von Landrat Gerd W iesmann, (Kreis Borken) - Landkreistag NRW
von Landrat Gerd W iesmann, (Kreis Borken) - Landkreistag NRW
von Landrat Gerd W iesmann, (Kreis Borken) - Landkreistag NRW
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Themen<br />
nischen Abfallbehandlung an, was nur im<br />
Wege eines förmlichen Verwaltungsverfahrens<br />
zu erreichen ist.<br />
Allerdings gibt der Wortlaut des § 23 Abs.<br />
5 Nr. 5 KrO <strong>NRW</strong> Raum zur Interpretation.<br />
Die Formulierung („Angelegenheiten, die<br />
im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens<br />
... zu entscheiden sind!”) schließt die<br />
Deutung nicht <strong>von</strong> vornherein aus, hier<strong>von</strong><br />
werde die Fortschreibung des Abfallwirtschaftskonzeptes<br />
des <strong>Kreis</strong>es nicht erfasst,<br />
weil diese als solche nicht in einem der dort<br />
genannten Verfahren zu treffen sei. Indes<br />
ist zu beachten, dass der Gesetzgeber mit<br />
dem Begriff der „Angelegenheiten“ eine<br />
betont weite Umschreibung gewählt hat,<br />
die nicht auf das konkrete Vorhaben<br />
abzielt, das Gegenstand eines der aufgeführten<br />
Verfahren ist, sondern in einem<br />
umfassenderen Sinne Sachentscheidungen<br />
einschließt, die auf das planungs- oder<br />
zulassungsbedürftige Vorhaben gerichtet<br />
sind. Auch knüpft die Formulierung an diesen<br />
Begriff und nicht an das Planungsoder<br />
Genehmigungsverfahren an. Ist die<br />
mit dem Bürgerbegehren intendierte<br />
Angelegenheit nur im Rahmen der<br />
genannten Verfahren zu verwirklichen, ist<br />
ein hierauf gerichtetes Bürgerbegehren<br />
unzulässig 3 .<br />
Sinn und Zielsetzung des § 23 Abs. 5 Nr. 5<br />
KrO <strong>NRW</strong> sprechen letztlich entscheidend<br />
gegen die <strong>von</strong> den Klägern vertretene<br />
Rechtsauffassung: Dies ergibt sich nach<br />
Auffassung des Senats allerdings noch<br />
nicht allein aus der Begründung zum<br />
Gesetzentwurf. Hierin ist ausgeführt, dass<br />
nicht alle denkbaren Fragen einer Abstimmung<br />
durch die Bürger zugänglich sein<br />
könnten. Förmliche Verwaltungsverfahren<br />
mit Öffentlichkeitsbeteiligung gehörten<br />
nicht zum Anwendungsbereich <strong>von</strong> Bürgerbegehren<br />
und Bürgerentscheid, weil die<br />
einschlägigen Gesetze bereits die Mitwirkung<br />
der Bürger in einem formalisierten<br />
Verfahren vorsähen. Dies gelte insbesondere<br />
für die wegen ihrer besonderen<br />
Bedeutung beispielhaft aufgeführten Planfeststellungsverfahren.<br />
4<br />
Diese Begründung ist für die Bestimmung<br />
der Reichweite des Negativkatalogs des<br />
§ 23 Abs. 5 Nr. 5 KrO <strong>NRW</strong> wenig aussagekräftig,<br />
weil die Bürgerbeteiligung im<br />
Wege des Bürgerbegehrens und des Bürgerentscheides<br />
auf der einen und diejeni-<br />
3 Vgl. Ritgen, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid,<br />
1997, S. 198 ff. unter Hinweis auf die<br />
Regelung des § 17a Abs. 2 Nr. 7 RhPf GO:<br />
Hiernach ist ein Bürgerentscheid unzulässig<br />
über Vorhaben, für deren Zulassung ein entsprechendes<br />
