Foto: Hubertus Hamm
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! Das Eigenkapital limitiert das Kreditvolumen<br />
einer Bank, da jeder Kredit mit Eigenkapital zu unterlegen<br />
ist und dadurch Eigenkapital bindet. Verbrieft eine<br />
Bank ihre Kredite, ” verkauft“ sie die Kredite also weiter<br />
und kann mit ihrem dann frei werdenden Eigenkapital<br />
neue Kredite ausgeben. Dadurch erhöht sich das gesamte<br />
Kreditvolumen einer Volkswirtschaft und folglich auch<br />
das Kreditangebot für die Kunden.<br />
? aber das ist doch gut für die volkswirtschaft.<br />
! Im Prinzip ja. Aber diese besondere Finanzierungstechnik<br />
war gleichzeitig mit weiteren Faktoren verbunden:<br />
einer hohen Arbeitsteilung – mit der Folge, dass<br />
sich niemand für das Schicksal des Kredits über dessen<br />
gesamte Laufzeit verantwortlich fühlte; einer mehrjährigen<br />
Niedrigzinspolitik, die eine hohe Kreditaufnahme<br />
erleichtert hat; einer langjährigen und zum Teil rasanten<br />
Steigerung der Immobilienpreise, die viele Haushalte<br />
dazu bewogen hat, ihre Immobilien für Konsumkredite<br />
exzessiv zu verpfänden; einem weitgehend erfolgsabhängigen<br />
Kreditmaklersystem, das zum Teil dazu geführt hat,<br />
dass die Bonität der Kunden nicht ausreichend oder gar<br />
nicht geprüft wurde; sogar betrügerische Vorgehensweisen<br />
bei der Kreditvergabe und vor allem bei der Immobilienbewertung<br />
gab es im größeren Stil. Zudem waren die<br />
Kreditzinsen am Anfang häufig sehr niedrig und wurden<br />
nach und nach deutlich angehoben. Im Ergebnis wurden<br />
zu viele Kredite an einkommensschwache Kunden gegeben<br />
– und gleichzeitig wurden diese Kredite mit Hilfe von<br />
komplexen Verbriefungsstrukturen in Form von Wertpapieren<br />
an den internationalen Kapitalmarkt verkauft.<br />
? wieso haben investoren solche wertpapiere<br />
dann erworben?<br />
! Auch dies ist nicht so einfach, wie es oft<br />
dargestellt wird. Ob Versicherungen, Pensionsfonds,<br />
Banken oder andere Anleger – alle Investoren stehen<br />
unter großem Erfolgsdruck. Da über mehrere Jahre die<br />
Zinsen weltweit gesunken sind, mussten die Investoren<br />
nach neuen Möglichkeiten suchen, mehr als nur die<br />
gerade üblichen Renditen für ihre Anlagen zu erzielen.<br />
Da waren die Wertpapiere aus den USA gerade recht,<br />
da sie aufgrund des großen Volumens und der Markttiefe<br />
leicht handelbar waren, etwas höhere Zinsen und<br />
vor allem erstklassige Noten von den Ratingagenturen<br />
hatten, so dass der interne Entscheidungsprozess, sie zu<br />
kaufen, schnell machbar war und auch risikobewusste<br />
Manager auf die guten Bewertungen der Ratingagenturen<br />
verweisen konnten. Dass man letzten Endes manchmal<br />
nicht mehr wusste, welche Kreditrisiken genau sich<br />
hinter diesen Wertpapieren verbargen, hat man dann<br />
möglicherweise als nicht wesentlich betrachtet.<br />
? wie konnte so die weltweite finanzkrise<br />
ausgelöst werden?<br />
! Zum einen waren viele Anleger geschockt, dass<br />
ihre Kapitalanlagen indirekt auf schlechten Krediten basierten.<br />
Dies betraf allerdings nur einen relativ kleinen<br />
Teil des weltweiten Anlagekapitals. Schlimmer war, dass<br />
viele Banken und andere Anleger nicht wussten, wer<br />
wie stark mit welchen Risiken belastet war. Dies brachte<br />
eine große Verunsicherung, die durch die weltweite Vernetzung<br />
des Banken- und Kapitalmarktes zu globalen<br />
Preis- und Wertausschlägen nach unten führte.<br />
? was hat das mit der kredit-qualitätsklemme<br />
in deutschland zu tun?<br />
! Diese Schwankungen wiederum machten es<br />
nahezu unmöglich, den Wert eines Vermögenswertes zu<br />
beurteilen. Banken und auch andere Investorengruppen<br />
