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epd Dokumentation online - Der Deutsche Koordinierungsrat der ...

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Disputationen ist er bewusst ein »Draußenstehen<strong>der</strong>«<br />

1 , außerhalb des Christentums. Die damaligen<br />

jüdischen wie christlichen Gesprächspartner<br />

sehen deswegen vieles klarer als lebenslange<br />

Insi<strong>der</strong> ihrer jeweiligen Religionsgemeinschaft,<br />

die das Wort des An<strong>der</strong>en, beson<strong>der</strong>s des Einen<br />

An<strong>der</strong>en, des Wortes Gottes, vor lauter Vertrautheit<br />

nicht mehr hören und beantworten. Offene<br />

wie dezidierte Positionen bestimmen ihre Gespräche.<br />

Sein Bleiben begründet er mit dem Satz, er, genauer<br />

das Volk Israel, sei schon beim Vater. Von<br />

ihm erfuhr es seinen Weg, lernte es seine Wahrheit,<br />

wird es ins Leben geleitet. Es müsse also<br />

nicht – wie Jesus es von den Völkern erwarte –<br />

Jesus als dem Christus, dem Messias, vertrauen.<br />

Er sei für Israel nicht »<strong>der</strong> Weg, die Wahrheit und<br />

das Leben«, ohne den niemand zum Vater komme<br />

(Joh 14,6). Eugen Rosenstock »zwingt« ihn zu<br />

einer »unrelativistischen Stellungnahme«. Er bejaht<br />

»das Recht dieses Angriffs«. »Je<strong>der</strong> Relativismus<br />

in <strong>der</strong> Weltanschauung ist mir nun verboten.«<br />

2<br />

Diese Position, so schreibt zu Recht <strong>der</strong><br />

katholische Religionsphilosoph Bernhard Casper,<br />

sei heute von den Kirchen akzeptiert. 3<br />

Spät entdeckten<br />

die Kirchen die alte Erkenntnis <strong>der</strong> Evangelien<br />

und vor allem des Paulus: Gottes Berufung<br />

seines Volkes Israel ist nicht wi<strong>der</strong>rufen, weil<br />

Gottes Verheißungen eben unwi<strong>der</strong>ruflich sind<br />

(Rö 9 – 11).<br />

Seine beiden Vettern, <strong>der</strong> Biologe Rudolf Ehrenberg<br />

und <strong>der</strong> Ökonom, Philosoph und Theologe<br />

Hans Ehrenberg, wie sein Freund, <strong>der</strong> Rechtshistoriker<br />

Eugen Rosenstock-Huessy, werden Mitglie<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Evangelischen Kirche. Sie sehen ihren<br />

persönlichen Weg nicht als ein kommodes<br />

»Entreebillet« in die europäische Kultur. Einen<br />

solchen Eingang empfänden sie – wie Rosenzweigs<br />

Eltern – als »Beschämung«. Sie gehen<br />

ihren Weg aus dem Judentum als einen messianischen<br />

Weg, <strong>der</strong> aus eben diesem Judentum<br />

stammt und in seiner Weite möglich ist. Es ist ein<br />

Weitergehen, nicht antijüdisch, son<strong>der</strong>n messianisch-christlich<br />

verstanden. Ihr Christwerden ist<br />

ihnen eine ebenso existentielle wie authentische<br />

Entscheidung, auch von Rosenzweig ausdrücklich<br />

bejaht, wie von ihrer Seite dessen Judebleiben.<br />

Das heißt nicht, dass alle Beteiligten an ihre jüdische<br />

o<strong>der</strong> christliche Lebens- und Denkwelt nicht<br />

überaus kritische Fragen zu stellen hätten.<br />

Rosenzweig und seine Gesprächspartner stehen<br />

für ein selten wie<strong>der</strong> erreichtes Niveau des jüdisch-christlichen<br />

Gesprächs. Kritisch sieht er in<br />

<strong>der</strong> eigenen Gemeinde seit <strong>der</strong> Emanzipation<br />

