleichbarem Hilfebedarf.<br />
III. Werkstattgespräch beim<br />
MASQT im April 2001<br />
Am 13.04.2000, also kurz vor Ablauf der<br />
letzten Legislaturperiode des Landtages<br />
Nordrhein-Westfalen, fasste der Landtag<br />
auf die Initiative der Mehrheitsfraktionen<br />
<strong>von</strong> SPD und Bündnis 90/Die Grünen einen<br />
Entschließungsantrag, in dem festgestellt<br />
wurde, dass in weiten Teilen des Landes<br />
noch Angebotslücken bei ambulant betreuten<br />
Wohnformen für Menschen mit Behinderungen<br />
bestünden (Landtagsdrucksache<br />
12/4889). Es müssten Regelungen gefunden<br />
werden, die den Ausbau und die<br />
Weiterentwicklung des Angebotes an<br />
selbstbestimmten und betreuten Wohnformen<br />
konsequent förderten. Die Landesregierung<br />
wurde um Prüfung gebeten, ob<br />
unterschiedliche Zuständigkeiten für stationäre<br />
und ambulante Angebote sachgerecht<br />
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seien und ob insbesondere beim Betreuten<br />
Wohnen die Zuständigkeit des überörtlichen<br />
Trägers der Sozialhilfe geboten<br />
erscheine und unter welchen Bedingungen<br />
der Ausbau und die Weiterentwicklung<br />
des Angebotes an selbstbestimmten und<br />
betreuten Wohnformen möglich sei.<br />
Das Ministerium für Arbeit, Soziales, Qualifikation<br />
und Technologie (MASQT) lud<br />
unter Bezugnahme auf den Entschließungsantrag<br />
der Landtagsfraktionen <strong>von</strong><br />
SPD und Bündnis 90/Die Grünen für den<br />
05.04.2001 zu einem sog. Werkstattgespräch<br />
im Hinblick auf die künftigen<br />
Zuständigkeiten bei der Eingliederungshilfe<br />
für Behinderte, insbesondere beim ambulant<br />
betreuten Wohnen ein. An dieser<br />
ganztägigen Veranstaltung nahmen neben<br />
den unmittelbar Beteiligten, den Vertretern<br />
der kommunalen Spitzenverbände und der<br />
Landschaftsverbände sowie des MASQT<br />
auch Vertreter der Arbeitsgemeinschaft der<br />
Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege<br />
und vom MASQT ausgewählte Personen<br />
mit praktischen Erfahrungen aus<br />
den Bereichen Kostenträger, Einrichtungsträger<br />
und Betroffeneninitiativen teil.<br />
In dem Werkstattgespräch wurde der örtliche<br />
Bezug ambulanter Angebote und Hilfen<br />
zu den Verwaltungsstrukturen auf der<br />
Ebene der <strong>Kreis</strong>e und kreisfreien Städte <strong>von</strong><br />
allen Beteiligten unterstrichen. Insbesondere<br />
wurde herausgestellt, dass auch im<br />
Fall einer Verlagerung der Zuständigkeit für<br />
ambulant betreute Wohnformen auf die<br />
Ebene der überörtlichen Träger der Sozialhilfe<br />
wesentliche Arbeiten in der Umsetzung<br />
ambulant betreuter Wohnformen<br />
gleichwohl <strong>von</strong> den Verwaltungen der<br />
kreisfreien Städten und <strong>Kreis</strong>e geleistet<br />
werden müssten. Auch die Vertreter der<br />
Landschaftsverbände sahen kurzfristig<br />
keine Möglichkeit, landesweit eine<br />
gemeindenahe umfassende Lösung des<br />
Ausbaus betreuter Wohnformen allein aufgrund<br />
eines etwaigen Zuständigkeitswechsels<br />
zu gewährleisten. Vielmehr gingen sie<br />
<strong>von</strong> einem Zeitrahmen <strong>von</strong> acht bis zehn<br />
Jahren aus, um in allen Regionen vergleichbare<br />
Strukturen zu schaffen.<br />
Die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände<br />
wiesen vor allem darauf hin, dass<br />
den <strong>Kreis</strong>en und kreisfreien Städten insbesondere<br />
Daten und Fakten zu den möglichen<br />
