Netzpolitik ist Wirtschaftspolitik - Wirtschaftsjournal
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Chr<strong>ist</strong>entum und Kapitalismus<br />
Michael Sitte-Zöllner von der Agentur WortReich spürte dem chr<strong>ist</strong>lichen Herz der Marktwirschaft nach<br />
Robert Grözinger, Diplom-Ökonom,<br />
Jahrgang 1965, studierte in Braunschweig<br />
und Hannover. Er arbeitete als<br />
Lehrer für Wirtschaftswissenschaften,<br />
freier Journal<strong>ist</strong> und Übersetzer in England,<br />
wo er Mitglied der anglikanischen<br />
Kirche <strong>ist</strong>. Er <strong>ist</strong> Autor des Buches „Wer<br />
<strong>ist</strong> Ron Paul? Der Kandidat aus dem<br />
Internet" und verfasst seit 2001 zahl -<br />
reiche Artikel im Magazin eigentümlich<br />
frei.<br />
wirtschaftsjournal.de/id12115701<br />
Mar ti tin Suter Sut t<br />
Di e ZZeit eit, t,<br />
di e Zeit<br />
Roma oman · Diogge enes n<br />
Martin Suter, Die Zeit, die Zeit<br />
Roman, Hardcover Leinen, 304 Seiten,<br />
Erschienen im September 2012,<br />
ISBN 978-3-257-06830-6<br />
wirtschaftsjournal.de/id12115702<br />
„Betrachtet man die hierzulande von chr<strong>ist</strong>lichen Organisationen<br />
zu Phänomen wie Privateigentum, Zins und Profit<br />
oder ganz allgemein zu Fragen der Wirtschaft, abgegebene<br />
Stellungnahmen, so kann einen ganz leicht der Verdacht<br />
beschleichen, bei Jesus von Nazareth habe es sich<br />
um den ersten Sozial<strong>ist</strong>en der Menschheitsgeschichte gehandelt.<br />
Die bei jeder sich bietenden Gelegenheit von Caritas,<br />
Diakonie oder Katholischer Sozialakademie (und speziell<br />
bei evangelischen Gottesdiensten -Anm. MSZ) formulierte<br />
Kapitalismuskritik könnte gar nicht schärfer ausfallen, als<br />
würde sie von Aktiv<strong>ist</strong>en der Roten Falken abgesondert";<br />
so der Kaufmann Andreas Tögel.<br />
Der gelernte Ökonom Robert Grözinger wählt einen<br />
anderen Ansatz, indem er die Bibel anhand vieler Fundstellen<br />
aus eben ökonomisch-marktwirtschaftlicher Sicht<br />
beleuchtet. „In seiner Schrift … zeigt Robert Grözinger<br />
in brillanter Weise, dass Religion nicht nur eine unverzichtbare<br />
Nützlichkeitsfunktion zur Bewahrung und Ordnung<br />
der Freiheit hat, sondern dass sie beide, Chr<strong>ist</strong>entum<br />
und Marktwirtschaft … einander ex<strong>ist</strong>enziell bedingen<br />
und ideal ergänzen.**<br />
Das sehr verständlich geschriebene und mit dem Vergnügen<br />
des Gewinnes neuer Erkenntnisse zu lesende Buch<br />
widmet sich in einzelnen Kapiteln mit oben genannter<br />
Methodik, immer mit klarem Verweis auf Bibelzitate, den<br />
„Goldenen" Regeln, Steuern, Geld (Lediglich die „Liebe<br />
Das Geheimnis der Zeit<br />
Wer wollte nicht schon einmal die Zeit zurückdrehen, um<br />
etwas ungeschehen machen zu können oder die Zeit anhalten,<br />
um einen schönen Moment länger auszukosten. Leider<br />
geht das nicht – oder doch?<br />
Die beiden Protagon<strong>ist</strong>en im neuen Buch des Schweizer<br />
Schriftstellers Martin Suter wagen ein Experiment. Beide<br />
haben ihre Frauen verloren und trauern, auf sehr verschiedene<br />
Weise. Der eine führt seit einem Jahr jeden Abend die<br />
immergleichen Handgriffe aus, um sich daran zu erinnern,<br />
was schiefgelaufen <strong>ist</strong>, als seine Frau direkt vor der Haustür<br />
erschossen wurde. Der andere will alle sichtbaren Veränderungen<br />
der letzten zwanzig Jahre rückgängig machen,<br />
um an den Tag zurückzukehren, an dem er die verhängnisvolle<br />
Entscheidung zu einer Urlaubsreise traf, nach der seine<br />
Leseecke<br />
zum Geld", nicht das Geld als solches sei nach Paulus die<br />
„Wurzel des Übels".), Zinseinnahmen, der Tempelreinigung,<br />
dem Verhältnis von Jesus zu den Reichen wie dem barmherzigen<br />
und räuberischen Samariter, dem Privateigentum<br />
und individueller Freiheit, Mammon, Geld und Wachstum,<br />
dem Ökologismus, den politischen und Staatsreligionen.<br />
Grözinger benennt die Mönche als erste moderne Kapital<strong>ist</strong>en,<br />
charakterisiert die Inflation als „Dampfwalze der<br />
gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, kulturellen und spirituellen<br />
Zerstörung" und vieles andere mehr.<br />
Fazit: Die Schriften des Alten wie auch des Neuen Testaments<br />
gebieten geradezu Verhaltensweisen, die den unverzichtbaren<br />
Rahmen des Kapitalismus darstellen: Die Achtung<br />
des Privateigentums und die Einhaltung von Verträgen,<br />
die Gleichheit aller vor dem Recht und ein gesundes<br />
Misstrauen dem Staat gegenüber.<br />
*Aus dem Vorwort von Roland Baader ** ebenso<br />
Martin Suter lädt in seinem neuen Roman zu einem Zeitexperiment ein<br />
Robert Grözinger –<br />
Jesus, der Kapital<strong>ist</strong><br />
Das chr<strong>ist</strong>liche Herz der<br />
Marktwirtschaft<br />
Finanzbuchverlag München ,<br />
2012 – 192 S.; 12,99 Euro,<br />
ISBN978-3-89879-711-5<br />
Frau an Malaria verstarb. „Die Zeit gibt es nicht, es gibt nur<br />
Veränderung", behauptet der schrullige Rentner Knupp und<br />
versucht, den Nachbarn von gegenüber, Peter Taler, für sein<br />
Zeitexperiment zu bege<strong>ist</strong>ern, das er nicht ohne Hilfe durchführen<br />
kann. Es werden Fotos analysiert, Landschaftsgärtner<br />
engagiert, Rechnungen fingiert und die Nachbarn verunsichert,<br />
sogar bedroht. Ein Zeitexperiment <strong>ist</strong> harte Arbeit.<br />
Doch es wird keine Zeitreise, auf die sich die beiden begeben,<br />
und Suters bedächtige Sprache lässt die Leser nicht<br />
durch die Geschichte eilen, ganz im Gegenteil. Bevor die<br />
Handlung an Spannung und Tempo gewinnt, bleibt genügend<br />
Raum für philosophische Rückblicke und eigene Überlegungen<br />
der Art „Was wäre gewesen wenn..."<br />
Simone Pflug<br />
<strong>Wirtschaftsjournal</strong> | November 2012<br />
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