von Landrat Gerd W iesmann, (Kreis Borken) - Landkreistag NRW
von Landrat Gerd W iesmann, (Kreis Borken) - Landkreistag NRW
von Landrat Gerd W iesmann, (Kreis Borken) - Landkreistag NRW
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Bürgerbegehren zur Änderung eines<br />
Abfallwirtschaftkonzeptes unzulässig<br />
Mit Urteil vom 05. Februar 2002 (Az.: 15 A<br />
1965/99) hat das OVG <strong>NRW</strong> ein Bürgerbegehren,<br />
das sich auf eine Änderung des<br />
Abfallwirtschaftskonzeptes eines <strong>Kreis</strong>es<br />
durch Ersetzung einer thermischen Abfallbehandlung<br />
durch eine biologisch-mechanische<br />
Abfallbehandlung richtete, für<br />
unzulässig erklärt. Das Urteil ist nachstehend<br />
in Auszügen wiedergegeben:<br />
Leitsätze:<br />
1. Zur Zulässigkeit einer Klage auf Feststellung<br />
der Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens<br />
durch den <strong>Kreis</strong>tag.<br />
2. Ein Bürgerbegehren, das sich auf eine<br />
Änderung des Abfallwirtschaftskonzeptes<br />
eines <strong>Kreis</strong>es durch Ersetzung einer<br />
thermischen Abfallbehandlung durch<br />
eine biologisch-mechanische Abfallbehandlung<br />
richtet, ist nach § 23 Abs. 5<br />
Nr. 5 KrO <strong>NRW</strong> unzulässig.<br />
3. Ein derartiges Bürgerbegehren ist<br />
zudem nach § 23 Abs. 5 Nr. 8 KrO<br />
<strong>NRW</strong> unzulässig, wenn es im Zeitpunkt<br />
der gerichtlichen Entscheidung den<br />
Festsetzungen eines für verbindlich<br />
erklärten Abfallwirtschaftsplans widerspricht.<br />
Aus den Gründen:<br />
A.<br />
Der beklagte <strong>Kreis</strong> beschloss in seiner Sitzung<br />
vom 09. Dezember 1993 eine Satzung<br />
über das Abfallwirtschaftskonzept.<br />
Zu den Zielsetzungen des Abfallwirtschaftskonzeptes<br />
gehörte unter anderem<br />
die thermische Behandlung der aus technischen<br />
oder aus Vermarktungsgründen<br />
stofflich nicht wiederverwertbaren brennbaren<br />
Abfälle unter Nutzung der entstehenden<br />
Energie und Wärme.<br />
In diesem Zusammenhang wurden die<br />
Rückgewinnung magnetischer Stoffe aus<br />
der entstehenden Verbrennungsschlacke<br />
sowie die thermische Behandlung geeigneter<br />
Baumischabfälle, Klärschlämme und<br />
sonstiger brennbarer Restabfälle in der Satzung<br />
angesprochen. Zur Verwirklichung<br />
der Zielsetzungen des Abfallwirtschaftskonzeptes<br />
sah die Satzung eine angepasste<br />
anlagentechnische Infrastruktur, unter<br />
anderem eine Anlage zur Restmüllverbrennung<br />
(MVA) mit einer Kapazität <strong>von</strong><br />
234.000 t/a, spätestens bis zum 1. Januar<br />
1997 am Standort des Abfallentsorgungszentrums<br />
vor. Die Satzung wurde am 14.<br />
Dezember 1993 öffentlich bekannt<br />
gemacht.<br />
Im Jahre 1995 strengten die Kläger ein Bürgerbegehren<br />
mit der folgenden Fragestellung<br />
an:<br />
„Soll die in der Satzung über das Abfallwirtschaftskonzept<br />
des <strong>Kreis</strong>es W. vom 14.<br />
Dezember 1993 vorgeschriebene thermische<br />
Abfallbehandlung gestrichen und zu<br />
Gunsten einer biologisch-mechanischen<br />
(BMA) geändert werden?“<br />
Zur Begründung wurde ausgeführt, infolge<br />
vergrößerter Anstrengungen zur Müllvermeidung<br />
und -verwertung seien erheblich<br />
geringere Müllmengen angefallen, als bislang<br />
prognostiziert. Eine BMA passe sich<br />
rückläufigen Müllmengen besser an.<br />
Zudem sei der Bau einer MVA doppelt so<br />
teuer wie zunächst angenommen und ihr<br />
Betrieb zwei- bis dreimal teurer als der<br />
einer BMA. Er führe zu einer Vervielfachung<br />
der Müllgebühren und zu einem<br />
Anstieg der Schadstoffemissionen. Das<br />
Bürgerbegehren enthielt folgenden Kostendeckungsvorschlag:<br />
„Eine BMA ist wesentlich preiswerter als<br />
die bereits im Bau befindliche MVA. Mit<br />
den noch ausstehenden Investitionen für<br />
den Bau der MVA lässt sich der Bau einer<br />
kompletten BMA finanzieren. Ein bedeutender<br />
Einspareffekt ergibt sich durch<br />
die weitaus geringeren Betriebskosten,<br />
besonders bei den sich abzeichnenden sinkenden<br />
Müllmengen.“<br />
