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Umweltethische Begründungen und praktisches Akteursverständnis ...

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Debatte über ethische Gr<strong>und</strong>lagen<br />

sehr ungewiss (Potthast 2005 in ebd.). Zum einen, da man denken könnte, es handele sich um<br />

wissenschaftliche Konzepte. Zum anderen ist bedenklich, ob der Begriff der Ges<strong>und</strong>heit auf<br />

transorganismische Ebenen übertragen werden sollte <strong>und</strong> ob dadurch Clements´<br />

Superorganismustheorie zur Bedingung wird. In jener Theorie treten Gesellschaft <strong>und</strong> Individuen<br />

in einem als „Superorganismus“ verstandenen Lebenssystem als bloße biologisch geprägte<br />

Teilorganismen auf, die durch ihre Stoffwechselvorgänge für „Ges<strong>und</strong>heit“ oder „Krankheit“ der<br />

Natur verantwortlich seien (Groß 2001: 222). Vergleichbare ethische Probleme treten beim Ansatz<br />

der ökosystemaren Integrität auf, die im Ökozentrismus fokussiert wird (Ott 2003: 136-140 in Ott<br />

2008: Kap. 15.4.3). Van Andel & Grootjans erachten „ecosystem health“ <strong>und</strong> „ecosystem integrity“<br />

als nützliche Metaphern <strong>und</strong> präzisieren sie in wissenschaftlicher Hinsicht (2006: 22f.). Im Konzept<br />

der Ökosystem-Ges<strong>und</strong>heit sind ökosystemare Funktionen zentral, die über einen kürzeren<br />

Zeitraum erfasst werden können. Im Konzept der ökosystemaren Integrität handelt es sich dagegen<br />

um die Fähigkeit eines Ökosystems, auf unvorhergesehene zukünftige Ereignisse zu reagieren (im<br />

Sinne einer Konzeption von Resilienz). Es involviert eine starke Biodiversitätskomponente wie<br />

Artenzusammensetzung oder biozönotische Strukturbildung, was zur Folge hat, dass über eine<br />

längere Zeit beobachtet werden muss. In dieser Hinsicht mögen Hybridbegriffe zwar heuristisch<br />

zweckmäßig sein, systematisch jedoch unbrauchbar (Ott 2008: Kap. 15.4.3). In normativer Hinsicht<br />

sollten sie durch ein Set von Zielen (z.B. historische Referenzzustände, Artenspektren, ökologische<br />

Funktionen; vgl. Kap. 2.1.4) ausgetauscht werden, die man durch Renaturierungsprojekte anstrebt.<br />

Eine weitere mittlerweile etablierte Bezeichnung, die einer kurzen Erklärung bedarf, ist<br />

„degradieren“. Im geläufigen Sinne von „degradierten Ökosystemen“ hat sie ihre Wurzeln jedoch<br />

in einem anderen Zusammenhang. Einerseits ist der Begriff im militärischen Sinn zu verstehen,<br />

wobei Leutnante strafweise im Rang herabgestuft wurden (Langenscheidt 1993: 153). Andererseits<br />

enthält „degradieren“ einen geologischen Sinn, womit die Bewirkung einer Veränderung (meist<br />

Verschlechterung) der charakteristischen Merkmale eines Bodens durch Klimaeinwirkungen oder<br />

durch menschliche Eingriffe gemeint ist.<br />

Im Folgenden soll auf die Stellungnahmen der Gegner von Renaturierungen näher eingegangen<br />

werden. Bei Thomas H. Birch, der Verwilderung von Natur als das eingekerkerte Andere des<br />

westlichen „technologischen Imperiums“ annimmt (1990: 3), wird die klare Trennung zwischen<br />

Menschlichem <strong>und</strong> Natürlichem ersichtlich. Zudem wird offenbar, dass selbst Wildnisreservate, die<br />

auf der im Kapitel 3.2 umrissenen Skala den Bereich von „relativer Wildnis“ einnehmen würden<br />

<strong>und</strong> wohinein sich auch renaturierte Ökosysteme fügen könnten, von Birch als Gebiete angesehen<br />

werden, die der Mensch beherrscht.<br />

Weitere Kritik durch Katz <strong>und</strong> Elliot wird von Harris & van Diggelen als f<strong>und</strong>amentalistisch<br />

abgewendet (2006: 5). Allerdings muss sich die Renaturierungsökologie mit derlei Anfechtungen<br />

ernsthaft auseinandersetzen <strong>und</strong> sie in ihr eigenes Selbstverständnis aufnehmen (Ott 2008: Kap.<br />

15.5). Mit dieser Aufnahme sollte auch die Entkopplung der Ethik des Verb<strong>und</strong>es aus

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