Foto: Hubertus Hamm
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! Ungefähr 3000 Meter. Wenn die geologischen<br />
Bedingungen stimmen, kann man in diesen<br />
Tiefen die entsprechende Wärme finden, mit der<br />
man arbeiten kann. In Unterhaching – im Süden<br />
von München – reicht die Wärme in dieser Tiefe<br />
sogar aus, neben der Heizung für die Gemeinde<br />
auch noch Strom zu erzeugen. In jedem Fall<br />
werden aber bislang immer zwei Bohrungen<br />
vorgenommen, durch dessen erste Bohrung<br />
warmes Wasser aus der Erde entnommen und<br />
als Energielieferant genutzt wird, um durch die<br />
andere Bohrung das abgekühlte Wasser wieder in<br />
die Erde zurückzuführen. Damit kein unterirdischer<br />
” Kurzschluss“ zwischen entnommenem und<br />
rückgeführtem Wasser entsteht, müssen die Bohrungen<br />
etwa einen Kilometer auseinander liegen.<br />
Die Forschung weiß allerdings inzwischen, dass<br />
Erdwärme keine unendlich verfügbare Energie<br />
ist, sondern ” nur“ für die nächsten 50 Jahre<br />
reicht, weil sich durch die Nutzung, die Temperatur<br />
des Wassers aus der Tiefe um spürbare 5<br />
bis 10 Grad abgekühlt. Aber das macht nichts,<br />
denn die Geothermie hilft uns wenigstens über<br />
die nächsten 50 Jahre auf eine sehr saubere Art<br />
und Weise. Und wenn Sie sich mal die Nutzung<br />
des Erdöls anschauen, dann wird das auch erst so<br />
richtig seit 70 Jahren genutzt – richtet dabei aber<br />
eine Menge Schaden für unser Klima an.<br />
? und im bereich der geothermie<br />
forschen sie?<br />
! Nicht wirklich. Uns interessieren nicht<br />
die geologischen Fragen, sondern die Nutzungsfragen.<br />
Wir erforschen, wie Kommunen vorgehen<br />
müssen, um vom Gebrauch fossiler Energien auf<br />
die Nutzung regenerativer Energien umzusteigen.<br />
Also zum Beispiel die Frage: Was muss die Gemeinde<br />
X tun, um ihr Gemeindegebiet unabhängig<br />
vom Öl zu machen?<br />
? und zu welchen ergebnissen kommt<br />
man da?<br />
! Wenn Sie sich die jetzt schon absehbaren<br />
Veränderungen im Energie-Nutzungs-Prozess<br />
einmal genauer anschauen, dann sehen Sie: Die<br />
jetzige zentrale Energie-Versorgungsstruktur wird<br />
sich sehr bald in eine dezentrale Energieproduktion<br />
verwandeln. Oder besser gesagt: in eine<br />
Kombination von beidem. Man kann das an der<br />
Stromversorgung gut vorhersehen. Über zentrale<br />
Strukturen wird der Strom bald aus dem ” Desert-<br />
Tech“, also dem solaren Kraftwerk in der Wüste,<br />
zu uns geführt. Parallel dazu werden dezentrale<br />
Strukturen entstehen, die im Wesentlichen über<br />
Photovoltaik und Biomasse-Heizkraftwerke<br />
dezentral Strom erzeugen und die Abwärme<br />
nutzen. Und zusätzlich werden Gemeinden ihre<br />
Heizthematik durch Geothermie-Anlagen lösen.<br />
Energie wird also in Zukunft sehr vielschichtig<br />
produziert werden. Und da sind die Gemeinden<br />
ganz intensiv gefragt. Denn es macht doch weder<br />
ökonomisch noch ökologisch Sinn, dass sich<br />
jeder Häuslebauer unabhängig und unkoordiniert<br />
Holzpelletanlagen einbaut.<br />
? was halten sie von der initiative,<br />
bei der vw und der ökostromanbieter<br />
lichtblick zigtausend gasbetriebene blockkraftwerke<br />
made by vw, in denen wärme<br />
für heizung und warmwasser erzeugt werden<br />
soll, zum verkauf anbietet, um so große<br />
mengen strom zu erzeugen und ins öffentliche<br />
netz einzuspeisen? vorzugsweise, wenn<br />
am markt großer strombedarf besteht. das<br />
ziel sei es, die zum ausgleich schwankender<br />
stromnachfrage arbeitenden schattenkraftwerke<br />