In seiner Sitzung vom 27. Juni 1996 stellte<br />
der Beklagte durch Beschluss fest, dass das<br />
Bürgerbegehren vom 20. März 1996 unzulässig<br />
sei. Den hiergegen erhobenen<br />
Widerspruch der Kläger wies der <strong>Landrat</strong><br />
des <strong>Kreis</strong>es nach entsprechendem <strong>Kreis</strong>tagsbeschluss<br />
mit Widerspruchsbescheid<br />
vom 8. Oktober 1996 als unbegründet<br />
zurück. Die hiergegen gerichtete Klage hat<br />
das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 26.<br />
Februar 1999 abgewiesen und das Bürgerbegehren<br />
für unzulässig erklärt. Hiergegen<br />
wenden sich die Kläger mit der Berufung<br />
zum OVG.<br />
…<br />
B.<br />
Die Berufung ist nicht begründet …<br />
Dem Bürgerbegehren steht die Vorschrift<br />
des § 23 Abs. 5 Nr. 5 KrO <strong>NRW</strong> entgegen.<br />
Hiernach sind Bürgerbegehren über Angelegenheiten<br />
unzulässig, die im Rahmen<br />
eines Planfeststellungsverfahrens oder<br />
eines förmlichen Verwaltungsverfahrens<br />
mit Öffentlichkeitsbeteiligung oder eines<br />
abfallrechtlichen, immissionsschutzrechtlichen,<br />
wasserrechtlichen oder vergleichbaren<br />
Zulassungsverfahrens zu entscheiden<br />
Themen<br />
sind. Die Entscheidung über die Ersetzung<br />
der thermischen zu Gunsten einer biologisch-mechanischen<br />
Abfallbehandlung im<br />
Abfallwirtschaftskonzept des <strong>Kreis</strong>es<br />
betrifft eine solche Angelegenheit. Der<br />
Senat folgt insoweit der Begründung der<br />
angegriffenen erstinstanzlichen Entscheidung<br />
und nimmt ergänzend hierauf Bezug.<br />
Das Verwaltungsgericht geht zutreffend<br />
da<strong>von</strong> aus, dass die Errichtung und der<br />
Betrieb ortsfester Abfallbeseitigungsanlagen<br />
zur Lagerung oder Behandlung <strong>von</strong><br />
Abfällen zur Beseitigung sowie die wesentliche<br />
Änderung solcher Anlagen dem<br />
Genehmigungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz<br />
– BlmSchG –<br />
unterliegen. Dies folgt nach der Änderung<br />
des Abfallgesetzes durch das Investitionserleichterungs-<br />
und Wohnbaulandgesetz<br />
vom 22. April 1993 (BGBl. 1 S. 466) nunmehr<br />
aus § 31 Abs. 1 des <strong>Kreis</strong>laufwirtschafts-<br />
und Abfallgesetzes vom 27. September<br />
1994 (BGBl. III/FNA 2129-27-2) –<br />
KrW-/AbfG –, das am 6. Oktober 1996 in<br />
Kraft getreten ist. 1<br />
Auf der Grundlage der zuvor geltenden<br />
Gesetzeslage ergibt sich nichts Abweichendes.<br />
Denn nach § 7 Abs. 1 des Abfallgesetzes<br />
vom 27. August 1986 (BGBl. 1 S. 1410,<br />
1412) unterlagen Errichtung und Betrieb<br />
<strong>von</strong> Abfallentsorgungsanlagen dem abfallrechtlichen<br />
Planfeststellungsverfahren. 2<br />
Dieses wird vom Negativkatalog des § 23<br />
Abs. 5 Nr. 5 KrO <strong>NRW</strong> gleichfalls erfasst.<br />
Das Bürgerbegehren ist nicht deshalb<br />
zulässig, weil es sich seiner Formulierung<br />
nach nicht unmittelbar auf die Entscheidung<br />
über die Errichtung einer der in § 31<br />
Abs. 1 KrW-/AbfG genannten Anlagen<br />
bezieht, sondern die Umformulierung des<br />
Abfallwirtschaftskonzeptes des <strong>Kreis</strong>es anstrebt.<br />
Hieraus kann nicht der Schluss<br />
gezogen werden, das Begehren betreffe<br />
eine politische Vorfrage, die <strong>von</strong> der Entscheidung<br />
über die Angelegenheit im<br />
Sinne des Negativkataloges des § 23 Abs.<br />
5 Nr. 5 KrO <strong>NRW</strong> zu trennen sei. Eine solche<br />
Trennung zwischen einer politischen<br />
Initiativentscheidung und der eigentlichen<br />
Sachentscheidung entspräche schon nicht<br />
dem Ziel des <strong>von</strong> den Klägern vertretenen<br />
Bürgerbegehrens. Dieses strebt erklärtermaßen<br />
die Abkehr <strong>von</strong> der Müllverbrennung<br />
zu Gunsten einer biologisch-mecha-<br />
1 Vgl. hierzu: Schink, Kontrollerlaubnis im Abfallrecht,<br />
DÖV 1993, 725; Gaßner/Schmidt, Die<br />
Neuregelung der Zulassung <strong>von</strong> Abfallentsorgungsanlagen,<br />
NVwZ 1993, 946.<br />
2 Stüer, Handbuch des Bau- und Fachplanungsrechts,<br />
2. Auflage 1998, Rdnr. 1786 ff.<br />
101