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Aktuelle Ausgabe - RiQ DAS MAGAZIN

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Fotos: © Bärbel Schoen<br />

Wer einmal anfängt, hört nicht mehr auf<br />

Patchwork und Quilten stehen hoch im Kurs<br />

Es ist mucksmäuschenstill. Hin und<br />

wieder rattert die Nähmaschine. In der<br />

Runde sitzen sechs Frauen, über ein<br />

kleines Stoffquadrat gebeugt. Sie alle<br />

treffen sich regelmäßig bei Karin Kunz<br />

in Höchstädt, die seit vielen Jahren<br />

Patchwork-Kurse anbietet. Wer hierher<br />

kommt, bringt Zeit mit, denn schnelle<br />

Ergebnisse gibt es nicht. „Eine Stunde<br />

nähen nach einem gestressten Tag wirkt<br />

Wunder“, so die Kursleiterin. Doch wer<br />

einmal anfängt, hört nicht mehr auf,<br />

warnt sie. Patchwork und Quilts erfreuen<br />

sich immer größerer Beliebtheit.<br />

Weltweit, so wird geschätzt, steppen<br />

rund 30 Millionen Menschen, davon<br />

etwa 150.000 allein in Deutschland.<br />

Patchwork ist das aneinanderfügen<br />

textiler Zuschnitte<br />

verschiedener Farben, Formen<br />

und Muster in harmonischer<br />

Buntheit. Es besteht aus drei<br />

Schichten, der oberseite<br />

mit dem Muster,<br />

der Füllung und der<br />

rückseite.<br />

In der Nähstube von Karin Kunz lässt<br />

sich erahnen, welch hohe Kunst hinter<br />

dieser ursprünglichen Flickarbeit<br />

steckt. Viele kleine Stoffstücke haben<br />

die Frauen aneinander genäht – Dreiecke,<br />

Quadrate, Streifen, Kreise und<br />

Tropfen. Das kleinste Teil ist so groß<br />

wie Fingernagel. Verblüffend ist die<br />

Farbwirkung: Je nachdem, wie die<br />

Stoffe und Muster aneinander treffen,<br />

erzielen sie neue Muster und können<br />

das Auge täuschen. Wer etwas von<br />

Farbenlehre versteht, weiß warum.<br />

Mit steigendem Selbstvertrauen und<br />

zunehmender Praxis können immer<br />

schwierigere Vorlagen umgesetzt werden.<br />

Oft sind die Quilterinnen über<br />

ihre schlummernde Kreativität verblüfft,<br />

die unversehens die Grenzen<br />

der eigenen Erwartung sprengt. „Am<br />

Anfang gehen die Frauen nur zaghaft<br />

mit Farben und Mustern um. Später<br />

trauen sie sich auch an groß gemusterte<br />

Stoffe heran“, weiß Karin Kunz. Sie<br />

fordert ihre Kursteilnehmerinnen auf,<br />

mit Stoffen zu spielen, zu experimentieren.<br />

Jahrelange Arbeit für einen Quilt<br />

„Ein Quilter braucht mehrere Leben“,<br />

lacht Margot Leuschner über die Frage,<br />

wie lange man denn für einen Bettüberwurf<br />

benötige. Die Höchstädter<br />

Gruppe bevorzugt das Handquilten,<br />

eine Technik, die nicht nur Fingerfertigkeit,<br />

sondern vor allem viel Geduld<br />

erfordert. Seit über zwei Jahren nähen<br />

die Frauen einen Quilt von 1863 nach.<br />

Die Decke wurde von Jane A. Blakely<br />

Stickle aus der Not heraus während des<br />

amerikanischen Bürgerkriegs gefertigt<br />

und besteht aus 225 verschiedenen so<br />

genannten Blocks und über 5.000<br />

Stoffstücken. Die einzelnen Bausteine<br />

sind quadratisch und haben die Maße<br />

12,5 x 12,5 Zentimeter. Echte Patchworker<br />

rechnen in englischer Maßeinheit,<br />

in Inch.<br />

Brigitte Baierl hat das Original in den<br />

USA gesehen. „Der Quilt ist ein Meisterstück“,<br />

schwärmt die 60-jährige gebürtige<br />

Berlinerin. Für sie ist kein Weg<br />

zu weit, Gleichgesinnte auf Messen zu<br />

treffen. Dort knüpft sie Kontakte und<br />

kann über ihr Hobby fachsimpeln.<br />

Über ein „Round Robin“ – vergleichbar<br />

mit dem Weihnachtswichteln –<br />

kam die Quilterin zu einem einzigartigen<br />

Werkstück: „Mehrere Frauen aus<br />

den USA haben daran mitgenäht, so<br />

wie ich an deren Decken.“<br />

Patchworkerin Karin Kunz<br />

HaUS UNd GartEN | 53<br />

Die Utensilien, die zum Quilten benötigt<br />

werden, wie Scheren, Pinzetten,<br />

Fingerhüte und Stecknadelkissen, sind<br />

genauso kostbare Unikate wie die<br />

Patchworkarbeiten selbst. Damit halten<br />

sich die Näherinnen bei Laune.<br />

Techniken und Muster heißen in der<br />

Quilter-Sprache zum Beispiel „Stern<br />

von Bethlehem“, „Jakobsleiter“, „Kantentrick“<br />

oder „Freundschaftsstern“.<br />

Und so akkurat die Nähte an der Oberseite<br />

sind, so penibel genau wird die<br />

Nahtzugabe auf der Rückseite gebügelt.<br />

Was das millimetergenaue Arbeiten<br />

erleichtert, erklärt die Kursleiterin<br />

so: „Der Pythagoras ist der Freund der<br />

Patchworker.“<br />

Obwohl die Näherinnen in Höchstädt<br />

am gleichen Ziel arbeiten und die<br />

gleichen Blocks fertigen, werden<br />

ihre Decken einmal ganz unterschiedliche<br />

Wirkungen<br />

Quilt:<br />

damit sich<br />

die drei Patchwork-lagen<br />

beim<br />

Gebrauch oder Waschen<br />

nicht verschieben,<br />

werden sie mit<br />

Steppstichen (Quil-<br />

erzielen. Bis die Arbeiten<br />

abgeschlossen<br />

sind und der letzte<br />

Heftfaden gezogen<br />

ist, werden<br />

allerdings noch Jahre<br />

ins Land gehen. Bis dahin<br />

wird die Nähstube zum Refugium<br />

für Stunden der Besinnung,<br />

in denen manchmal ganz persönliche<br />

Dinge ausgetauscht werden. bs<br />

ten) vernäht und<br />

gleichzeitig<br />

verziert.<br />

<strong>RiQ</strong> – Das Magazin Nr. 1 | 2013

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