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Wie lange musst du noch ...?“ – In keinem anderen Land Mittel- bzw. Nordeuropas stellt man sich diese Frage nach dem Pensionsantritt in einer solchen Intensität und bereits so früh wie in Österreich. Wenn man hierzulande in Pension geht, dann, ja dann „hat man es geschafft“. Sehen wir uns die Fakten an: Auch wenn das gesetzliche Pensionsantrittsalter mit 65 Jahren für Männer (respektive 60 Jahren für Frauen – ein Umstand übrigens, der schon im Vorfeld Karrieresprünge erschweren bzw. beruflichen Aufstieg verhindern kann) angesetzt ist, so liegt das tatsächliche durchschnittliche Pensionsantrittsalter bei 58,1 Jahren – damit nimmt Österreich europaweit die absolute Spitzenposition ein. Das Gleiche gilt für die im Vergleich zu anderen Ländern extrem kurze Lebensarbeitszeit von durchschnittlich 38 Dienstjahren. Wohlgemerkt: Spitzenposition im negativen Sinne! Hier werden nämlich sowohl die Produktivität des Landes als auch die Wertigkeit des Arbeitens schwerstens unterminiert. Es scheint bei uns nicht erstrebenswert zu sein, gebraucht zu werden, Verantwortung zu tragen, Wissen lukrativ einzubringen. Es fehlt nämlich generell das Marketing, dem Österreicher zu vermitteln, dass Arbeit Sinn macht und dass Lebenszeit genutzt werden soll. Hauptverursacherin: die Politik, die sich mittels Danaer-Geschenken – bezahlen müssen nämlich die Folgegenerationen – an Senioren Stimmvieh heranzüchtet. Warum sträuben wir uns in Österreich gegen langfristige Arbeitszeitmodelle, die alle Beteiligten – sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer und Pensionskassen – zu Gewinnern machen? Würden etwaige Schlupflöcher in den vorgezogenen Ruhestand – wie Hacklerregelung, Frühpension oder Invaliditätspension ohne gerechtfertigtem Anlass – kategorisch abgeschafft, somit Fluchtmöglichkeiten aus der Arbeitswelt beseitigt, im gleichen Atemzug je<strong>doch</strong> das Interesse an Weiterentwicklung des Unternehmens forciert, träte folgender Effekt ein: Ich als Arbeitnehmer Lebensziel Pension? gebe dir mein Wissen – du als Arbeitgeber gibst mir Sicherheit. Dazu ist es je<strong>doch</strong> unabdingbar, sich wechselseitig voll einzubringen. Besagte Schlupflöcher auch seitens der Unternehmer, ältere Mitarbeiter aus dem Betrieb zu drängen, darf es hierbei nicht geben. Wenn wir davon ausgehen, dass unsere Lebenserwartung bei knapp 82 Jahren liegt, dann muss unser ganzes Bestreben darauf ausgerichtet werden, das faktische Pensionsantrittsalter auf 62 Jahre anzuheben. Interessanter Lösungsansatz: Die letzten 36 Monate vor Pensionsantritt (auf 65 Jahre!) schließen Arbeitnehmer und Arbeitgeber einen Pakt in Richtung Evaluierung ihrer Möglichkeiten, wonach seitens des Arbeitnehmers jahrzehntelange Berufserfahrung werthaltig etwa in die Lehrlingsausbildung, in die Einschulung „65 Jahre Pensionsantrittsalter – ist ja nur das gesetzliche und nicht das echte!“ Landläufige Meinung neuer Mitarbeiter o.ä. fließt und Know-how vermittelt wird. Wissen bleibt somit nicht gebunkert und vergraben, sondern strömt mit höchster Effizienz in das Unternehmen ein. Im Gegenzug wird die Wochenarbeitszeit flexibilisiert, reduzierte zeitliche Verfügbarkeit eingeräumt, Fenstertage sowie Sommermonate werden zu automatischen Frei-Zeiten – und dies alles unter weitestgehendem Kündigungsschutz. Der Mitarbeiter erhält für 50 Prozent Arbeitszeit 75 Prozent seines letzten Gehalts. Die Pensionskasse übernimmt die Differenz von 25 Prozent (zwischen den 50 und den 75 Prozent) für den Arbeitnehmer und der Arbeitgeber bezahlt somit statt 33 nur mehr acht Prozent Lohnnebenkosten. Arbeitnehmer-Vorteil: flexible Arbeitszeit mit gleichzeitigem Gleiten in die Pension; Arbeitgeber-Vorteil: Verringerung der direkten Lohnkos- WIRTSCHAFTSNACHRICHTEN ten sowie der Lohnnebenkosten. Vorteil für die Pensionskasse: Erspart sich zu diesem Zeitpunkt zumindest die Hälfte der Pensionsauszahlungen. Diese Win-win-win-Situation bringt neben dem Riesenvorteil für alle Beteiligten noch einen nicht zu unterschätzenden weiteren Effekt: Durch die verlängerte Lebensarbeitszeit bleibt nicht nur ein wertvolles Mitglied der Arbeitswelt erhalten, sondern verfügt auch noch über forcierte Kaufkraft. Die Volkswirtschaft wird’s danken. Volkswirtschaftlich ist es nämlich schlichtweg eine Katastrophe, wenn Wissen und Know-how auf die Parkbank getragen werden. Und um dieses Wissen im Sinne des Unternehmens zu sichern, muss dem Mitarbeiter auch emotional vermittelt werden: Wir brauchen dich! Wir schätzen deine Erfahrung – wir wollen deine Persönlichkeit! Es geht aber auch um den politischen Willen, Stimmung zu erzeugen, die es wieder möglich macht, Arbeit als interessant und lebenswert zu erachten. Das Recht auf Arbeit bis zur Pensionierung muss einfach stärker sein als das kurzsichtige Wollen, Menschen aus dem System zu stoßen. Es ist mir vollkommen klar, dass Einzelfälle hierbei nicht berücksichtigt werden – dafür handelt es sich um ein viel zu komplexes Gebiet –, aber ich bin davon überzeugt, dass sich das Gros der Pensionsübergänge auf diese Weise regeln ließe. Grundbedingung: Dem Arbeitsplatz für Senioren muss ein viel höherer Stellenwert eingeräumt werden. Und den Politikern ins Stammbuch geschrieben: Es ist nichts anderes als Heuchelei, den Menschen zu versprechen, früher ins „dolcefarniente“ flüchten zu können, um daraus überschwängliche Dankbarkeit und im Endeffekt Wählerstimmen zu lukrieren. Spätestens für die Folgegenerationen stellt sich dieses Zuckerl als extrem bittere Pille heraus. Es muss unser aller Bestreben sein, den eingangs angeführten Satz umzudenken und ihn zu mutieren in ein: „Wie lange darfst du noch?“ Ihr Wolfgang Hasenhütl Herausgeber hasenhuetl@euromedien.at WIRTSCHAFTSNACHRICHTEN 1-2/2012 3
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