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Umweltethische Begründungen und praktisches Akteursverständnis ...

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Debatte über ethische Gr<strong>und</strong>lagen<br />

lediglich einer Wiedergutmachung von Unrecht gleich. In den physiozentrischen Konzeptionen<br />

haben jedoch Unterlassungspflichten einen höheren Stellenwert als Wiedergutmachungspflichten.<br />

Falltyp A ist dagegen vom holistischen Standpunkt immer weniger dann in Erwägung zu ziehen, je<br />

länger der falsche frühere Eingriff zurückliegt. Am potenziellen Renaturierungsstandort hat sich in<br />

der Zwischenzeit eine neue biotische Gemeinschaft gebildet, die moralischen Eigenwert besitzt <strong>und</strong><br />

die durch einen erneuten Eingriff zerstört oder geschädigt würde. Eine Renaturierung im<br />

holistischen Verständnis meint, menschliche Naturnutzung zu beenden <strong>und</strong> die natürlichen<br />

Systeme durch Prozessschutz ohne Zielvorgabe „laufen zu lassen“.<br />

3.2 Die Begriffe Natur <strong>und</strong> Artefakt<br />

Zum besseren Verständnis der sich anschließenden ausgewählten <strong>Begründungen</strong> von Befürwortern<br />

<strong>und</strong> Gegnern der Ökosystemrenaturierung werden im Folgenden die Begriffe „Natur“ <strong>und</strong><br />

„Artefakt“ erläutert.<br />

Etymologisch bezeichnet das Wort Natur, in Übereinstimmung mit der lateinischen Wurzel natura,<br />

„das Hervorbringen, Geburt, Wesen, Schöpfung“ (Groß 2001: 26). Der Begriff natura stammt ab<br />

von nasci „entstehen, geboren werden“ (Korff et al. 1998: 728). Man unterscheidet zwischen<br />

belebter – biotischer – <strong>und</strong> unbelebter – abiotischer Natur. Unter „Natur“ wird im Allgemeinen das<br />

gefasst, was nicht vom Menschen geschaffen wurde als Gegenstück zum „Artefakt“, das ein durch<br />

menschliche Einwirkung entstandenes Produkt oder Phänomen bezeichnet wie Kultur, Technik<br />

oder Gesellschaft (u.a. Duden 1992: 52). Der Begriff Artefakt leitet sich ab vom Lateinischen<br />

„ars“, der Kunst, <strong>und</strong> „factum“, das Gemachte.<br />

Eine Wurzel unserer Vorstellungen von der Natur liegt in der jüdisch-christlichen Tradition, in der<br />

sie als Schöpfung Gottes angenommen wird (Korff et al. 1998: 728). Durch die alttestamentliche<br />

Überlieferung bildete sich im mittelalterlichen Europa ein Naturverhältnis, das dem Menschen<br />

sowohl einen Beherrschungs- als auch Bewahrungsauftrag gab. In der Aufklärung wurde die Natur<br />

vollständig den Menschen zu ihren Zwecken nutzbar untergeordnet. Sie waren fest davon<br />

überzeugt, dass der so genannte Unterwerfungsauftrag von Genesis 1: 26ff. nicht nur eine<br />

Erlaubnis, sondern ein Gebot beinhaltet, sich „die Erde untertan zu machen“ (Ott 2008: Kap.<br />

15.4.4). Der Historiker Lynn White hat 1966 auf einer Tagung der „American Association for the<br />

Advancement of Science“ das Christentum für die Entstehung der ökologischen Krise der<br />

Gegenwart geistesgeschichtlich verantwortlich gemacht (Tribe 1996: 44). Diese Behauptung ist<br />

allerdings häufig als überzogen kritisiert worden.<br />

Erst gegen Ende des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts wurde maßgeblich u.a. durch Ökologie die Natur als ein<br />

selbstregulierendes System begriffen. Mit der Popularisierung der Ökosystemforschung wird seit<br />

den 1980er Jahren die Einsicht gewonnen, dass Natur nicht als Ganzes zu begreifen ist, sondern nur

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