<strong>epd</strong>-<strong>Dokumentation</strong> 10/2007 49<br />

einen anpasserischen Liberalismus wie eine verengende<br />

Orthodoxie und genau so kritisch <strong>der</strong>en<br />

christliche Varianten einer kulturprotestantischen<br />

Spiritualisierung o<strong>der</strong> eines orthodoxen Dogmatismus.<br />

Die Polemik gegen ein Judentum bzw. ein<br />

Christentum »des Standesamtes« ist deutlich. 4<br />

In <strong>der</strong> das ganze Leben Rosenzweigs begleitende<br />

Diskussion auf Augenhöhe mit dem Vetter und<br />

Freund Hans Ehrenberg geht es um die Grundfrage:<br />

Wie ist das Nein <strong>der</strong> Mehrheit des jüdischen<br />

Volkes zu Jesus von Nazaret als Messias zu verstehen?<br />

Ist es »Verstocktheit«, eine Interpretation,<br />

mit <strong>der</strong> die Christenheit sich erlaubt, unter Verstoßung<br />

Israels sich selbst zum Alleinerben göttlicher<br />

Verheißungen und als »Verus Israel« zu etablieren?<br />

So die traditionelle christliche Theologie.<br />

O<strong>der</strong> aber kommt das Nein Israels aus <strong>der</strong><br />

Treue zum Gott Israels und zum Gott <strong>der</strong> Bibel,<br />

wie Rosenzweig es sieht? »Uns gilt unsere ‚Verstocktheit‘<br />

als Treue«. 5<br />

Die Verwirklichung aller<br />

göttlichen Verheißungen für eine Vollendung <strong>der</strong><br />

Welt und das Kommen des messianischen Gottesreiches<br />

kann doch nicht – wie es die Christen tun<br />

– kleiner geglaubt und wirklichkeitsfreier angesehen<br />

werden.<br />

Die traditionelle christliche Position setzt immer<br />

Israel in eine pejorative Position. Mit dieser Position<br />

hat sich nach <strong>der</strong> Schoa am eindeutigsten<br />

auseinan<strong>der</strong>gesetzt Friedrich-Wilhelm Marquardt<br />

in seinem Aufsatz von 1977‚ »Feinde um unsretwillen‘<br />

– Das jüdische Nein und die christliche<br />

Theologie«. 6 In Auseinan<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong><br />

christlichen Exegese und Lehre konstatiert er,<br />

dass <strong>der</strong> christliche Antijudaismus erst überwunden<br />

ist, wenn wir das jüdische Nein positiv verstehen<br />

– so wie es Paulus (Röm 11,28ff) will: Als<br />

Eröffnung des Weges vom Gott und Volk Israels<br />

zu allen Völkern, den gojim und als Treue zum<br />

Gott Israels und dessen Verheisssungen.<br />

Aber mit dieser Sicht <strong>der</strong> Gleichberechtigung <strong>der</strong><br />

beiden von Gott berufenen Wirklichkeiten Israel<br />

und Kirche ist ebenso notwendig verbunden, dass<br />

die Messiasfrage nicht christlich-monopolistisch<br />

definiert wird. Sie ist offen bis zur Vollendung <strong>der</strong><br />

Welt. Es ist bemerkenswert, dass Dietrich Bonhoeffer<br />

1940 in seiner Fragment gebliebenen<br />

Ethik schreibt: »<strong>Der</strong> Jude hält die Christusfrage<br />

offen«. Er begründet diesen Satz mit <strong>der</strong> Notwendigkeit<br />

eines ständigen Dialogs mit dem Judentum,<br />

<strong>der</strong> nicht nur historisch die jüdische Herkunft<br />

des Christentum anerkennt, son<strong>der</strong>n auch<br />

das Gespräch mit dem zeitgenössischen Judentum<br />

führt – um <strong>der</strong> gemeinsamen, wenn auch<br />

unterschiedlich gefüllten Messiashoffnung willen:

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