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epd Dokumentation online - Der Deutsche Koordinierungsrat der ...

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56 10/2007 <strong>epd</strong>-<strong>Dokumentation</strong><br />

Die Juden kennen – im Gegensatz zu den Völkern<br />

– den Vater, sind schon beim Vater, für sie ist<br />

Jesus nicht »<strong>der</strong> Weg, die Wahrheit und das Leben«<br />

(Joh 14,6). Gollwitzer sieht diesen, bei Rosenzweig<br />

klar entfalteten Gedanken schon bei<br />

Jehuda Halevi (1085-1141) entwickelt, dessen<br />

Gedichte Rosenzweig – im Wechsel mit <strong>der</strong> Lektüre<br />

Karl Barths – übersetzt. Dementsprechend<br />

bringt Jesus für Israel keine neue Botschaft, die<br />

den Ȇbertritt zu einer neuen, einer an<strong>der</strong>en Religion<br />

verlangt«, son<strong>der</strong>n ein Weitergehen des Weges<br />

Israels.<br />

Aber Gollwitzer vermag diesen Überlegungen<br />

wenig abzugewinnen. Entscheidend positiv für<br />

eine Erneuerung <strong>der</strong> jüdisch-christlichen Beziehungen<br />

ist für ihn die »ekklesiologische« Gleichstellung<br />

von Israel und Kirche. Er lehnt einerseits<br />

in aller Deutlichkeit jeden kirchlichen Triumphalismus<br />

wie jeden Judenhass ab. Für ihn sind an<strong>der</strong>erseits<br />

Israel und Kirche zwei »Gottesgemeinden<br />

nebeneinan<strong>der</strong>, die Gottesgemeinde Israel<br />

und die Gottesgemeinde Kirche.« 45<br />

Christus ist für<br />

ihn <strong>der</strong> Messias <strong>der</strong> Welt, so ungehorsam seine<br />

Christenheit ihm auch nachfolgt. Dieser Messias<br />

nimmt vorweg, was auch Israels Hoffnung ausmacht.<br />

Beide sind zur Vollendung und Erlösung<br />

<strong>der</strong> Welt unterwegs. Gollwitzers Respekt vor<br />

Christus dem Herrn ist so groß, dass er ihn auch<br />

als den Messias Israels ansieht. Zwischen den<br />

beiden Gottesgemeinden gibt es eine Schnittmenge,<br />

die »Judenchristen«. Ihnen schreibt er eine<br />

Brückenbauerfunktion zu.<br />

Für Gollwitzer ist Jesus »primär ein innerjüdisches<br />

Ereignis«, geht also Israel doch an. Gollwitzer<br />

lehnt die Rosenzweigsche Lösung ab. Er verweist<br />

auf die Worte Jesu, er sei »nur zu den verlorenen<br />

Schafen des Hauses Israel gesandt« (Mt<br />

15,24) und auf Paulus, <strong>der</strong> seine Botschaft immer<br />

zuerst in den Synagogen verkündet und die Priorität<br />

Israels festhält. Jesus sei zuerst zu den Juden,<br />

dann zu den Völkern gekommen. Er ist davon<br />

überzeugt, dass am Ende <strong>der</strong> Tage auch die<br />

Juden in Jesus den Messias erkennen – und die<br />

Christen ihn neu erkennen.<br />

Jürgen Moltmann geht in seiner Eschatologie<br />

»Das Kommen Gottes« 46 , also in seinem Nachdenken<br />

über die Vollendung <strong>der</strong> Welt und <strong>der</strong> Geschichte,<br />