müssen ihre Vermögenswerte regelmäßig neu bewerten.<br />
Bei Banken sind solche Vermögenswerte auch die von<br />
ihnen ausgereichten Kredite. Wegen der oben beschriebenen<br />
Vorschriften über das Verhältnis zwischen<br />
Eigenkapital und Kreditvolumen muss eine Bank also<br />
beurteilen, ob ihr Eigenkapital zur Abdeckung ihrer Kreditrisiken<br />
ausreicht. Wenn sie aber nicht weiß, wie diese<br />
Beurteilung in einer Woche, einem Monat oder einem<br />
Jahr – mit denselben Krediten – ausfallen wird, kann sie<br />
ihr jetzt an sich frei verfügbares Kapital nicht ruhigen<br />
Gewissens durch neue Kredite binden.<br />
? und wenn sie falsch liegt in ihrer einschätzung?<br />
! Verschätzt sie sich in der Vorausschau der<br />
künftigen Wertentwicklungen, hat sie nicht genug<br />
Eigenkapital – und muss dann Neues einwerben, was<br />
auf dem Höhepunkt der Finanzkrise nahezu unmöglich<br />
war; Die Alternative war, Kredite zu verkaufen. Aber<br />
an wen? Oder den Staat zu Hilfe rufen. Gelingt all dies<br />
nicht und sinkt die Eigenkapitalrelation unter die vom<br />
Bankaufsichtsrecht gesetzte Mindestgrenze, muss die<br />
Aufsichtsbehörde eingreifen – und die Bank letzten<br />
Endes schließen. Wohl gemerkt: All dies bezieht sich<br />
auf bereits vergebene Kredite, bei denen die Kunden<br />
vertragsgemäß ihre Zinsen zahlen. Denn alleine die<br />
Senkung der Werteinschätzung der als Sicherheiten<br />
dienenden Immobilien kann bei Hypothekarkrediten<br />
bereits zu einer stärkeren Belastung des Eigenkapitals<br />
führen.<br />
? wie reagieren banken darauf?<br />
! Diese Eigenkapitalfrage und weitere Komponenten<br />
führen dazu, dass die Banken heute Kreditrisiken<br />
anders in ihren Kreditkonditionen berücksichtigen.<br />
Kunden, die dem nachkommen können und wollen,<br />
erhalten Kredite. Wer diese Kreditkonditionen nicht<br />
akzeptieren kann oder will, nimmt dies als Kreditklemme<br />
wahr. Richtiger ist es aber, hier von einer Kredit-<br />
Qualitäts-Klemme zu sprechen.<br />
Neben der durch die Margengestaltung geprägten<br />
Zinshöhe spielt bei der Konditionengestaltung<br />
auch die Frage eine Rolle, wie hoch der Eigenkapitalanteil<br />
des Kunden liegen soll; dies wiederum hängt mit<br />
der Refinanzierung des Kredits zusammen, die zum<br />
Beispiel beim Pfandbrief günstig ist, aber möglicherweise<br />
nur einen Teil des Gesamtkredits erfassen kann.<br />
? warum?<br />
! Durch Hypothekenpfandbriefe refinanziert<br />
werden können Hypothekarkredite nur insoweit, als<br />
sie eine Beleihungsgrenze von 60 % des vorsichtig zu<br />
ermittelnden Beleihungswertes nicht überschreiten.<br />
Wenn Kunden nur einen Kredit in dieser Höhe benötigen,<br />
weil sie genug Eigenkapital mitbringen oder noch<br />
andere Finanzierungsquellen haben, dann können<br />
sie heute Kredite von Pfandbriefbanken erhalten, die<br />
aber teuerer sind als vor der Krise. Je näher sich ihr<br />
Finanzierungsbedarf also an dieser für die Deckungsbestimmungen<br />
des Pfandbriefgesetzes maßgeblichen<br />
Beleihungsgrenze orientiert, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit,<br />
dass ihr Kreditwunsch erfüllt werden<br />
kann.<br />
Die Banken haben grundsätzlich mehrere<br />
Möglichkeiten, sich das Kapital zu beschaffen, um<br />
Hypothekarkredite geben zu können, zum Beispiel<br />
Kundeneinlagen, Interbanken-Kredite, Verbriefungen<br />
und Pfandbriefe.<br />
Der Pfandbrief hat sich damit in dieser Krise<br />
bewährt und ist als einziges funktionierendes Kapitalmarktprodukt<br />
ohne staatliche Garantie ausgekommen.<br />
? brauchen die banken dann überhaupt<br />
noch die verbriefung?<br />
! Ja. Weltweit wurden so viele Immobilienfinanzierungen<br />
