Netzpolitik ist Wirtschaftspolitik - Wirtschaftsjournal
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Am Nerv der Zeit<br />
Chemnitzer Künstlerin rückt alte Gebäude ins rechte Licht<br />
Künstlerin Peggy Albrecht<br />
Chemnitzer Motive gehören zum Markenzeichen<br />
der Künstlerin, rechts der<br />
Poelzig-Bau und in der Mitte die Alte<br />
Post.<br />
1974 in Karl-Marx-Stadt geboren,<br />
absolvierte sie später ein<br />
Studium der Angewandten<br />
Kunst an der Westsächsischen<br />
Hochschule Zwickau. Über einen<br />
längeren Zeitraum lebte sie in<br />
England und perfektionierte<br />
ihren Stil. Seit 1998 lebt sie als<br />
freischaffende Künstlerin und<br />
Designerin in Chemnitz, 2006<br />
zog sie mit ihrem Atelier mit<br />
Siebdruckwerkstatt auf dem<br />
Brühl.<br />
Weitere Informationen:<br />
www.spangeltangel.de<br />
www.peggyalbrecht.de<br />
www.galerie-weise.de<br />
wirtschaftsjournal.de/id12115301<br />
Auf dem Weg zu meinem Termin mit der Chemnitzer Künstlerin<br />
Peggy Albrecht laufe ich zum ersten Mal bewusst über<br />
den Chemnitzer Brühl. Die Vergleichbarkeit zu einer Geis -<br />
terstadt lässt mich kurz frösteln. Über manchen Eingängen<br />
sind noch die Namensschilder der einstigen Geschäfte zu<br />
lesen. Wie es hier wohl früher aussah? Mit diesen Fragen<br />
setzt sich auch Peggy Albrecht auseinander, die in der Fußgängerzone<br />
ein Atelier mit anliegendem Geschäft betreibt.<br />
Nicht nur farbliche Kontraste<br />
„Vielen Bürgern sind die leer stehenden Lagerhallen, längst<br />
verfallenen Fabrikgebäude und alten Geschäftshäuser ein<br />
Dorn im Auge. Für mich jedoch sind sie auch ein fester<br />
Bestandteil der Stadtgeschichte“, betont Peggy Albrecht.<br />
„Bedingt durch die H<strong>ist</strong>orie wurden der Stadt Chemnitz ihre<br />
Wurzeln genommen. Heute finden sich auf engstem Raum<br />
Baustiele aus den unterschiedlichsten Epochen. Diese Gegensätze<br />
greife ich in meinen Bildern auf und zeige die Architektur<br />
einer Stadt, die durch Brüche und ständige Veränderung<br />
geprägt <strong>ist</strong>“, so die Künstlerin.<br />
Peggy Albrecht <strong>ist</strong> sicher in der Anwendung der unterschiedlichsten<br />
künstlerischen Techniken, seien es alle nur<br />
möglichen Druckverfahren, sei es die Fotografie und nicht<br />
zuletzt die Malerei. Während das Stadtbild durch die vorherrschenden<br />
architektonischen Kontraste geprägt <strong>ist</strong>, setzt<br />
die Künstlerin bei der Gestaltung ihrer Bilder auf farbliche<br />
Gegensätze. Dem stets dunklen Siebdruck der Gebäude stehen<br />
intensive Farbspiele gegenüber. „Damit hauche ich den<br />
scheinbar toten Räumen wieder Leben ein und setze sie in<br />
ein neues Licht“, so Albrecht. Ein weiterer Aspekt, den die<br />
Künstlerin in ihren Werken verarbeitet, <strong>ist</strong> das Verhalten der<br />
Chemnitzer Bürger. „Viele finden Chemnitz unattraktiv,<br />
gleichzeitig identifizieren sie sich mit der Stadt als ihrer Heimat.<br />
Eben dies macht das Thema für mich umso interessanter.“<br />
KulTour<br />
Kunst im Sächsischen Landtag zu sehen<br />
Dass sie mit dieser Idee den Nerv der Zeit getroffen hat,<br />
zeigt der Erfolg, den sie mit ihren Kunstwerken feiert. Vor<br />
sieben Jahren präsentierte die Galerie Weise zum ersten<br />
Mal die Stadtansichten von Chemnitz. Hier wurden ihre Bilder<br />
sogar für eine Marketingkampagne der Stadt Chemnitz<br />
entdeckt. Im kommenden Frühjahr werden bis zu 100 Werke<br />
im Sächsischen Landtag zu sehen sein. „Der große Reiz der<br />
Bilder entsteht aus der Spannung zwischen Gewesenem<br />
und Möglichem“, so Bernd Weise. „Die Bilder von Peggy<br />
Albrecht erinnern an die Vergangenheit und an die Zeit, in<br />
der wir uns befinden. Sie machen uns deutlich, dass die Vergangenheit<br />
unwiederbringlich <strong>ist</strong> und dass keiner weiß, was<br />
kommen wird.“ Doch nicht nur Chemnitz spielt in den urbanen<br />
Porträts eine Rolle. „Immer wieder bere<strong>ist</strong>e ich verschiedene<br />
Städte, darunter Edinburgh und St. Petersburg.<br />
Alle dabei gewonnenen Eindrücke habe ich in meinen Bildern<br />
verarbeitet“, so die Künstlerin<br />
Vor sechs Jahren eröffnete sie auf dem Chemnitzer Brühl<br />
ein Atelier mit Siebdruckwerkstatt und entwickelte ihr eigenes<br />
Modelabel „Spangeltangel“. Heute präsentiert sich dem<br />
Besucher ein gemütlicher kleiner Laden voller ausgefallener<br />
Kleidung und Taschen. Neben dem Atelier gibt es allerdings<br />
kaum weitere Geschäfte in der verfallenen Fußgängerzone.<br />
Peggy Albrecht kann die Vielzahl an Projekten, die<br />
zur Wiederbelebung des Karees dienen sollten, schon gar<br />
nicht mehr zählen. „Andere Städte träumen von einer Fußgängerzone,<br />
wie wir sie hier haben. Ich bin dennoch zuversichtlich,<br />
dass am Brühl irgendwann wieder Leben einkehren<br />
wird“, sagt sie, als wir uns verabschieden. Bis es allerdings<br />
soweit <strong>ist</strong>, wird Peggy Albrecht die Gebäude weiter<br />
auf der Leinwand zum Leben erwecken.<br />
Stefanie Rudolph<br />
<strong>Wirtschaftsjournal</strong> | November 2012<br />
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