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epd Dokumentation online - Der Deutsche Koordinierungsrat der ...

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8 10/2007 <strong>epd</strong>-<strong>Dokumentation</strong><br />

In <strong>der</strong> Ethik des reinen Willens hatte Cohen in<br />

Weiterführung von Platon und Kant aufgewiesen,<br />

dass die Idee Gottes <strong>der</strong> notwendige Schlussstein<br />

für die Zusammenfügung von Ethik und Naturerkenntnis<br />

darstellt. Zwar ist die wissenschaftliche<br />

Gesetzmäßigkeit <strong>der</strong> Natur allein aus ihr selbst<br />

begründet, und auch die ethischen Gesetze gelten<br />

allein aus <strong>der</strong> Selbstbestimmung <strong>der</strong> Vernunft,<br />

aber je für sich genommen, fallen die beiden<br />

Systemteile <strong>der</strong> theoretischen Erkenntnis und <strong>der</strong><br />

Willensbestimmung gänzlich auseinan<strong>der</strong>. Dort<br />

aber, wo wir die Verwirklichung von Sittlichkeit<br />

in die Welt hinein erstreben, setzen wir – wie<br />

dies Kant bereits gezeigt hat – die Idee Gottes als<br />

die uns tragende Wahrheit <strong>der</strong> Einheit von theoretischer<br />

und praktischer Vernunft voraus. Bezogen<br />

auf die Ethik des reinen Willens schreibt Cohen<br />

selbst rückblickend in <strong>Der</strong> Begriff <strong>der</strong> Religion<br />