und andere Kredite verbrieft, dass es<br />
unmöglich wäre, das Eigenkapital aufzubringen, das<br />
die Banken bräuchten, um diese Kredite auf ihre Bilanzen<br />
zu nehmen. Es ist also unbedingt erforderlich, dass<br />
der Verbriefungsmarkt wieder in Schwung kommt,<br />
auch um bereits verbriefte Immobilienfinanzierungen<br />
zu verlängern oder umzuschulden, die schon aufgrund<br />
ihres großen Gesamtvolumens von den Banken nicht<br />
übernommen werden können.<br />
? also zurück zu alten usancen und<br />
fehlern?<br />
! Nein. Sicherlich nicht. Die Auswüchse<br />
überzogen komplexer und intransparenter Verbriefungsstrukturen<br />
kann ich mir – jedenfalls sicherlich für<br />
die nächsten Jahre – nicht mehr vorstellen. Dies liegt<br />
weniger an bankrechtlichen Bestimmungen, da die<br />
verbrieften Kredite die Banken ja verlassen und daher<br />
vom Bankaufsichtsrecht nur teilweise erfasst werden<br />
können. Vielmehr werden die Investoren dafür sorgen,<br />
dass es solche Produkte bis auf Weiteres nicht mehr geben<br />
wird, da sie nicht bereit sein werden, sie zu kaufen.<br />
? kann man unter diesen bedingungen<br />
ein großprojekt heute überhaupt noch durch<br />
eine bank finanzieren?<br />
! Grundsätzlich ist dies möglich, allerdings<br />
unter anderen Bedingungen und mit anderen Finanzierungstechniken.<br />
Als im Laufe der 90er Jahre die Summen bei<br />
internationalen Immobilieninvestitionen anstiegen,<br />
haben die Banken diese hohen Kreditsummen mit<br />
Konsortialkrediten bereitgestellt. Wenn dann mehrere<br />
Banken, manchmal über zehn, mit dem Kunden<br />
verhandelten – und jede einzelne Bank ihren internen<br />
Entscheidungsprozess durchführen musste – führte<br />
dies zu insgesamt lang dauernden Prozessen. Dann<br />
haben große Banken die Engagements alleine oder<br />
mit wenigen Partnerbanken gestemmt – und anschließend<br />
möglichst schnell Teile dieses großen Kredits an<br />
weitere Banken verkauft; dies nennt man nachträgliche<br />
Syndizierung. Seit der Finanzkrise ist diese effiziente<br />
Finanzierungstechnik kaum mehr zu beobachten,<br />
jedenfalls nicht für die früher üblichen hohen Beträge,<br />
die zuweilen weit mehr als eine Milliarde Euro betrugen.<br />
Man wird also wohl – zumindest für eine gewisse<br />
Zeit – wieder zur früheren Technik der anfänglichen<br />
Konsortialfinanzierung zurückkommen.<br />
? bleibt die abschlussfrage: werden banken<br />
aus dem erfahrenen lernen?<br />
! Die Banken haben in den letzten beiden<br />
Jahren sehr viel gelernt. Regularien wie Basel II, die es ja<br />
erst seit wenigen Jahren gibt, greifen inzwischen. Auch<br />
viele andere Investoren, die in komplexe Strukturen<br />
investiert haben, werden dazu nicht so schnell wieder<br />
bereit sein. Auch die Kapitaleigner von Banken werden<br />
wohl noch einige Zeit einsehen, dass Banken keine<br />
exorbitant hohen Erträge auswerfen können, wenn sie<br />
vorsichtiges und traditionelles Hypothekengeschäft tätigen.<br />
Allerdings weiß ich nicht, wie lange das Gelernte<br />
im Gedächtnis der Beteiligten bleiben wird. Wenn Sie<br />
mir sagen können, wie lange die Krise noch dauert,<br />
kann ich Ihnen sagen, wann wohl die ersten ” Gedächtnisverluste“<br />
einsetzen könnten.<br />
Eine ständige Gedächtnisstütze stellen aber die<br />
zahlreichen Bestimmungen dar, denen Banken unterliegen.<br />
Dies gilt ganz besonders für das enge Regelwerk,<br />
das zur Sicherheit des Pfandbriefes besteht und an<br />
dessen Verbesserung wir im Verband deutscher Pfandbriefbanken<br />
mit unseren Gremien ständig arbeiten.<br />
N# Nachmann rechtsanwälte sind Experten in sämtlichen<br />
Fragen des Immobilienfinazierungs- und Finanzierungssicherungsrechts.