4 : 2010 - marke41
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4 : <strong>2010</strong><br />
marke 41<br />
Service<br />
Tour d’horizon von Wolfgang K.A. Disch<br />
Methoden der Neuroökonomie für die<br />
Markenführung<br />
Das Gehirn als Entscheidungsorgan ist so komplex,<br />
4. dass die Hoffnung einer einfachen Erklärung des<br />
Konsumentenverhaltens überzogen ist. Gleichwohl<br />
können Arbeiten im Bereich der Consumer Neuroscience<br />
wertvolle Beiträge für die Konsumentenverhaltensforschung<br />
leisten. Aktuell werden die ersten Erkenntnisse<br />
noch durch geringe Fallzahlen, fehlende<br />
Replikationen und methodische Fragen limitiert. Man<br />
sollte sie daher vorsichtig interpretieren und nicht metaphorisch<br />
überstrapazieren.<br />
Auch ist das Forschungsgebiet durch relativ hohe<br />
Eintrittsbarrieren nicht nur in methodischer, sondern<br />
auch in fachlicher Hinsicht gekennzeichnet. Die Anzahl<br />
der verfügbaren Technologien (z.B. fMRT-Scanner)<br />
ist begrenzt und deren Nutzung oft mit hohen<br />
Kosten verbunden. Zudem gibt es ethische Grenzen,<br />
die zu beachten sind.<br />
Insgesamt zeigt sich aber, dass die Integration neurowissenschaftlicher<br />
Methoden und Erkenntnisse in<br />
die Marketingforschung keinen revolutionären Angriff<br />
auf bestehende, etablierte Ansätze darstellt, sondern<br />
vielmehr eine fruchtbare Weiterentwicklung ihrer Methoden<br />
zur Untersuchung des Konsumentenverhaltens<br />
bildet. Sie greift damit eine Idee auf, die bereits vor<br />
vielen Jahren von Kroeber-Riel formuliert wurde, vielleicht<br />
aber zwischenzeitlich etwas in Vergessenheit<br />
geraten ist.<br />
Dieter Ahlert und Marco Hubert:<br />
consumer Neuroscience – Anwendung und Nutzen<br />
neurowissenschaftlicher Mess- und Analysemethoden<br />
in der Konsumentenverhaltensforschung<br />
Marketingforscher sind vor allem daran interes-<br />
5. siert, zu erfahren, wie Markenabbildungen, Markenwahlprozesse<br />
oder berühmte Personen in der Werbung<br />
Hirnaktivitäten auslösen. Auch wenn<br />
mittlerweile hierzu vielfältige Untersuchungsergebnisse<br />
vorliegen, so sind die Verfahren nach wie vor<br />
kostspielig (ca. 300 Euro pro Proband), verlangen einen<br />
hohen wissenschaftlichen Aufwand und sind nur bei<br />
kleinen Stichproben durchführbar.<br />
Der u.E. schwerwiegendste Nachteil ist, dass diese<br />
Verfahren nicht am Point-of-Sale (also am Point-of-<br />
Decision) eingesetzt und (noch) nicht bei der Wirkungsmessung<br />
von längeren Werbespots verwendet<br />
werden können. Daher sind die psychophysiologischen<br />
Experimente, die einfach und günstig zu erfassende<br />
Indikatoren wie Herzschlagrate oder Elektrodermale<br />
Aktivität erfassen, nach wie vor, insbesondere für Feldversuche<br />
mit größeren Stichproben, unabdingbar.<br />
Andrea gröppel-Klein:<br />
Psychophysiologie und Konsumentenverhaltensforschung<br />
Die bislang durchgeführten Experimente haben<br />
6. gezeigt, dass Marken gemäß ihrer Präferenz zu abgestuften<br />
Aktivierungsmustern im Gehirn führen. Es<br />
hat sich weiter gezeigt, dass die Validität von abgefragten<br />
Maßen durch die Korrelation mit der Gehirnaktivierung<br />
sinnvoll beurteilt werden kann. Voraussetzung<br />
dafür ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Neuropsychologen<br />
auf der einen und Marktforschern auf der<br />
anderen Seite. Erst dadurch ist es möglich, ergiebige<br />
Testdesigns zu entwickeln und die Ergebnisse sachgerecht<br />
zu interpretieren.<br />
Die Interpretation sollte jedoch mit der gebotenen<br />
Vorsicht geschehen. Dies ist schon wegen der geringen<br />
Stichprobengrößen notwendig, die bei solchen Versuchen<br />
üblich sind. Sie ist aber auch erforderlich, weil<br />
für die Zuordnung konkreter psychischer Funktionen<br />
zu bestimmten Hirnarealen teilweise noch zu wenig<br />
gesicherte Erkenntnisse vorliegen.<br />
Doch bei aller Vorsicht wurden die Ergebnisse doch<br />
als so lohnend empfunden, dass derzeit weitere Experimente<br />
zu Validierung von Maßen vorbereitet werden,<br />
welche in der Werbewirkungsforschung eingesetzt<br />
werden.<br />
raimund Wildner und lutz Jäncke:<br />
validierung von Messinstrumenten für die Markenstärke mit<br />
bildgebenden verfahren<br />
ergebnisse der neuroökonomischen forschung<br />
für die Markenführung<br />
Das Belohnungssystem des Menschen ist entschei-<br />
7. dend für seine Motivation und Entscheidungsprozesse.<br />
Ein besseres Verständnis dieser Strukturen in<br />
Hinblick auf ihre Beteiligung im Konsumentenverhalten<br />
wird es erlauben, präzisere Theorien über Produktwahrnehmungen<br />
und -entscheidungen zu formulieren.<br />
Es bleibt abzuwarten, inwieweit die neuen neurophysiologischen<br />
Methoden, wie die funktionelle Magnetresonanztomographie,<br />
eine routinierte Rolle in der<br />
Marktforschung spielen werden oder hauptsächlich<br />
von akademischem Interesse bleiben werden.<br />
Um die Kosten dieser Methoden zu rechtfertigen,<br />
muss zunächst gezeigt werden, dass sie einen wirklichen<br />
zusätzlichen Nutzen für Unternehmen liefern.