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epd Dokumentation online - Der Deutsche Koordinierungsrat der ...

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zenden Ideologien) heraus, die das befreiende<br />

Wort vom Sinai, lebendig in dem durch den Einen<br />

Gott erwählten Israel, in Selbstvergötzung<br />

nicht hören wollen. Diese Gedanken stärkten den<br />

Wi<strong>der</strong>stand in den von Deutschland besetzten<br />

Nie<strong>der</strong>landen wie sie dort auch zu den ersten<br />

christlichen Bekenntnissen führten, die die bleibende<br />

Erwählung des jüdischen Volkes und damit<br />

eine Absage an alle christlichen Enterbungstheorien<br />

verbindlich formulierten. 25<br />

<strong>Der</strong> Unterschied zwischen Judentum und Christentum<br />

liegt für Rosenzweig nicht in den traditionellen<br />

Verurteilungen Israels als einer angebli-<br />

<strong>epd</strong>-<strong>Dokumentation</strong> 10/2007 53<br />

chen Gesetzesreligion, die auf den noch wartet,<br />

den die Christen schon kennten, sodass die Kirche<br />

Israel enterbt und durch sich selbst ersetzt.<br />

<strong>Der</strong> Unterschied liegt darin, dass die Christenheit<br />

Gott zu spalten droht. Er erinnert gegen landläufige<br />

Zuordnungen aus dem Erbe Marcions daran,<br />

dass <strong>der</strong> biblische Gott, <strong>der</strong> Gott Israels, <strong>der</strong> Gott<br />

<strong>der</strong> Gerechtigkeit und Liebe ist. Im Christentum<br />

sei Gott nur noch <strong>der</strong> Vater Jesu Christi und <strong>der</strong><br />

Gerecht-Strenge, während die Liebe in Jesus<br />

Christus gesucht und gefunden wird. 26 Die Gefahren<br />

des Christentums sind nach FR die einer<br />

Weltvergötterung und/o<strong>der</strong> einer Menschenvergötterung<br />

durch Gottvermenschlichung. 27<br />

III. Juden und Christen – aufeinan<strong>der</strong> angewiesen<br />

»Kirche und Synagoge sind aufeinan<strong>der</strong> angewiesen«,<br />

so schreibt Rosenzweig in seinem Brief an<br />

den Vetter Rudolf Ehrenberg am 31. 10. 1913,<br />

wenige Tage nach <strong>der</strong> Entscheidung für sein Judebleiben.<br />

Worin besteht aber dieses Aufeinan<strong>der</strong>angewiesensein?<br />

Es ist einmal <strong>der</strong> gemeinsame<br />

Auftrag. »Vor Gott sind so die beiden...Arbeiter<br />

am gleichen Werk. Zwischen beiden hat er in alle<br />

Zeiten Feindschaft gesetzt, und doch hat er sie<br />

aufs engste wechselseitig aneinan<strong>der</strong> gebunden.<br />

Uns (Juden) gab er ewiges Leben, indem er uns<br />

das Feuer des Sterns seiner Wahrheit in unseren<br />

Herzen entzündete. Jene (die Christen) stellte er<br />

auf den ewigen Weg, indem er sie die Strahlen<br />

jenes Sterns seiner Wahrheit nacheilen machte in<br />

alle Zeit bis hin zum ewigen Ende.« Beide haben<br />

wir »an <strong>der</strong> ganzen Wahrheit nur teil«; die ganze<br />

Wahrheit ist bei Gott. 28<br />

Dann ist beiden gemeinsam die »Offenbarung des<br />

Alten Bundes«, <strong>der</strong> Ausgangspunkt <strong>der</strong> Existenz<br />

Israels und auch, aus Israel, <strong>der</strong> <strong>der</strong> Kirche. Alle<br />

Gnostiker, von Marcion bis zur Gegenwart, wollen<br />

das Alte Testament abschaffen. Seine »Weltlichkeit«,<br />

sein Wirklichkeitsbezug hin<strong>der</strong>n aber<br />

das Christentum daran, Idee und Ideal zu werden<br />

statt sich auf <strong>der</strong> Erde und in <strong>der</strong> Welt zu bewähren.<br />

Rosenzweig sieht in seiner Zeit auf <strong>der</strong><br />

christlichen Seite einen Schrei nach Philosophie<br />

und einen »neuen theologischen Rationalismus<br />

im Anmarsch« wie neue Sicherungsversuche <strong>der</strong><br />

Orthodoxie 29 . Ihm wären damals die protestantischen<br />

Liberalen z.B. Harnack o<strong>der</strong> Orthodoxen<br />

wie Karl Heim mit ihrem Versuch, Vernunft und<br />

Glaube durch Arbeitsteilung o<strong>der</strong> gegenseitige<br />

Zuarbeit zu versöhnen ebenso verdächtig – um<br />

eine aktuelle Debatte zu nennen – wie die entsprechenden<br />

Partien <strong>der</strong> Regensburger Rede des<br />

Papstes. »Unvernünftig handeln ist dem Wesen<br />

Gottes zuwi<strong>der</strong>«, sagt er mit dem ausdrücklichen<br />

Wunsch, das griechische Erbe (gewiss »kritisch<br />

gereinigt«) zu retten, jenes Erbe, in dem Rosenzweig<br />

gerade die Spiritualisierung des Christentums<br />

eindringen sieht. Rosenzweig würde nie<br />

vom »Wesen« Gottes sprechen, ihn nie an die<br />

Vernunft binden.<br />

Er nimmt kritisch Stellung zu <strong>der</strong> »Geist«–Theologie<br />

des Johannes-Evangeliums. Am Anfang war<br />

das Wort und Gott war das Wort – darin sieht <strong>der</strong><br />

Papst das »abschließende Wort des biblischen<br />

Gottesverständnisses«. Sieht <strong>der</strong> Papst in <strong>der</strong><br />

»Enthellenisierung« des Christentums, in <strong>der</strong> Aufgabe<br />

einer ontologischen Rede von Gott, eine<br />

Gefahr, so sieht Rosenzweig in <strong>der</strong> Hellenisierung<br />

die Gefährdung des Christentums – (wie ihm<br />

auch das Judentum partiell in <strong>der</strong> hellenistischen<br />

Zeit und in <strong>der</strong> Kabbala erlegen sei, wo man<br />

meinte, »Gottes Gestalt auszählen und ausmessen<br />

zu dürfen.« 30 Eine dritte Gefährdung des Judentums<br />

geschah in <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> Emanzipation mit<br />

den »Grossen Täuflingen des 19. und lei<strong>der</strong> auch<br />

des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts«:<br />

Neben <strong>der</strong> Spiritualisierung sieht Rosenzweig die<br />

Gefahr, die Paulus ins Christentum eingebracht<br />

hat: »Indem Paulus als erster Jude – unbegreiflich<br />

uns bis zum heutigen Tage – den Gott <strong>der</strong> Bibel<br />

als den Gott <strong>der</strong> strengen, erbarmungslosen Gerechtigkeit<br />

sah, musste er mit Notwendigkeit<br />

dazu kommen, die ja auch ihm unleugbare göttliche<br />

Liebe an den Mittler zu binden« 31<br />

Gegen jede Spiritualisierung und gegen alle Heiligen<br />

und Mittlergestalten besteht Rosenzweig auf<br />

<strong>der</strong> Gottheit Gottes, in <strong>der</strong> Liebe und Gerechtigkeit<br />

leben. Hier sieht Rosenzweig den Juden als<br />

»enfant terrible, ewiges enfant, Kind, <strong>der</strong> dabei

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