Istrien - Istria
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In aller Ruhe<br />
bergauf<br />
Die kroatische Halbinsel <strong>Istrien</strong> ragt herzförmig ins<br />
Adriatische Meer. An der Küste pulsieren Touristenströme,<br />
in den Bergdörfern herrscht Ruhe. Ein reizvoller Mix für<br />
Kletterfreudige. Text und Fotos: Jörg Spaniol<br />
Nur so viel: Die alten Römer waren da,<br />
die venezianischen Fürsten, die Habsburger<br />
Monarchie. Und noch ein paar mehr.<br />
Spannender aber als eine Liste der Jahreszahlen<br />
und Fürstennamen ist es, die Spuren<br />
der einst in <strong>Istrien</strong> herrschenden Kulturen<br />
vom Sattel aus zu suchen. Die karstige<br />
Landzunge östlich vom italienischen Stiefelschaft<br />
ist ein befahrbares Geschichtsbuch.<br />
Römische Arenen, italienische Plätze,<br />
kaiserlich-österreichische Villen, mittelalterliche<br />
Fresken – alles fi ndet sich irgendwo<br />
auf den knapp 3.000 Quadratkilometern.<br />
Auf einer der Geschichtsbuch-Seiten ist<br />
gerade Siesta, außerdem Vorsaison und<br />
deshalb: Ruhe. Ein winziges Sträßchen zwischen<br />
den nordistrischen Gebirgsorten Roč<br />
und Hum trägt den Namen »Glagoliterallee«.<br />
Daran aufgereiht: Neun Steinskulpturen aus<br />
den siebziger Jahren. Sie verweisen ein Jahrtausend<br />
rückwärts. Damals hatten Mönche<br />
vom Orden der Glagoliter begonnen, eine<br />
eigene Schrift zu entwickeln, die besonders<br />
gut zu den slawischen Sprachen passen<br />
sollte. Noch vor 50 Jahren wurde sie gelegentlich<br />
eingesetzt. Heute ist sie Fuß note<br />
der Geschichte und touristisch verwertbares<br />
Kuriosum. Und die Glagoliterallee?<br />
Ein kleines, feines Sträßchen mit Aussicht<br />
über die grünen Berge <strong>Istrien</strong>s. Am Südende<br />
der Allee bröselt Hum, die angeblich<br />
kleinste Stadt der Welt, langsam zu Boden.<br />
Das schwere Kupfertor – dekoriert mit glagolitischen<br />
Schriftzeichen – gibt den Weg<br />
über glänzend abgewetztes Pfl aster frei.<br />
Hum ist ein ummauertes Dorf mit rund<br />
30 Be wohnern. Sehr alt, sehr romantisch,<br />
zerfallend. Aber eine Stadt? Stadt genug jedenfalls,<br />
um im Guinness-Rekordbuch als<br />
kleinste solche aufzutauchen. Und deshalb<br />
mit ausreichend Parkraum, um pro Bewohner<br />
mindestens einem Touristenbus Platz zu<br />
bieten.<br />
Am anderen Ende der beschwingt durchrollten<br />
Allee geht es wieder bergauf. Roč<br />
ist hübsch, aber ein wenig zu groß, um geschäftsfördernd<br />
klein zu sein. Eine alte Frau<br />
kommt die schiefen Steintreppen hinaufgeschnauft.<br />
In der einen Hand einen kleinen<br />
Blecheimer mit frisch geerntetem Salat,<br />
die andere Hand auf dem Herzen. Sie setzt<br />
sich auf die Mauer, lächelt, und fragt: »Gefällt<br />
euch Roč?« Wir bejahen radebrechend<br />
auf italienisch. »Ja«, sagt sie, »Roč ist schön.<br />
Aber es ist arm.« Ein freundlicher Gruß, sie<br />
verschwindet durch einen morschen Torbogen.<br />
An den meisten von <strong>Istrien</strong>s Hügeln,<br />
als kroatische Toskana gerühmt, scheint<br />
der Geldsegen des Tourismus noch immer<br />
abzuperlen. Der größte Teil sickert erst am<br />
Küstenstreifen in die Taschen der Bewohner.<br />
Und gerade diese sichtbare Differenz könnte<br />
es sein, die den Charme <strong>Istrien</strong>s für Radler<br />
ausmacht. Das klare Meer einer Felsenküste,<br />
der Luxus großer Hotels sind schön – und<br />
besonders angenehm, wenn sie im Kontrast<br />
zu zehrenden Runden im Inland stehen.<br />
Bis auf über 1.000 Meter heben sich die<br />
Berge <strong>Istrien</strong>s in Richtung einer grauen<br />
Wolkendecke. Ganz so hoch müssen Radler<br />
nicht: Die historischen Ortskerne mit ihren<br />
Burgen, Kirchen, Plätzen aus grauem<br />
Radferien<br />
2<br />
1| Die steinernen Dörfer auf den Hügelkuppen des<br />
Hinterlandes muss man sich redlich erstrampeln.<br />
Dafür belohnen prachtvolle Rundblicke wie hier in<br />
Motovun. 2| Erfrischende Pause bei einer Küstentour.<br />
<strong>Istrien</strong> Magazin<br />
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