epd Dokumentation online - Der Deutsche Koordinierungsrat der ...
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66 10/2007 <strong>epd</strong>-<strong>Dokumentation</strong><br />
er wird mir hoffentlich die unverschämte Form verzeihen)<br />
sein <strong>der</strong>einstiges »o<strong>der</strong>« sprechen können.<br />
Seien wir also <strong>Deutsche</strong> Und Juden. Beides, ohne<br />
uns um das »und« zu sorgen, ja ohne viel davon zu<br />
reden, – aber wirklich beides. Wie, das ist im Grunde<br />
eine – Taktfrage. Allgemeine Vorschriften lassen<br />
sich darüber kaum geben. Wo im Leben des Einzelnen<br />
<strong>der</strong> Schwerpunkt liegen soll, ob überhaupt ein<br />
Schwerpunkt und nicht zwei, und wie sich die Massen<br />
zwischen diesen Schwerpunkten verteilen mögen,<br />
– das sind alle Dinge, die je<strong>der</strong> Einzelne für<br />
sich und mit sich selbst entscheiden muß. Aber er<br />
muß entscheiden können. Man muß ihm die Fähigkeit<br />
dazu geben. Das Leben würde ich nimmermehr<br />
zu reglementieren wagen. Das würde ja <strong>der</strong> Unbeschriebenheit<br />
des »und« wi<strong>der</strong>sprechen, die mir wie<br />
Sie sahen gradezu eine Glaubensnotwendigkeit ist.<br />
Die Entscheidung bleibt frei. Aber die Entscheidungsmöglichkeit<br />
wird gegeben. ... Je<strong>der</strong> soll das<br />
Judentum als Judentum kennen lernen, wie er das<br />
Deutschtum kennen lernt. Dann kann er sich seine<br />
Weise, das »und« zu leben, aussuchen. Wie die<br />
Dinge lagen, konnte er das nicht; das Judentum war<br />
ihm allenfalls ein Begriff, das Deutschtum jedenfalls<br />
eine Wirklichkeit. Da gab es keine Wahl; Wirklichkeiten<br />
überrennen Begriffe. O<strong>der</strong> vielmehr richtiger<br />
gesagt: da gab es nur Wahl, nur »o<strong>der</strong>«. Und ich<br />
möchte uns wie<strong>der</strong> die Freiheit zum »und« schaffen,<br />
die ich selber nur zufälligen persönlichen Umständen<br />
verdanke. ...<br />
Mit herzlichen Grüßen an Sie und Ihren Mann und die<br />
Kin<strong>der</strong> bin ich Ihr Franz Rosenzweig, <strong>Deutsche</strong>r und<br />
Jude, und nun allerdings, nach freier Wahl und Entscheidung<br />
mit dem Schwergewicht (mag auch meine<br />
Masse noch auf dem Ersten ruhen), mit dem Ton<br />
des persönlichen Willens auf dem Zweiten. – ecce<br />
deus fortior me, wie‘s Ihr Dante nel libro della memoria<br />
sua sagt.<br />
V.1 [491] An Hedwig Cohn-Vohssen, 7.3.1918<br />
Hochverehrte gnädige Frau, ja allerdings – <strong>der</strong><br />
Standpunkt ist reichlich verschieden, aber »weit<br />
auseinan<strong>der</strong>« sind wir deswegen noch lange nicht;<br />
Sie vielleicht weg von mir, ich aber nicht weit weg<br />
von Ihnen.<br />
Zunächst, um das vorweg zu erledigen: ich wusste<br />
ja von Ihrer zionistischen Gesinnung; Hermann Badt<br />
hatte mir davon erzählt. Wenn ich mich trotzdem an<br />
Sie wandte, so meine ich also wohl, daß die jüdi-<br />
V. Über innerjüdische Zustände<br />
IV.2 [847] An Rudolph Hallo, Ende Januar<br />
1923<br />
...<br />
Ich habe ja vielleicht eine beson<strong>der</strong>e Harmlosigkeit<br />
gegenüber dem Problem Deutschtum und Judentum.<br />
Ich glaube, die Verjudung hat aus mir keinen<br />
schlechteren son<strong>der</strong>n einen besseren <strong>Deutsche</strong>n<br />
gemacht. Ich halte die Generation vor uns ... wirklich<br />
für keine besseren <strong>Deutsche</strong>n als uns. Und <strong>der</strong><br />
Stern wird wohl einmal mit Recht als ein Geschenk,<br />
das <strong>der</strong> deutsche Geist seiner jüdischen Enklave<br />
verdankt, angesehen werden. O<strong>der</strong> denke an Hermann<br />
Cohen; es ist sicher kein Zufall, dass sein<br />
bedeutendstes Buch sein jüdisches geworden ist.<br />
Über diese Sachen rede ich nicht gern, seit dem<br />
Rathenaumord noch weniger gern als vorher. Unsere<br />
Arbeit wird uns von Deutschland höchstens posthum<br />
honoriert, aber darum tun wir sie doch, solange<br />
wir sie in Deutschland tun, für Deutschland.<br />
.....<br />
Also ich, was mich angeht, fürchte mich we<strong>der</strong> vor<br />
hebräischen Lie<strong>der</strong>n, noch glaube ich durch meinen<br />
Verzicht auf Schweinefleisch das Deutschtum, woran<br />
ich Anteil habe, verloren zu haben. Versuch du<br />
auch einmal, an diesem Punkt, ich meine in <strong>der</strong><br />
Frage Deutschtum und Judentum, etwas harmloser<br />
zu sein. Als man mich in Hamburg ... vor die diversen<br />
Gretchenfragen stellte, fragte einer – <strong>der</strong> Vorsitzende<br />
des C.V. natürlich – auch diese. Da habe<br />
ich erwi<strong>der</strong>t, die Antwort auf diese Frage lehnte ich<br />
ab; wenn das Leben mich einmal auf die Folter<br />
spannen würde und mich in zwei Stücke reißen, so<br />
wüsste ich freilich, mit welcher <strong>der</strong> beiden Hälften<br />
das Herz, da ja unsymmetrisch gelagert sei, mitgehen<br />
würde; ich wüsste auch, daß ich diese Operation<br />
nicht lebendig überstehen würde; die Herren<br />
wollten mich aber doch lebendig haben, und da<br />
müsste ich sie schon bitten, mich nicht auf die Folter<br />
dieser im wahren Sinn lebensgefährlichen Frage<br />
zu stellen, son<strong>der</strong>n mich ganz zu lassen. ...<br />
sche Theologie eine Sache ist, die all Juden ohne<br />
Unterschied <strong>der</strong> Richtungen gleichmäßig angeht. ...<br />
Mir persönlich sind ja die Richtungen höchst gleichgültig;<br />
ich wünsche beiden, sowohl den Zionisten<br />
wie den Centralvereinlern, dass sie ein bißchen –<br />
jüdischer werden. ... Also Sie sehen, ich nehme Ihre<br />
Ablehnung noch gar nicht so endgültig und hoffe<br />
immer noch. ...<br />
Jedenfalls – <strong>der</strong> Fußtritt, <strong>der</strong> den Bru<strong>der</strong>, weil er<br />
nicht genau so will wie ich, lieber gleich ins Bodenlose,<br />
ins Nichts hinabstößt, das ist Sektiererpolitik.