überflüssig zu machen.<br />
! Ja, das ist ja ganz klar, dass die Autohersteller<br />
in diese Richtung denken. Die sagen<br />
sich, dass es doch viel zu schade wäre, wenn ihre<br />
guten Motoren nur auf den Straßen rumfahren.<br />
Die sollen auch in den Häusern stehen, Strom<br />
erzeugen und die Abwärme fürs Haus nutzbar<br />
machen. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Der<br />
Energiebereich wird auch den Automobilsektor<br />
stark verändern. Die Diskussion um die Elektromobilität<br />
kam ja nicht dadurch auf, dass man<br />
die für so viel umweltfreundlicher als herkömmliche<br />
Autos gehalten hat. Diese Diskussion kam<br />
auf, weil man eine neue Generation von Batterien<br />
brauchte, um Strom zwischenspeichern zu<br />
können. Schauen Sie, bisher hatte man Grundlastkraftwerke<br />
gehabt, deren Stromproduktion<br />
gleich in den Verbrauch wanderte, und Spitzenlastkraftwerke,<br />
die in besonderen Spitzenzeiten<br />
dazugeschaltet wurden. Da hatte man auf der<br />
einen Seite einige Stromanbieter und auf der<br />
anderen Seite viele Abnehmer. Wenn die Entwicklung<br />
jetzt mehr in Richtung dezentrale und<br />
regenerative Stromerzeugung geht, dann wird nur<br />
Strom erzeugt, wenn Wind weht oder die Sonne<br />
scheint. Das heißt, die Stromerzeugung habe<br />
ich nicht mehr so im Griff und brauche deshalb<br />
effektive Zwischenspeicher – und da passt das<br />
Elektromobil sehr gut rein. Das kann daheim in<br />
der Garage geladen werden und vielleicht sogar<br />
auch noch nach der Fahrt erzeugten Strom ins<br />
Netz einspeisen.<br />
? stellt sich die frage, was denn die<br />
versorgerindustrie zu dieser entwicklung<br />
sagt? die verlieren doch ihre alleinstellungsrolle<br />
als stromerzeuger.<br />
! Es werden die großen Kraftwerke nicht<br />
mehr gebraucht. Das ist klar. Aber es werden<br />
andere Strukturen aufgebaut, zum Beispiel indem<br />
die großen Versorgerkonzerne die neue Rolle als<br />
Investoren für dezentrale Kraftwerkskonzepte<br />
übernehmen. Denn die Gemeinden suchen ja<br />
oftmals auch Partner für die Finanzierung solcher<br />
neuer Anlagen. Außerdem werden die Leitungen<br />
weiterhin gebraucht werden, um den Strom von<br />
Afrika zu uns her zu leiten und zu verteilen. Es<br />
werden außerdem andere Steuerungssysteme<br />
gebraucht werden, um die Stromanforderungen<br />
in Spitzenzeiten zu entzerren. In diesem Bereich<br />
werden die Versorgungsunternehmen aus meiner<br />
Sicht ebenfalls sehr aktiv werden.<br />
? ” andere steuerungssysteme“<br />
bedeutet?<br />
! Nehmen Sie dieses Haus, in dem wir hier<br />
arbeiten. Wir haben hier ein flächiges Heizsystem<br />
eingebaut, das mit einer Wärmepumpe betrieben<br />
wird. Wenn ich die Pumpe zu Spitzenlastzeiten<br />
für drei Stunden ausschalte, dann merkt das hier<br />
drinnen von der Temperatur gar keiner. Weil das<br />
Haus gut gedämmt ist und wenig Temperaturverlust<br />
hat. Wenn ich dagegen ein ” feinfühliges“<br />
System habe, bei dem man Temperaturschwankungen<br />
sofort merkt, dann bin ich natürlich<br />
abhängig davon, dass ich dieses System ständig<br />
mit Energie füttere. Das bedeutet, dass Gebäude<br />
und Energieversorgungssysteme dahingehend<br />
weiterentwickelt werden, so dass sie noch<br />
unempfindlicher auf das Abschalten reagieren –<br />
ob das Wärme oder Strom ist.<br />
? was meinen sie mit ” feinfühliges<br />
system“? zeichnen sich solche systeme<br />
durch schlechte isolierung aus?<br />
! Nein, das sind zum Beispiel Gebäude, die<br />
– um in der Nutzung flexibel zu sein – innen leichte<br />
