23.01.2013 Aufrufe

Druckdaten Handbuch Suizidprävention inkl ... - TelefonSeelsorge

Druckdaten Handbuch Suizidprävention inkl ... - TelefonSeelsorge

Druckdaten Handbuch Suizidprävention inkl ... - TelefonSeelsorge

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

würde er sich mit einer Überdosis Medikamente<br />

umbringen.<br />

• Der Suizid ihrer Schwester lässt die Anruferin<br />

nicht los, sie fühlt sich zunehmend untauglich<br />

für den Alltag.<br />

• Eine 53-jährige Anruferin äußert Selbstmordgedanken:<br />

Seit Jahren ohne Job und Perspektive,<br />

kann sie noch nicht einmal ihren Lebensunterhalt<br />

verdienen. Sie hat schon lange<br />

viel versucht, um ihre Situation zu verbessern.<br />

Jetzt kann und will sie nicht mehr.<br />

• Ein aggressiv klingender Mann sagt gleich zu<br />

Beginn des Gesprächs: „Versuchen Sie bloß<br />

nicht, mich vom Selbstmord abzubringen!“<br />

• Anruf eines jungen Mannes: Er geht in die<br />

11. Klasse und sieht sich selbst als suizidgefährdet.<br />

In seinem Kopf kreisen immer dieselben<br />

destruktiven Gedanken und Fragen.<br />

• Die Anruferin ist von ihrem Freund nach<br />

mehrjähriger Lebensgemeinschaft verlassen<br />

worden. Sie grübelt, was sie „falsch“ gemacht<br />

hat und hält sich mit Alkohol und Medikamenten<br />

aufrecht. Mit einem Messer hat sie<br />

sich die Handgelenke zerschnitten. Sie hat<br />

Angst, das noch einmal zu versuchen und<br />

„besser“ zu machen.<br />

Typisch scheinen Anrufe zu sein, in denen aus einer<br />

akuten Enttäuschungs- oder Verlustsituation heraus<br />

keine Perspektive mehr wahrgenommen wird<br />

oder durch chronische Überforderung, Einsamkeit<br />

und Perspektivlosigkeit Suizidimpulse entstehen.<br />

Selten wird der Gedanke an Suizid klar benannt.<br />

Scham oder Rücksicht auf den Gesprächspartner<br />

lassen Anrufende ihre Gedanken lediglich umschreiben.<br />

Gern lassen wir als Gesprächspartner<br />

am Telefon uns einladen, solch ein persönliches<br />

und schambesetztes Th ema zu übergehen.<br />

Hier ist die Aufgabe klar auf Seiten des Mitarbeitenden<br />

in der <strong>TelefonSeelsorge</strong>, angedeutete Absichten<br />

und Motive wahrzunehmen, auch wenn<br />

sie nicht hörbar ausgesprochen werden. Th emen,<br />

die fremde und eigene Schamgrenzen berühren<br />

und überschreiten, sind nicht einfach zu formulieren.<br />

Oft hapert es schlicht am Vokabular und an<br />

Übung. Das macht es für Ausbildung, Fortbildung<br />

und Supervision nötig, immer wieder einfache<br />

Verbalisierungsübungen zu praktizieren.<br />

Eine andere Hürde im Umgang mit Suizid ist neben<br />

der Begegnung mit Scham und Intimität die<br />

Scheu vor der Begegnung mit Sinnfragen, eigenen<br />

Todeswünschen und möglichen rechtlichen Fragen<br />

und Konsequenzen. Schon in dieser Aufzählung<br />

wird sichtbar („Sinn“ bis „Recht“), was für eine<br />

üble, verwirrende Gemengelage sich für den TS-<br />

Mitarbeitenden ergeben kann.<br />

Was kann nun für das Gespräch um Suizid<br />

mehr Sicherheit geben? Was kann unterstützen,<br />

das Gespräch wirklich zu führen und nicht auszuweichen?<br />

Nicht nur Mitarbeitenden in der Ausbildungsphase,<br />

sondern auch erfahrenen TSlern kann es<br />

geschehen, dass sie im Gespräch angedeutetem<br />

Leid, indirekt formulierten Suizidabsichten oder<br />

dem Zweifel an der Fähigkeit, weiterleben zu können,<br />

nicht genügend Anteilnahme widmen und zu<br />

schnell zu positiven Aspekten des Lebens im Allgemeinen<br />

übergehen. („Das Licht am Ende des Tunnels“<br />

zeigen wollen.)<br />

Nachgefragt, ob sie die Verzweifl ung wahrgenommen<br />

haben, zeigt sich dann oft, dass all das<br />

sehr wohl gehört wurde. Gehörte Not zu verbalisieren,<br />

wird aber dennoch unterlassen, um den Betroffenen<br />

vermeintlich nicht noch tiefer zu belasten.<br />

Bei diesen Gesprächen fühlen Mitarbeitende<br />

große Scheu, den Emotionen des Anrufenden gegenüber<br />

und dem, was dabei geweckt wird. Diese<br />

Scheu wahrzunehmen, ist wichtig. Sie ist hilfreich<br />

dabei, mit großer Sorgfalt Worte zu wählen und<br />

das Gespräch zu führen.<br />

4.1 | Praxisfelder 12/2009

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!