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epd Dokumentation online - Der Deutsche Koordinierungsrat der ...

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50 10/2007 <strong>epd</strong>-<strong>Dokumentation</strong><br />

»Die abendländische Geschichte ist nach Gottes<br />

Willen mit dem Volk Israel unlöslich verbunden,<br />

nicht nur genetisch, son<strong>der</strong>n in echter unaufhörlicher<br />

Begegnung.« 7 Ich vermute, diesen Satz<br />

hätte Rosenzweig unterschreiben können.<br />

In dem am längsten geführten Dialog, dem mit<br />

Hans Ehrenberg, vertritt dieser seinen Christusglauben<br />

(im »Zwischenreich« <strong>der</strong> Kirche des<br />

schon gekommenen und wie<strong>der</strong>kommenden Messias)<br />

wie er ihn auch später im Kampf gegen Nationalismus<br />

und Antisemitismus bewährt. Und<br />

Rosenzweig steht ebenso treu zu seiner Hoffnung<br />

auf die noch ausstehende messianische Vollendung<br />

<strong>der</strong> Welt und <strong>der</strong> damit gegebenen Aufgabe,<br />

das Judentum zu bewahren. Rosenzweig wird<br />

gegen eine christliche Auffassung heftig protestieren,<br />

die die Erlösung <strong>der</strong> Welt durch das Christusgeschehen<br />

schon vollzogen sieht. Er nennt das<br />

»Betrug« und eine »angemaßte Schonfertigkeit«. 8<br />

Es ist wohl auch ein Missbrauch des Jesuswortes<br />

am Kreuz »Es ist vollbracht«, wenn es auf eine<br />

nur behauptete und nicht erfüllte Erlösung <strong>der</strong><br />

Welt bezogen wird. Das Neue Testament macht<br />

klar, dass Christen mit den Juden auf die Vollendung<br />

<strong>der</strong> Welt warten, wenn auch in neutestamentlicher<br />

Zeit diese Vollendung in nächster<br />

Nähe erwartet wird. Zugleich wird in Jesus <strong>der</strong><br />

Anfang des messianischen Reiches Gottes gesehen;<br />

das Erhoffte wird in seiner Nachfolge antizipiert<br />

und schon ins alltägliche Leben gezogen.<br />

<strong>Der</strong> Doktor <strong>der</strong> Ökonomie (Die Eisenhüttentechnik<br />

und <strong>der</strong> deutsche Eisenhüttenarbeiter, 1906)<br />

Hans Ehrenberg trifft seinen Vetter Rosenzweig in<br />

München, <strong>der</strong> dort gerade beginnt Medizin zu<br />

studieren. Es ist <strong>der</strong> Anfang eines lebenslangen<br />

Dialogs <strong>der</strong> beiden. Im November 1909 findet die<br />

evangelische Taufe Ehrenbergs statt (»Ich habe<br />

ihm heftig zugeraten und würde es wie<strong>der</strong> und<br />

wie<strong>der</strong> tun.«) Dieser »Heimkehr des Ketzers« (so<br />

Hans Ehrenbergs autobiographischer Rückblick<br />

1920) folgt 1913 Franz Rosenzweigs Entscheidung,<br />

Jude zu bleiben, eine »Umkehr des Juden!«<br />

Selbstironisch charakterisiert Rosenzweig den<br />

Diskurs mit militärischen Bil<strong>der</strong>n, die den Kriegs-<br />

»Gott, Welt, Mensch erkennen heißt erkennen,<br />

was sie in diesen Zeiten <strong>der</strong> Wirklichkeit tun o<strong>der</strong><br />

was ihnen geschieht.« 10<br />

Sie verbergen sich ansonsten.<br />

»Nur in ihren Beziehungen, nur in<br />

Schöpfung, Offenbarung, Erlösung, tun sie sich<br />

auf« Die drei Wirklichkeiten sind von einan<strong>der</strong><br />

II. <strong>Der</strong> eine Gott<br />

freiwilligen des 1. Weltkriegs eingeübt zu Gebote<br />

standen: »Zu einem ‚Dialog‘ lassen sie sich nicht<br />

machen, weil sie keiner waren, son<strong>der</strong>n ein<br />

Bombardement zweier gelehrter Kanonen mit<br />

lyrischer Bespannung« (lyrisch = monologisch,<br />

Bespannung erinnert an die Tätigkeit bei <strong>der</strong> bespannten<br />

Artillerie). 9<br />

Hans Ehrenberg studiert nach seinem Studium<br />

<strong>der</strong> Nationalökonomie Philosophie, wird 1910<br />

Privatdozent für Philosophie in Heidelberg, und<br />

schließlich nach einem weiteren Studium (<strong>der</strong><br />

evangelischen Theologie) – übrigens legte <strong>der</strong><br />

Heidelberger Philosophieprofessor 1923 sein<br />

theologisches Examen zusammen mit dem hoch<br />

dekorierten Ex-U-Bootkapitän Martin Niemöller<br />

ab – 1925 Pfarrer in einer Arbeitergemeinde Bochums.<br />

Seine Heidelberger Universität lässt ihren<br />

Hochschullehrer Ehrenberg 1933 ebenso fallen<br />

wie ihn später seine Kirche nicht schützt. Nach<br />

einer Haft im KZ Sachsenhausen 1938/39 (vier<br />

Monate als Totengräber) gelingt ihm die Flucht<br />

nach Großbritannien. 1947 kehrt er nach Bochum<br />

zurück. Das jüdisch-christliche Gespräch sowie<br />

<strong>der</strong> Kampf gegen den Antisemitismus und Nationalismus<br />

in je<strong>der</strong> Form bleiben ihm als Mitglied<br />

<strong>der</strong> Bekennenden Kirche in Westfalen, im Exil in<br />

Großbritannien und nach <strong>der</strong> Rückkehr in die<br />

Bochumer Gemeinde konsequent verfolgte Aufgaben<br />

seines Lebens. Er formuliert die ersten<br />

Bekenntnisse einer nicht judenfeindlichen<br />

Christologie. Hans Ehrenberg war mit Franz Rosenzweig<br />

verwandt über den gemeinsamen Urgroßvater<br />

Samuel Maier Ehrenberg, Rektor <strong>der</strong><br />

berühmten Samsonschen Freischule in Wolfenbüttel,<br />

einem Philanthropin jüdischer Aufklärung<br />

und Reform.<br />

In Analogie des von Rosenzweig hochgeschätzten<br />

und in Berlin gern gehörten Hermann Cohen »Die<br />

Religion des Judentums aus den Quellen <strong>der</strong> Vernunft«<br />

könnte man Rosenzweigs Denken, wie es<br />

nicht nur im Stern <strong>der</strong> Erlösung vorliegt, nennen<br />

»Die Wirklichkeit des Judentums aus den Quellen<br />

<strong>der</strong> Schöpfung, <strong>der</strong> Offenbarung und <strong>der</strong> Erlösung«.<br />

getrennt, aber aufeinan<strong>der</strong> bezogen. Sie sind we<strong>der</strong><br />

– pantheistisch – in eins zu setzen, noch sind<br />

sie – atheistisch o<strong>der</strong> materialistisch – beziehungs-<br />

o<strong>der</strong> bedeutungslos. Vor allem sind<br />

Schöpfung, Offenbarung und Erlösung nicht zeitlos.<br />

Sie werden im »im großen Weltgedicht« er-

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