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epd Dokumentation online - Der Deutsche Koordinierungsrat der ...

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22 10/2007 <strong>epd</strong>-<strong>Dokumentation</strong><br />

Existenz des Judentums zu vernichten. In die<br />

Systematik ist <strong>der</strong> schizophrene Antagonismus<br />

einer Art Hassliebe des Christentums zum Judentum<br />

eingebaut, obwohl die Systematik gleichzeitig<br />

daraufhin angelegt ist, dass das Christentum<br />

nichts Besseres tun kann, als die Existenz<br />

des Judentums mit allen ihm zur Verfügung stehenden<br />

Mitteln für gut zu befinden. Welche <strong>der</strong><br />

beiden Tendenzen die Oberhand davontragen<br />

wird, lässt sich we<strong>der</strong> mit noch über Rosenzweig<br />

hinaus definitiv sagen. Nur soviel ist klar: in das<br />

Christentum ist wesensmäßig ein Antijudaismus<br />

eingestiftet, <strong>der</strong> nicht ruhen wird, solange es das<br />

Christentum gibt, und d.h. solange die Zuordnung<br />

des Christentums und des Judentums noch<br />

Bestand hat.<br />

� Die Systematik <strong>der</strong> Zuordnung von Judentum<br />

und Christentum ist nicht nur sehr komplementär,<br />

son<strong>der</strong>n – drittens – auch sehr theozentrisch<br />

ausgerichtet. Das ist eine Beruhigung angesichts<br />

<strong>der</strong> beiden oben genannten systemimmanenten<br />

Gegenkräfte, die dazu angetan sind, die klare<br />

Trennung von Judentum und Christentum de<br />

facto zu unterlaufen bzw. zu zerstören. Durch die<br />

Theozentrik verlagert sich das Aktivitätszentrum<br />

des Erlösungshandelns gewissermaßen aus Judentum<br />

und Christentum hinaus auf Gott. Dadurch<br />

gerät die gesamte Zuordnung von Judentum<br />

und Christentum ihrerseits aber unter das<br />

Das »System <strong>der</strong> Philosophie« ist damit an seinen<br />

Endpunkt gelangt. Es besteht nicht mehr o<strong>der</strong><br />

höchstens noch darin, wie Gott es will. Dem, <strong>der</strong><br />

den SE liest, bleibt die Aufgabe, dieser Bewegung<br />

des sukzessiven Abtragens aller Systematisierungen<br />

zuzustimmen und ihr zu folgen. Wer diesen<br />

Vorgang vollkommen verinnerlicht hat, <strong>der</strong> tut,<br />

was Rosenzweig mit den Worten des Propheten<br />

Micha so beschreibt: »Einfältig wandeln mit deinem<br />

Gott« (SE 472). In diesem qualitativen Sinn<br />

1<br />

Den »Stern <strong>der</strong> Erlösung« zitiere ich im folgenden aus <strong>der</strong><br />

Ausgabe im Suhrkamp-Verlag, 1. Auflage 1988, aktuell 8. Auflage<br />

2006. Sie ist seitenidentisch mit <strong>der</strong> Edition des »Sterns <strong>der</strong><br />

Erlösung« in <strong>der</strong> Gesamtausgabe <strong>der</strong> Werke Franz Rosenzweigs<br />

im Verlag Nijhof, die 1976 erschienen ist und nun von Ursula<br />

Rosenzweig in 4. Auflage bei Springer Netherland wie<strong>der</strong> herausgegeben<br />

wird. Ich kürze mit »SE« und Angabe <strong>der</strong> Seite ab.<br />

2<br />

In »Das neue Denken«, (im folgenden abgekürzt ND) geschrieben<br />

vier Jahre nach <strong>der</strong> Veröffentlichung des SE im Jahr 1925,<br />

jetzt in: Franz Rosenzweig, Zweistromland. Kleinere Schriften zur<br />

Religion und Philosophie. Mit einem Nachwort von Gesine Palmer,<br />

Berlin 2001, 210-234. hier 211.<br />

3<br />

ND 211.<br />

Noch einmal: »ins Leben«<br />

Anmerkungen:<br />

Vorzeichen <strong>der</strong> Vorläufigkeit. Die Arbeitsteilung<br />

wird demnach nur und genau solange Bestand<br />

haben wie die Religionen selber – also bis Gott<br />

über sie richten wird am »jüngsten Tag«. Das aber<br />

kann sehr bald sein, genauer: jetzt, heute. Weil<br />

Gott <strong>der</strong> oberste Punkt dieser Systematik ist, ist<br />

sie bei allem Fortbestand zugleich auch je<strong>der</strong>zeit<br />

wi<strong>der</strong>rufbar. Das Eintreten <strong>der</strong> Erlösung ist das<br />

Ende <strong>der</strong> systematischen Ordnung – und mithin<br />

genau das, woraufhin die Ordnung des Systems<br />

abzielt. Sie zielt auf Gottes baldiges Eingreifen<br />

und damit auf ihre eigene Suspendierung durch<br />

Gott selbst.<br />

Den letzten Punkt schreibt Rosenzweig all denen<br />

ins Stammbuch, die nicht gelassen genug sind,<br />

um die Herbeiführung des Reiches Gottes letztlich<br />

ganz Gott selbst zu überlassen und bei ihrem<br />

eigenen Beitrag in ihrem unmittelbaren Umfeld<br />

bei ihrem eigenen unmittelbar Nächsten zu beginnen.<br />

Das sind die gläubigen Schwärmer aller<br />

Art, die sich selbst und ihre Vorstellungen vom<br />

Zeitpunkt und <strong>der</strong> Art des Eintreffens des Reiches<br />

Gottes an die Stelle Gottes selber setzen. Es sind<br />

mit Rosenzweigs Ausdruck die »Tyrannen des<br />

Himmelreichs«. Sie haben sozusagen eine fixe<br />

Systematik im Kopf, die sie nicht Gott überlassen<br />

können. Dadurch übersehen sie aber die unmittelbare<br />

Not um sich selbst herum.<br />

spricht Rosenzweig von »Leben« und setzt es <strong>der</strong><br />

Form des Denkens entgegen, bei <strong>der</strong> die Bildung<br />

von Systemen im Vor<strong>der</strong>grund steht und die er<br />

»Philosophie« nennt. In diesem Sinn gelangt tatsächlich<br />

nur <strong>der</strong>, <strong>der</strong> Philosophie ablegt, »ins<br />

Leben« (SE 472). Wenn man das Gegenteil davon<br />

»Denken« nennen will, dann ist alles Denken und<br />

damit auch die gesamte Bewegung vom ersten bis<br />

zum letzten Teil im SE selbst »bloß ein System<br />

<strong>der</strong> Philosophie«.<br />

4<br />

Vgl. ND 211.<br />

5<br />

Da es sich bei den vorliegenden Ausführungen um die schriftliche<br />

Fassung eines mündlichen Vortrags handelt, verzichte ich im<br />

folgenden auf ausführliche Nennung von Referenzen auf die in <strong>der</strong><br />

Zwischenzeit umfangreiche Sekundärliteratur zu Rosenzweig und<br />

insbeson<strong>der</strong>e zum SE. Auf ein einziges Sekundärwerk sei gleichwohl<br />

verwiesen, weil es den Einstieg in den SE wirklich sehr<br />

erleichtert: Norbert M. Samuelson, A user‘s guide to Franz Rosenzweig‘s<br />

Star of Redemption, Richmond Surrey: Curzon, 1999.<br />

6<br />

ND 211.<br />

7<br />

ND 223.

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