Von Autos doch jedes Kind etwas! versteht - Wirtschaftsnachrichten
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SERVICE<br />
Gutachten und Studien kommen uns teuer zu stehen: In kapitalen Fällen gehen die Honorare in die Hunderttausende Euro, wie zum Beispiel<br />
beim BAWAG-Skandal, dort kostete eine Expertise knapp 640.000 Euro! Foto: Pixelio.de<br />
Sachverständigen Fritz Kleiner, Havraneks<br />
zehnköpfige Mannschaft soll davor bereits<br />
ein Jahr an der Expertise gearbeitet haben.<br />
Der Wirtschaftstreuhänder Kleiner seinerseits<br />
schmiss im November des Vorjahres<br />
seine Gutachterfunktion hin, nachdem er die<br />
Staatsanwaltschaft um Enthebung gebeten,<br />
diese aber zunächst noch mit Ablehnung reagiert<br />
hatte. Er wisse, dass er Auftragnehmer<br />
der Staatsanwaltschaft sei, sagte Kleiner. Er<br />
könne diesen Auftrag aber nicht erfüllen, da<br />
sein Gutachterauftrag massiv eingeschränkt<br />
und ein zusätzlicher Sachverständiger ernannt<br />
worden war. Fazit: Knapp vor Jahresende<br />
ging das traurige Schauspiel in die<br />
nächste Runde. Stimmen wurden laut, wonach<br />
das Handelsgericht Wien einen eigenen<br />
Gutachter bestellt habe. Die Wahl fiel demnach<br />
auf den Sachverständigen für Börsenund<br />
Bankwesen Oliver Lintner, der schon in<br />
den Causen AvW, Bawag und Madoff mit<br />
Gutachtertätigkeiten betraut worden war. Im<br />
Zentrum des laufenden Prozesses steht die<br />
Frage, ob Anleger getäuscht wurden. Postwendend<br />
hat die Meinl Bank gegen den vom<br />
Handelsgericht Wien erst kürzlich bestellten<br />
neuen Gutachter Lintner einen Ablehnungsantrag<br />
eingebracht. Begründung: Der vom<br />
Anlegeranwalt Michael Poduschka vorgeschlagene<br />
Sachverständige Oliver Lintner<br />
und die von ihm geleitete und ihm gehörende<br />
Lintner Vermögensverwaltungs GmbH hätten<br />
ein massives Eigeninteresse an einem bestimmten<br />
Ausgang der gegen die Meinl Bank<br />
geführten Anlegerverfahren und sei damit<br />
klar befangen, so die Bank. Fazit: Das Handelsgericht<br />
Wien hat auf Grund des Ablehnungsantrages<br />
umgehend die vorläufige Einstellung<br />
der Gutachtertätigkeit beauftragt.<br />
WIRTSCHAFTSNACHRICHTEN 1-2/2012<br />
Das Spiel beginnt von vorne ...<br />
Hypo Alpe Adria<br />
Widmet man sich einem weiteren Finanzskandal,<br />
heißt es, die verschlungenen Wege<br />
rund um die Hypo Alpe Adria zu entdecken:<br />
So kam ein von der Staatsanwaltschaft Klagenfurt<br />
bestellter deutscher Gerichtsgutachter<br />
zu dem Schluss, dass Dietrich Birnbacher für<br />
seine Beratungstätigkeit für das Land Kärnten<br />
beim Verkauf der Hypo Alpe Adria an die<br />
Bayern Landesbank 30 Mal zu viel (!) Geld<br />
bekommen hat – nach der Halbierung seiner<br />
Gage. Birnbacher, der 2007 vom damaligen<br />
Landeshauptmann Jörg Haider (BZÖ) und<br />
Landesrat Josef Martinz (Kärntner ÖVP-<br />
Chef) beauftragt worden war, den Verkauf<br />
der Landeshypo zu begleiten, hätte ursprünglich<br />
zwölf Millionen Euro erhalten sollen,<br />
halbierte diese Gage dann aber nach öffentlichem<br />
Druck auf sechs Millionen. Wirklicher<br />
Wert seiner Tätigkeit wären aber nur<br />
200.000 Euro gewesen, meinte der Düsseldorfer<br />
Gutachter Frank A. Schäfer. Birnbachers<br />
Leistung wurde dabei der einer Investmentbank<br />
gleichgesetzt und das Honorar mit<br />
100.000 Euro plus 1,5 Prozent des Verkaufserlöses<br />
berechnet – das ergab zwölf Millionen<br />
Euro. Als die ursprünglich geheime Abmachung<br />
aufflog, akzeptierte Birnbacher eine<br />
Halbierung auf sechs Millionen Euro. Seine<br />
Leistung sei aber nicht mit der eines Investmentbankers<br />
vergleichbar gewesen, heißt es<br />
im Gutachten Schäfers, für den Job wäre eine<br />
Honorierung wie für einen Anwalt, Steuerberater<br />
oder Wirtschaftsprüfer, also 100.000<br />
bis 200.000 Euro (netto), angemessen gewesen.<br />
Birnbacher selbst wird auch zitiert, dass<br />
er mit weniger als sechs Mio. Euro auch zu-<br />
frieden gewesen wäre. Haider habe ihn gefragt:<br />
„Birni, wir können dir die zwölf Millionen<br />
nicht zahlen. Bist du mit sechs auch<br />
zufrieden?“ Birnbacher habe Ja gesagt: Auf<br />
die Frage, ob er auch mit einem niedrigeren<br />
Honorar, etwa zwei Millionen zufrieden gewesen<br />
wäre, hätte Birnbacher laut Medienberichten<br />
geantwortet: „Ja, aber mich hat niemand<br />
gefragt.“ Wie ging’s nun weiter? Die<br />
Kärntner Landesholding hat nach Absage des<br />
Verfassungsrichters Christoph Herbst den<br />
Grazer Universitätsprofessor Waldemar Jud<br />
mit der Erstellung eines neuerlichen Gutachtens<br />
in der Causa Dietrich Birnbacher bestellt.<br />
Jud solle prüfen, ob die Landesholding<br />
bei der Übernahme des Honorars „sorgfältig<br />
und korrekt“ vorgegangen ist. Zur Höhe des<br />
Honorars für Birnbachers sechsseitige Expertise<br />
hieß es seitens der Holding, dazu würden<br />
bereits einige Gutachten vorliegen, welche<br />
„auf Basis des damaligen Wissensstandes“<br />
die Höhe des Honorars bestätigten.<br />
Kommentar überflüssig.<br />
Beliebig lange Liste<br />
Die beiden eben kurz angerissenen Beispiele<br />
zum Thema Gutachten- und Studien-(Un-<br />
)wesen in Österreich werfen einen oft schaudernden<br />
Blick hinter die Kulissen unseres<br />
rechtsstaatlichen Empfindens und dessen –<br />
legale (!) – Auswüchse. Die Liste der Prozesse<br />
könnte schier endlos fortgesetzt werden,<br />
unterfüttert mit klingenden Namen wie<br />
Grasser und Kartnig bis hin zum dissertationsbeschädigten<br />
Johannes Hahn. Und wie<br />
könnte es am Ende einer solchen Story anders<br />
heißen: Für sämtliche angeführten Personen<br />
– und natürlich Gutachter – gilt die<br />
Unschuldsvermutung. Ü