ausführlich auf Rosenzweig und seinen<br />

»Stern <strong>der</strong> Erlösung« ein. Erlösung und Vollendung<br />

<strong>der</strong> Welt sind hier wie da das Thema. Er tut<br />

das im Zusammenhang seiner eigenen Darstellung<br />

zur »Wie<strong>der</strong>geburt des messianischen Denkens<br />

im Judentum«, nachdem er am Beginn seines<br />

Buches einen Überblick über den analogen<br />

Prozess in <strong>der</strong> protestantischen Theologie des<br />

20. Jahrhun<strong>der</strong>ts gegeben hatte. Er macht dabei<br />

deutlich, dass die messianische Hoffnung <strong>der</strong><br />

Christenheit keineswegs erloschen ist, eine allerdings<br />

am Ende des 19. Jhts durch Johannes Weis<br />

und Albert Schweitzer erneuerte Erkenntnis. Sie<br />

verwiesen auf die urchristliche Naherwartung des<br />

Reiches Gotte und ihre Umformung in eine Glaubensweise<br />

einer sich in <strong>der</strong> Geschichte installierenden<br />

Christenheit. Er behandelt neben Rosenzweig<br />

so unterschiedliche Denker wie Ernst<br />

Bloch, Gershom Scholem, Walter Benjamin, Jacob<br />

Taubes und Karl Löwith.<br />

Moltmann beginnt an dieser Stelle mit dem Hinweis<br />

auf die Hegelstudien, die Rosenzweig in<br />

seiner Dissertation bei dem Freiburger Historiker<br />

Friedrich Meinecke vorlegt. Rosenzweigs Thema<br />

ist und bleibt die Weltgeschichte. Sie begegnete<br />

ihm einerseits im wahrsten Sinn des Wortes umstürzend<br />

– wie Karl Barth und Paul Tillich – in<br />

<strong>der</strong> Fratze des Zerstörerischen, Nichtseinsollenden<br />

im zweiten Weltkrieg. Er stellt den Geschichtsentwurf<br />

des deutschen Idealismus zutiefst<br />

in Frage. Wie passt die schiere Barbarei und <strong>der</strong><br />

Nationalismus in diese von Hegel als notwendig<br />

angesehene Geschichte? Rosenzweig wird mit<br />

Sören Kierkegaard vom Recht des Individuums<br />

aus fragen, wo die eigene Erfahrung von Sündhaftigkeit<br />

und Erlösung, kurz das Existentielle<br />

seinen Platz habe? Im Ablauf <strong>der</strong> Geschichte<br />

herrscht nach Hegel Notwendigkeit. In <strong>der</strong> Hierarchie<br />

<strong>der</strong> Religionen wies er dem Judentum mit<br />

allen an<strong>der</strong>en Religionen nacheinan<strong>der</strong> überholte<br />

Plätze im Ablauf <strong>der</strong> Geschichte an. Das Faktische<br />

erscheint als das Vernünftige, also auch als<br />

das Normative: Das steht gegen jede jüdische und<br />

christliche Auffassung, die nach dem fragt, was<br />

sein wird und sein soll, und die von seiner Herkunft<br />

zu dieser Zukunft unterwegs ist.<br />

Mit diesem eindrucksvollen Geschichtskonzept<br />

Hegels setzen sich Moltmann wie Rosenzweig<br />

auseinan<strong>der</strong>. Dabei spielt die Frage nach <strong>der</strong><br />

menschlichen Freiheit eine große Rolle. Einerseits<br />

scheinen Vernunft und Offenbarung, Wissen und<br />

Glauben versöhnt: »Die Weltgeschichte ist <strong>der</strong><br />

Fortschritt im Bewusstsein <strong>der</strong> Freiheit, – ein<br />

Fortschritt, den wir in seiner Notwendigkeit zu<br />

erkennen haben.« 47 Moltmann zitiert Hegel weiter,<br />

um Rosenzweigs Position deutlicher zu markieren.<br />

<strong>Der</strong> »Weltgeist« verkörpert sich in den<br />

»Völkergeistern« Die letzte Stufe des Fortschrittes<br />

ist das Christentum als die »absolute Religion«<br />

aller Religionen. In ihm erscheint die Welt als<br />

versöhnte Welt, in <strong>der</strong> das Wirkliche vernünftig<br />

und das Vernünftige wirklich geworden ist. In <strong>der</strong>

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