betroffenen Personen bei der stationären<br />
Eingliederungshilfe fehlten, die ggf.<br />
in ambulant betreute Wohnformen übergeleitet<br />
werden könnten. Klagen über<br />
mangelnde Transparenz seitens der Landschaftsverbände<br />
seien immer wieder <strong>von</strong><br />
kommunalen Praktikern erhoben worden.<br />
Im Hinblick auf rasch umsetzbare pragmatische<br />
Lösungen betonten die Vertreter der<br />
kommunalen Spitzenverbände, dass es sich<br />
bei dem Ausbau ambulant betreuter<br />
Wohnformen vor allem um eine Finanzfrage<br />
handele. Ein schnell umsetzbarer pragmatischer<br />
Lösungsansatz bestehe vor allem<br />
in einer hälftigen Kostenträgerschaft zwischen<br />
örtlichem und überörtlichem Sozialhilfeträger<br />
bei ambulant betreuten Wohnformen,<br />
wie er auch z.B. auch mit Erfolg in<br />
Rheinland-Pfalz praktiziert werde. Eine<br />
mögliche Verlagerung der Zuständigkeit<br />
auf die Ebene der überörtlichen Sozialhilfeträger<br />
für eine bestimmte Frist berge die<br />
Gefahr, nach fünf oder acht Jahren festzustellen,<br />
dass das ursprünglich angestrebte<br />
Ziel in einzelnen Regionen des Landes doch<br />
nicht habe verwirklicht werden können. Die<br />
noch in einzelnen Kommunen bestehenden<br />
Defizite könnten bei Auslaufen des jeweiligen<br />
Übertragungszeitraums immer wieder<br />
neu vorgetragen werden, ohne dass eine<br />
abstrakte Zielerreichung fixierbar sei. Die<br />
Vertreter der kommunalen Spitzenverbände<br />
betonten, eine befristete Hochzonung<br />
der Zuständigkeiten berge die Gefahr, dass<br />
dies keine zeitweilige, sondern eine immer<br />
wieder mit fachlichen Erwägungen<br />
begründbare Dauerregelung schaffe. Verwiesen<br />
wurde auch auf die bei einer etwaigen<br />
Heraufzonung entstehenden neuen<br />
Schnittstellen im ambulanten Bereich, für<br />
die es nach wie vor eine Zuständigkeit bei<br />
den örtlichen Sozialhilfeträgern gebe. Insofern<br />
entstünden hier neue Probleme.<br />
Von den Vertretern der kommunalen Spitzenverbände<br />
wurde überdies der Weg freiwilliger<br />
Selbstverpflichtungen aller <strong>Kreis</strong>e<br />
und kreisfreien Städte vorgeschlagen, die<br />
den einvernehmlich zwischen örtlichem<br />
und überörtlichem Sozialhilfeträger vereinbarten<br />
Ausbau ambulant betreuter Wohnformen<br />
bei gleichzeitiger schrittweiser<br />
Reduzierung der <strong>von</strong> den Landschaftsverbänden<br />
vorgehaltenen stationären Plätze<br />
umfassen solle. Dies setze in jedem Fall<br />
voraus, dass die Behauptung der Landschaftsverbände<br />
nachweislich zutreffe, in<br />
90% aller Fälle sei die ambulante Wohnform<br />
um die Hälfte kostengünstiger als die<br />
stationäre Versorgung der Betroffenen.<br />
Weiterhin hoben die Vertreter der kommunalen<br />
Spitzenverbände das Prinzip der<br />
Zusammenführung <strong>von</strong> Aufgaben- und<br />
Finanzverantwortung und die Grundsätze<br />
der in den letzten Jahren in Nordrhein-Westfalen<br />
damit zusammenhängenden Initiativen<br />
bei der Verwaltungsmodernisierung und<br />
Verwaltungsstrukturreform hervor, die <strong>von</strong><br />
Ministerpräsident Wolfgang Clement und<br />
der gesamten Landesregierung stets zur<br />
Leitlinie ihres Handelns erhoben worden sei.<br />
Grundsätzlich solle danach die Ebene die<br />
Aufgaben wahrnehmen, die möglichst ortsund<br />
bürgernah handele und diese effektiv<br />
und effizient erledigen könne. Im Bereich der<br />
ambulant betreuten Wohnformen bedürfe<br />
es jedenfalls der örtlichen Steuerung und Hil-