Verfahren notwendig ist; ders., Zu<br />
den thematischen Grenzen <strong>von</strong> Bürgerbegehren<br />
und Bürgerentscheid, NVwZ 2000, 129<br />
(134).<br />
4 LT-Drs. 11/4983, Seite 8.<br />
102<br />
ge in einem planungs- oder zulassungsrechtlichen<br />
Verfahren auf der anderen<br />
Seite unterschiedlich ausgestaltet sind<br />
und unterschiedlichen Zielen dienen.<br />
Während die Einführung plebiszitärer Elemente<br />
in die Kommunalverfassung die<br />
eigene Entscheidung grundsätzlich aller<br />
Bürger über kommunale Angelegenheiten<br />
zum Inhalt hat, beschränkt sich die Beteiligung<br />
der Planbetroffenen im Planfeststellungsverfahren<br />
auf die Beteiligung an<br />
der planerischen Abwägung. Im immissionsschutzrechtlichenGenehmigungsverfahren<br />
fehlt es darüber hinaus an dem<br />
Erfordernis planerischer Abwägung. Die<br />
Beteiligung beschränkt sich hier auf die<br />
Möglichkeit vorhabenbezogener Einwendungen<br />
nach § 10 Abs. 3 Satz 2<br />
BImSchG. 5<br />
Allerdings ist die gesetzgeberische Überlegung<br />
naheliegend, Entscheidungen, die in<br />
einem förmlichen Verwaltungsverfahren zu<br />
treffen sind, vom Einflussbereich der plebiszitären<br />
Entscheidung auszunehmen,<br />
weil diese die Berücksichtigung und Abwägung<br />
einer Vielzahl öffentlicher und privater<br />
Interessen erfordern, die sich nicht in<br />
das Schema einer Abstimmung mit „Ja“<br />
oder „Nein“ pressen lassen. 6<br />
Das Verwaltungsgericht weist zutreffend<br />
darauf hin, dass die Zulassung technischer<br />
Großvorhaben und die hiermit in Zusammenhang<br />
stehenden Sachfragen wegen<br />
ihrer Komplexität und besonderen<br />
Schwierigkeit in Fachgesetzen und technischen<br />
Verfahrensregelungen normiert<br />
und regelmäßig nur mit spezifischem<br />
technischen Sachverstand zu beurteilen<br />
sind. Es ist daher das gesetzgeberische<br />
Ziel nachvollziehbar, Entscheidungen über<br />
derartige Großprojekte insgesamt vom<br />
Anwendungsbereich des Bürgerbegehrens<br />
und des Bürgerentscheides auszunehmen.<br />
7<br />
Im Gegensatz zu der <strong>von</strong> den Klägern vertretenen<br />
Auffassung lässt sich ein Argument<br />
für eine einschränkende Auslegung<br />
des § 23 Abs. 5 Nr. 5 KrO <strong>NRW</strong> nicht daraus<br />
gewinnen, dass das immissionsschutzrechtliche<br />
Genehmigungsverfahren keinen<br />
Raum für planerische Erwägungen oder<br />
Bedürfnisprüfungen gibt. Es ist rechtlich<br />
nicht vorgegeben, dass solche Erwägungen<br />
zwingend dem unmittelbaren Willen der<br />
Bürgerschaft überantwortet sein müssten.<br />
5 Vgl. Stüer, Handbuch des Bau- und Fachplanungsrechts,<br />
2. Auflage 1998, Rdnr. 1788.<br />
6 v. Danwitz, Plebiszitäre Elemente in der staatlichen<br />
Willensbildung, DÖV 1992, 601 (606); Ritgen,<br />
Bürgerbegehren und Bürgerentscheid, 1997,<br />
S. 200 f. (zu Planungsentscheidungen).<br />
7 Vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25.<br />
November 1997 – 7 A 12417/96 –, NVwZ 1998,<br />
425 (426); OVG Greifswald, – 1 M 43/96 –,<br />
