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epd Dokumentation online - Der Deutsche Koordinierungsrat der ...

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Seele zugleich die Richtung, in die die einmal<br />

geweckte Liebe nun eintauchen wird: in die Gemeinde.<br />

Das heißt aber: mit <strong>der</strong> Zweisamkeit<br />

zwischen Seele und Gott ist es in dem Moment<br />

bereits vorbei, in dem Gott die Seele anspricht,<br />

die Seele diese Worte versteht und dann ihrerseits<br />

nach Worten sucht, um sich Gott gegenüber auszudrücken.<br />

Sobald die Liebe sich zu bekunden<br />

beginnt, erkennt sie schon den Ort ihrer Wirksamkeit:<br />

die Gemeinde. So gesehen beweisen die<br />

verwendeten Sprachmittel aus <strong>der</strong> Tradition dieser<br />

Gemeinden, dass es eine reine Zwiesprache<br />

von Gott und Seele jenseits des Raumes <strong>der</strong> betenden<br />

Gemeinden gar nicht geben kann. Die für<br />

die Darstellung <strong>der</strong> Sachlogik zwischen Seele und<br />

Gott offensichtlich hilfreiche Inszenierung dieser<br />

Logik als eines Gesprächs zwischen zwei isolierten<br />

Einzelnen erweist sich bei näherer Betrachtung<br />

als bloße Inszenierung. Tiefer gesehen ist<br />

diese Zwiesprache ein Gespräch in <strong>der</strong> Gemeinde<br />

und durch sie hindurch. Die Möglichkeit einer<br />

Zwiesprache zwischen Seele und Gott wird dadurch<br />

keineswegs zerstört, wohl aber die Vorstellung,<br />

dass diese Zwiesprache frei und unabhängig<br />

von Herkunft und Tradition geführt werden<br />

könne, als Illusion entlarvt. Die Gott zugewandte<br />

Seele weiß, dass sie, wenn sie ihre Stimme<br />

zu Gott erhebt, mit <strong>der</strong> Stimme <strong>der</strong> Tradition<br />

spricht, <strong>der</strong> sie sich selber verdankt.<br />

<strong>Der</strong> Rückgriff auf heilige Texte ist sozusagen ein<br />

Signal dafür, dass die Systematik im SE zu eng<br />

o<strong>der</strong> zu formal gesetzt wäre, wenn man sie bloß<br />

auf die Zwiesprache zwischen Gott und Seele<br />

begrenzen würde. An<strong>der</strong>erseits wirkt die Beschreibung<br />

des Gott-Seele-Verhältnisses als eines<br />

Liebesverhältnisses auch umgekehrt auf die Art,<br />

wie die heiligen Texte zu lesen sind, zurück.<br />

Methodisch waren wir von <strong>der</strong> Notwendigkeit<br />

ausgegangen, nur solche Worte zuzulassen, die<br />

klar ausschließen, dass das Selbst sich noch immer<br />

in seinem eigenen selbstgemachten Horizont<br />

befindet. Es mussten also nicht-menschliche,<br />

»göttliche« Texte sein. Diese Unterscheidung ist<br />

aber für den Verlauf <strong>der</strong> Liebesgeschichte selbst<br />

schwerlich aufrecht zu erhalten: wer liebt hier<br />

wen mit wessen Liebe? Rosenzweig ist hier ziemlich<br />

radikal – so radikal, dass sich die Trennung<br />

<strong>Der</strong> dritte Teil des SE ist – erstaunlicherweise und<br />

trotzdem – <strong>der</strong> Teil mit <strong>der</strong> strengsten Systematik.<br />

Sie springt jedem Lesenden geradezu in die Augen.<br />

Es geht jetzt im ganzen dritten Teil darum,<br />

den Ort genauer zu charakterisieren, in den<br />

»in tyrannos«<br />

<strong>epd</strong>-<strong>Dokumentation</strong> 10/2007 19<br />

zwischen göttlicher und menschlicher Liebe<br />

letztlich nur schwer wird aufrecht erhalten lassen.<br />

Einerseits ist die Liebe, die die geliebte Seele<br />

Gott erwi<strong>der</strong>t, natürlich ihre Liebe zu Gott, aber<br />

doch so, dass sie in jener, <strong>der</strong> Liebe des Geliebten<br />

an sie, »ihren Grund hat« (SE 201), <strong>der</strong> mehr ist<br />

als nur Anlass o<strong>der</strong> Initialisierung. Er ist echte<br />

Urheberschaft. An<strong>der</strong>erseits ist die göttliche Liebe<br />

nichts Jenseitiges, »kein Sein mehr jenseits des<br />

Erlebens, kein Sein im Verborgenen, son<strong>der</strong>n es<br />

ist ganz in diesem Erleben groß geworden« (SE<br />

203). Immanenz und Transzendenz verlieren ihre<br />

klaren Konturen – in <strong>der</strong> Liebe genauso wie in<br />

<strong>der</strong> Heiligkeit <strong>der</strong> Texte, aus denen die Worte<br />

über sie genommen sind.<br />

Im Blick auf die Liebe beschreibt dies Rosenzweig<br />

so: »die Liebe ist, wie die Sprache selbst, sinnlichübersinnlich.<br />

... Liebe könnte als Liebe nicht ewig<br />

sein, wenn sie nicht vergänglich schiene; aber im<br />

Spiegel dieses Scheins spiegelt sie unmittelbar die<br />

Wahrheit.« (SE 224) Und von den sinnlichen<br />

Liebesszenen im biblischen Grundbuch in dieser<br />

Sache, dem Hohelied <strong>der</strong> Liebe, sagt Rosenzweig<br />

genauso kryptisch, dass es darum gehe »anzuerkennen,<br />

dass hier grade in dem rein sinnlichen<br />

Sinn, unmittelbar und nicht ‚bloß‘ gleichnisweise,<br />

die tiefere Bedeutung steckt«. (SE 222).<br />

Wie immer man diese vom logischen Standpunkt<br />

schlicht in sich wi<strong>der</strong>sprüchlichen Bemerkungen<br />

im Detail deuten möchte, sie zeigen doch eines:<br />

die klare Trennung von Immanenz und Transzendenz,<br />

von Sinnlichkeit und Übersinnlichkeit,<br />

von Innerseelischem und Außerseelischem, von<br />

Seele und Gott, mit <strong>der</strong> Rosenzweig in die Argumentation<br />

im zweiten Teil des SE eingestiegen<br />

war, lässt sich nach <strong>der</strong> Durchführung dieser<br />

Argumentation so nicht mehr aufrechterhalten.<br />

Dies erweisen zu können, war <strong>der</strong> Sinn <strong>der</strong> Einführung<br />

dieser systematischen Unterscheidung.<br />

Sofern es auch nach <strong>der</strong> Lektüre des zweiten Teils<br />

des SE noch Theologen gibt, die gleichwohl an<br />

einer Trennung von Gott und Seele in zwei verschiedenen<br />

Welten festhalten, fallen auch sie<br />

unter diejenigen, gegen die dieser zweite Teil des<br />

SE geschrieben ist: »in theologos«.<br />

hinein die Seele erwacht ist: die Gemeinde. Gemäss<br />

<strong>der</strong> systematischen Anlage des dritten Teils<br />

des SE gibt es genau und nur zwei Orte, also zwei<br />

»Gemeinden«, an denen Menschen, die den vorhin<br />

beschriebenen Prozess durchlebt haben, auch

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