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epd Dokumentation online - Der Deutsche Koordinierungsrat der ...

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52 10/2007 <strong>epd</strong>-<strong>Dokumentation</strong><br />

die« auf Judentum und Christentum. 17 Er ist »von<br />

vornherein Religion und will gar nichts an<strong>der</strong>es<br />

sein; er ist mit Bewusstsein ‚gestiftet‘«.<br />

Diese religionskritische Sicht erinnert an Karl<br />

Barth, für den die Religionen in ihrer Religionshaftigkeit<br />

»Unglaube«, die »Angelegenheit des<br />

gottlosen Menschen« sind – das Christentum eingeschlossen.<br />

18 Immer wie<strong>der</strong> ruft Gottes lebendige<br />

Stimme und Wort, seine Offenbarung aus dem<br />

Gehäuse <strong>der</strong> Religion, aus dieser »Babylonischen<br />

Gefangenschaft <strong>der</strong> Kirche«, für die F. Dostojewskis<br />

Großinquisitor <strong>der</strong> prototypische Vertreter ist,<br />

heraus. An<strong>der</strong>erseits ist für Barth Religion das<br />

»menschliche Gesicht« <strong>der</strong> Offenbarung. 19<br />

Während seiner Übersetzung <strong>der</strong> Gedichte Jehudas<br />

Halevis liest Rosenzweig immer wie<strong>der</strong> Karl<br />

Barth. Er findet ihn – im Gegensatz zu Sören<br />

Kierkegaards existentiellem Denken – zu abstrakt.<br />

Er ahnt nichts von dem Ringen um Predigt und<br />

Unterricht, um soziale Gerechtigkeit in Barths<br />

Gemeinde Safenwil, woraus die existentiell<br />

höchst lebendigen Fragen und die Kirchen- wie<br />

Religionskritiken Barths stammen. Gott als <strong>der</strong><br />

»ganz An<strong>der</strong>e«, er sollte zu einer an ihn »gewöhnlich-gewöhnten«<br />

Christenheit wie<strong>der</strong> neu<br />

sprechen. Das war des jungen Barth Abschied<br />

von je<strong>der</strong> Theologie und Religion, die vom Menschen<br />

ausgeht. Damals, in <strong>der</strong> Aufbruchzeit <strong>der</strong><br />

Wort-Gottes-Theologie war für ihn, so wird Barth<br />

später erzählen, »<strong>der</strong> Mond nur halb zu sehen,<br />

und ist doch rund und schön« (Matthias Claudius).<br />

Zum vollen Schein des Mondes gehören<br />

später in seiner kirchlichen Dogmatik konstitutiv<br />

humane Ethik und die Entdeckung <strong>der</strong> bleibenden<br />

Erwählung Israels und ihrer Bewährung im<br />

Kirchenkampf gegen das NS-Regime, obwohl<br />

traditionelle Relikte eines Denkens bei Barth nicht<br />

ganz verschwunden sind, die Juden theologisch<br />

herabwürdigen, z.B. als »Spiegel des Zornes<br />

Gotttes« im Vergleich zum »Spiegel <strong>der</strong> Gnade«,<br />

<strong>der</strong> zu sein er <strong>der</strong> Kirche zuschreibt. 20<br />

Aber eine an<strong>der</strong>e Parallele zwischen Barth und<br />

Rosenzweig ist für unseren Zusammenhang<br />

wichtiger. Es ist die Rede von <strong>der</strong> Schwierigkeit,<br />

Theologie zu treiben. Sie erfährt Gott und seine<br />

Offenbarung als »totaliter aliter« gegenüber allen<br />

menschlichen, gerade auch religiösen Zugriffen,<br />

wie es die von Sören Kierkegaard und Karl Barth<br />

benutzte Formel auszudrücken versucht. »Die<br />

Unterschiedenheit von Gott und Mensch, dieser<br />

furchtbare Anstoß für alles neue und alte Heidentum,<br />

<strong>der</strong> beleidigende Gedanke <strong>der</strong> Offenbarung,<br />

dies Hereinstürzen höheren Inhalts in unwürdiges<br />

Gefäß, ist zum Schweigen gebracht.« 21<br />

Wenn christlicherseits eine idealistische (Jesus als<br />

<strong>der</strong> ideale Mensch) o<strong>der</strong> gar historische Selbstvergewisserung<br />