(1915) ein Jahrzehnt später: »Ich habe die methodische<br />

Konsequenz nicht gescheut, dass die<br />

Religion in Ethik sich auflösen müsse. <strong>Der</strong> Religion<br />

war damit nur ein scheinbarer Schaden zugefügt,<br />

vielmehr ein Ruhmestitel zugesprochen.<br />

Denn wie könnte die Religion mehr verherrlicht<br />

werden, als wenn ihre Auflösung in die Ethik ihr<br />

eigenes Ziel genannt wird?« (Cohen BdR 42)<br />

»Indessen blieben« – so fährt Cohen fort – »mancherlei<br />

Punkte in Unklarheit«, da dadurch insbeson<strong>der</strong>e<br />

dem Begriff <strong>der</strong> Religion ein möglicher<br />

Ort im System <strong>der</strong> Philosophie entzogen wird.<br />

Gerade dieser Frage nach dem Ort <strong>der</strong> Religion im<br />

System <strong>der</strong> Philosophie widmet sich Cohen seit<br />

seiner Berliner Vorlesung vom Winter 1913/14,<br />

die auch Rosenzweig besuchte. Zwar kommt <strong>der</strong><br />

Religion keine selbstständige vierte Gestalt im<br />

System <strong>der</strong> Philosophie zu, denn das System ist<br />

durch die Logik <strong>der</strong> reinen Erkenntnis, Ethik des<br />

reinen Willens, Ästhetik des reinen Gefühls sowie<br />

die <strong>der</strong>en Einheit in ihren Objektivationen bedenkende<br />

»Psychologie des Kulturbewusstseins«, die<br />

Cohen nicht mehr ausgeführt hat, zur Gänze ausgeschöpft.<br />

Und doch stellt die Religion eine eigenständige<br />

Eigenart menschlichen Denkens,<br />

Wollens und Fühlens dar, die gleichsam quer<br />

zum Systemgedanken steht, ohne die aber das<br />

System <strong>der</strong> Philosophie sich nicht vollständig<br />

erfüllen kann, da die Religion in ihrer Eigenart in<br />

alle Systemteile hineinspielt. Die Eigenart <strong>der</strong><br />

Religion besteht in <strong>der</strong> Korrelation von Mensch<br />

und Gott, und zwar des Menschen in seiner Einzigkeit<br />

gegenüber <strong>der</strong> Einzigkeit Gottes. Diese<br />

existentiell unmittelbare Korrelation des Menschen<br />

zu Gott verwandelt den Blickpunkt aller<br />

vorhergehenden Systemteile. »Wir stehen hier am<br />

begrifflichen Ursprung <strong>der</strong> Religion [...]. Wir wissen,<br />

die Eigenart <strong>der</strong> Religion soll nicht ihre Un-<br />

abhängigkeit von <strong>der</strong> Ethik bedeuten [...]. Die<br />

Einzigkeit aber fällt ganz aus dem Rahmen <strong>der</strong><br />

Ethik heraus.« (Cohen BdR 58, 59, 61)<br />

Das in den folgenden Jahren ausgearbeitete Werk<br />

Religion <strong>der</strong> Vernunft aus den Quellen des Judentums,<br />

das 1919 ein Jahr nach Cohens Tod<br />

posthum erscheint, führt nun direkt ausgehend<br />

von <strong>der</strong> Bestimmung einer »Religion <strong>der</strong> Vernunft«<br />

das aus, was die vorhergehende Schrift<br />

durch die Einordnung <strong>der</strong> Religion ins System<br />

grundzulegen versuchte. Dabei legt Cohen nun<br />

die Religion <strong>der</strong> Vernunft »aus den Quellen des<br />

Judentums« dar, wodurch Vernunft, Offenbarung<br />

und Judentum in eins zusammengezogen werden.<br />

Nicht, dass er die Religion aus <strong>der</strong> historischen<br />

Gestalt des Judentums herleiten bzw. jüdische<br />

Exegese betreiben wollte. Im Gegenteil betont<br />

Cohen, dass die Thematisierung <strong>der</strong> »Religion<br />

<strong>der</strong> Vernunft [...] die Religion zu einer allgemeinen<br />

Funktion des menschlichen Bewusstseins«<br />

macht (Cohen RdV 8), die sich niemals in<br />

<strong>der</strong> Partikularität <strong>der</strong> Religion eines Volkes zu<br />

»erschöpfen« vermag.<br />

Und doch ist es legitim und sinnvoll die Religion<br />

<strong>der</strong> Vernunft aus dem Judentum zu erläutern, da<br />

die menschliche Vernunft im jüdischen Volk seit<br />

Moses, den Propheten und den Psalmisten die<br />

Grundlagen eines reinen Monotheismus herausgearbeitet<br />

hat. Und <strong>der</strong> reine Monotheismus ist<br />

nach Cohen das Fundament <strong>der</strong> Religion <strong>der</strong> Vernunft.<br />

Insofern ist das Judentum <strong>der</strong> Urquell des<br />

ersten Hervortretens <strong>der</strong> Religion <strong>der</strong> Vernunft in<br />

<strong>der</strong> Geschichte des Zusichkommens <strong>der</strong> menschlichen<br />

Vernunft, aus <strong>der</strong> alle späteren Quellen<br />

gespeist werden. Aber mehr noch, das Judentum<br />

ist durch seine Treue und sein Festhalten an den<br />

Gedanken <strong>der</strong> Einzigkeit Gottes – trotz Druck und<br />

Bedrohung weltmissionarischer Nachfolgereligionen<br />

– Zeuge und Garant des reinen Monotheismus<br />

<strong>der</strong> Religion <strong>der</strong> Vernunft geblieben und<br />

steht so für das messianische Versprechen ein,<br />

dass alle Völker sich einst in die Religion <strong>der</strong><br />

Vernunft einfinden, die <strong>der</strong> ganzen Menschheit<br />

und somit allen Menschen gehört. (Cohen RdV<br />

39)<br />

Das Neue <strong>der</strong> Religion <strong>der</strong> Vernunft aus den Quellen<br />

des Judentums gegenüber den vorhergehenden<br />

Schriften liegt darin, dass Cohen nicht mehr<br />

vom philosophischen System her über die Religion,<br />

son<strong>der</strong>n von <strong>der</strong> Religion her schreibt und so<br />

die Vernunft <strong>der</strong> Religion selbst zur Sprache<br />

bringt, so dass dadurch sowohl die Vernunft <strong>der</strong><br />

Offenbarung begreifbar als auch die Vernunft als<br />

Offenbarung vernehmbar wird. Dies kommt im

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