NVwZ 1997, 306 (308); Hofmann, Erfolgsquote<br />
<strong>von</strong> Bürgerbegehren, VR 2001, 51 (53).<br />
Es besteht insbesondere kein Vorrang der<br />
Entscheidung eines Bürgerbegehrens vor<br />
derjenigen des demokratischen Repräsentativvorgangs.<br />
8<br />
Es ist dem Gesetzgeber daher grundsätzlich<br />
unbenommen, Umfang und Art der<br />
Bürgerbeteiligung zu regeln und bestimmte<br />
Sachbereiche anderen Verfahrensregelungen<br />
vorzubehalten.<br />
Gegen die Rechtsauffassung der Kläger<br />
spricht auch der Sinn kommunaler Abfallplanung.<br />
Der Senat hat in anderem<br />
Zusammenhang betont, dass die gemäß §<br />
5a des Landesabfallgesetzes vom 21. Juni<br />
1988 (GV <strong>NRW</strong> S. 250) – LAbfG – <strong>von</strong> den<br />
<strong>Kreis</strong>en aufzustellenden Abfallwirtschaftskonzepte<br />
ein eigenständiges Planungsinstrument<br />
der entsorgungspflichtigen Körperschaften<br />
darstellen. Dieses erlangt<br />
rechtliche Bedeutung nicht nur durch die<br />
sich hieraus ergebende Selbstbindung der<br />
entsorgungspflichtigen Körperschaft, sondern<br />
vor allem dadurch, dass seine Festsetzungen<br />
bei der überörtlichen Abfallentsorgungsplanung<br />
– nunmehr über die Beteiligung<br />
der <strong>Kreis</strong>e im Aufstellungsverfahren<br />
nach § 17 Abs. 1 Satz 2 LAbfG – bei der<br />
überörtlichen Planung Berücksichtigung<br />
finden. Hierdurch wird, wie der Senat ausgeführt<br />
hat, dem sogenannten Gegenstromprinzip<br />
Rechnung getragen, das bei<br />
überörtlichen Plänen mit Raumbezug, wie<br />
sie die Abfallentsorgungspläne darstellen,<br />
gebietet, einerseits eine Ordnung des<br />
Gesamtraumes zu entwerfen und dabei<br />
andererseits die Gegebenheiten und Erfordernisse<br />
der Einzelräume und damit der<br />
entsorgungspflichtigen Körperschaften zu<br />
berücksichtigen. 9<br />
Die Abfallwirtschaftskonzepte der <strong>Kreis</strong>e<br />
bestimmen damit hinsichtlich der Art der<br />
Entsorgung und der Standortfrage das<br />
Ergebnis der überörtlichen Planung ebenso<br />
mit wie das späterer Planfeststellungs- und<br />
Genehmigungsverfahren. Sie gehen damit<br />
in ihrer rechtlichen und tatsächlichen Wirkung<br />
über die bloße Förderung eines<br />
bestimmten Projekts durch die politischen<br />
Gremien im Sinne eines Konzeptbeschlusses<br />
deutlich hinaus .10<br />
§ 29 Abs. 2 Satz 2 KrW-/AbfG verdeutlicht<br />
dies durch die Vorgabe, dass bei der<br />
Bedarfsermittlung der überörtlichen Abfallwirtschaftsplanung<br />
die Abfallwirtschaftskonzepte<br />
auszuwerten sind. Für verbind-<br />
8 Vgl. Schmitt-Glaeser, Grenzen des Plebiszits auf<br />
kommunaler Ebene, DOV 1998, 824.<br />
9 Beschlüsse des Senats vom 3. April 1995 – 15 B<br />
947/95 –, NWVBI. 1995, 304 (305) und vom 16.<br />
März 1995 – 15 B 2839/93 –, NWVBI 1995, 300<br />
(301).<br />
10 Vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 15.<br />
Dezember 1998 - 7 A 12091/98 -, NVwZ-RR<br />
1999, 598 (599); OVG Greifswald, Beschluss<br />
vom 24. Juli 1996 - 1 M 43/96 -, NVwZ 1997,<br />
306 (308).