(wie z.B. in <strong>der</strong> Leben Jesu Forschung)<br />

Platz greifen würde; und jüdischerseits<br />

eine »Judenvolkstheologie«, die das Volk vergöttert,<br />

dann ist dagegen die Unverfügbarkeit <strong>der</strong><br />

göttlichen Offenbarung neu zu lernen. Das jüdische<br />

Volk verlöre die drei Strahlen des Sterns <strong>der</strong><br />

Erlösung: »Gottes Macht und Demut, des jüdischen<br />

Menschen Auserwähltheit sowie <strong>der</strong> jüdischen<br />

Welt Diesseitigkeit und Zukünftigkeit.« 22<br />

Im ersten Teil insistiert Rosenzweig »In Philosophos!«<br />

auf dem Ursprung <strong>der</strong> Wahrheit in Gott,<br />

und nennt die Schwierigkeit <strong>der</strong> Theologie: »Von<br />

Gott wissen wir nichts. Aber dieses Nichtwissen<br />

ist Nichtwissen von Gott. Als solches ist es <strong>der</strong><br />

Anfang unseres Wissens von Gott.« 23 Rosenzweig<br />

drückt präzise die Fremdheit und die Nähe, die<br />

Schwierigkeit, von Gott zu reden, und die Offenheit<br />

für Gott aus.<br />

Barth schreibt zur gleichen Zeit einen ähnlichen<br />

Gedanken nie<strong>der</strong>: »Wir sollen als Theologen von<br />

Gott reden. Wir sind aber Menschen und können<br />

als solche nicht von Gott reden. Wir sollen Beides,<br />

unser Sollen und unser Nicht-Können, wissen<br />

und eben damit Gott die Ehre geben.« 24<br />

Gegen<br />

jedes pausbäckige o<strong>der</strong> folkloristische Reden von<br />

und mit Gott, gegen jedes liturgische und dogmatische<br />

Einfangen Gottes in Sätze und Rituale wird<br />

hier von beiden Denkern dialektisch an das erste<br />

Gebot erinnert: Gott in seiner Unverfügbarkeit die<br />

Ehre zu gegen und zugleich – auch das sagt das<br />

erste Gebot – auf die tatsächliche Selbsterschließung<br />

Gottes in <strong>der</strong> erwählenden Berufung und<br />

konkreten Befreiung aus Zwangsarbeit und<br />

Fremdbestimmung in Ägypten zu hören – und<br />

dort, im Christentum Barths, die Selbsterschließung<br />

Gottes in Jesus von Nazaret zu vernehmen<br />

und entsprechend zu leben. Auf christlicher Seite<br />

hat diese Barthschen und Rosenzweigschen Gedanken<br />

am originellsten aufgenommen <strong>der</strong> holländische<br />

Protestant Kornelis Heiko Mislotte in<br />

seinem Buch »Wenn die Götter schweigen«. Es<br />

erschien zuerst 1956 in den Nie<strong>der</strong>landen und hat<br />

zwei Vorläufer, die zum Schaden <strong>der</strong> Christenheit<br />

zu wenig zur Kenntnis genommen wurden. 1932<br />

stellte er »Das Wesen des Judentums« einer<br />

christlichen Welt vor, die meinte aus dem Alten<br />

Testament (in christlicher Interpretation!) und<br />

aus dem Johannesevangelium wie von Paulus<br />

genug über »das« Judentum zu wissen. 1939 veröffentlichte<br />

er »Edda en Tora. Een vergelijking<br />

van germaansche en Israelitische religie«. Diese<br />

Schriften arbeiten nicht zuletzt die Kritik an allen<br />

Nationalismen (und an<strong>der</strong>en, sich absolut set-

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