Trennwände, abgehängte Decken und geständerte<br />
Böden haben. Meist haben diese Gebäude auch<br />
noch viele Fensterfronten, die im Sommer, wenn<br />
die Sonne herein scheint, so viel Wärme durchlassen,<br />
dass man sie runterkühlen muss. Solche<br />
Gebäude haben – trotz guter Dämmung nach<br />
außen – keine Speichermassen mehr – wie das<br />
zum Beispiel bei alten Häusern mit ihren dicken<br />
Wänden der Fall ist. Solche Bauten bieten wenig<br />
Spielraum – verschlingen dafür aber viel Energie.<br />
Im Winter zum Heizen, im Sommer zum Runterkühlen.<br />
Und da setzen wir mit unsrer Ausbildung<br />
ein, damit die jungen Leute die Zusammenhänge<br />
beim Bauen erlernen und gleich in der Planungsphase<br />
schon einbringen können. Man glaubt als<br />
Außenstehender ja eigentlich, solche Zusammen-<br />
hänge müssten allen längst bekannt sein. Sind sie<br />
aber nicht. Im Baubereich läuft es nämlich nicht<br />
so, wie im Automobilbereich. Da entwickeln ja<br />
Heerscharen von Ingenieuren neue Sachen und<br />
testen das Entwickelte fortlaufend, ehe es in Serie<br />
geht. Bei den Häusern wird geplant – und gleich<br />
gebaut. Fertig. Ob das funktioniert oder nicht. Ich<br />
wundere mich manchmal überhaupt, dass die Häuser<br />
so funktionieren, wie sie funktionieren. Denn<br />
es sind ja alles eigentlich Prototypen.<br />
? was lernen die studenten des climadesign<br />
während ihres studienganges? das<br />
ist ein masterstudiengang für gestandene<br />
ingenieure, oder?<br />
! Ja, und für Architekten! Die Alterstruktur<br />
ist sehr gemischt – von 26 bis 50 Jahren – ebenso<br />
wie die Herkunft der Studenten. Von Deutschland<br />
über Brasilien bis China ist alles vertreten. Das<br />
gibt natürlich eine sehr interessante Dynamik. Für<br />
den Studiengang systematisieren wir die Erkenntnisse<br />
aus dem Bereich ClimaDesign und forschen<br />
in verschiedenen Sektoren. Dadurch können wir<br />
– und unsere Studenten – in einem Bereich tätig<br />
werden, der bisher nicht abgedeckt wurde. Denn<br />
bisher haben Ingenieure zu wenig vom Baulichen<br />
verstanden – und Architekten zu wenig von den<br />
physikalischen Zusammenhängen.<br />
? apropos zusammenhänge: kann man<br />
eigentlich den faktor behaglichkeit messen?<br />
! Ja klar – sofern man ihn klar definiert.<br />
Dazu gehören zum Beispiel Größen wie die empfundene<br />
Lufttemperatur, die zum Beispiel durch<br />
Luftbewegungen im Raum – was man umgangssprachlich<br />
als Zug“ bezeichnet – ins Ungemütli-<br />
”<br />
che verändert werden kann. Oder kalte Flächen<br />
wie Wände, die ebenfalls sehr unangenehm sein<br />
können. Dann gehört die Luftfeuchtigkeit dazu, die<br />
Leuchtdichte, was zum Beispiel bei Arbeitsplätzen<br />
am Fenster von Bedeutung ist, und die Frage, ob<br />
sich das Auge ständig den Lichtschwankungen,<br />
zum Beispiel bei direkter Sonneneinstrahlung,<br />
und den Spiegelungen auf dem Computer anpasst.<br />
Das sind alles messbare Größen, bei denen man<br />
auch relativ gut definiert hat, was den Menschen<br />
zuträglich ist und was nicht. Es gibt aber auch<br />
nicht-messbare Größen, die in der Vergangenheit<br />
nicht so sehr beachtet wurden. So hat man früher<br />
Häuser gebaut, wo man zwar alle messbaren<br />
” Behaglichkeitsgrößen“ eingehalten hatte – und<br />
trotzdem haben sich die Menschen darin nicht<br />
wohl gefühlt, zum Beispiel weil man kein Fenster<br />
aufmachen konnte. Natürlich ist das bei Hochhäusern<br />
schwieriger zu realisieren, weil das von<br />
der Aerodynamik des Gebäudes abhängt und ob