Die Gemeinde - Israelitische Kultusgemeinde Wien
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Andreas Peham, Rechtsextremismus-<br />
Experte im Dokumentationsarchiv des<br />
Österreichischen Widerstandes (DÖW)<br />
warnt davor, dass neona zis mus im -<br />
mer mehr zur Jugendbewe gung wird.<br />
Den im jüngsten Verfas sungs bericht<br />
verbreiteten „Optimis mus”, wonach<br />
es für die rechtsextreme Szene in Ös -<br />
ter reich „kaum Entfal tungs spielraum”<br />
gebe, teile er absolut nicht, erklärte Pe -<br />
ham im Gespräch mit der APA. Der<br />
„massive Zulauf zur Un ter grundszene”<br />
sei nach wie vor ungebrochen.<br />
<strong>Die</strong> Einschätzung des Bundesamtes<br />
für Verfassungsschutz und Terroris -<br />
mus bekämpfung, dass Rechtsextre -<br />
mis mus in der Bevölkerung auf breite<br />
Ab lehnung stoße, könne er nicht be -<br />
stä ti gen, so Peham. „Ich würde sogar<br />
das Ge genteil behaupten: Es gibt bei weitem<br />
nicht so eine große Ablehnung.” Ge -<br />
ra de Jugendliche, die so genannten<br />
„Kin der der Wende”, hätten oft eine<br />
problematische Einstellung. Das habe<br />
man einerseits an deren Wahlver hal -<br />
ten bei den nationalratswahlen 2008<br />
gesehen, andererseits gebe es auch Stu -<br />
dien, wo nach sich 39 Prozent der 12bis<br />
19-Jäh rigen einen „starken Mann”<br />
an der Spitze des Staates wünschten.<br />
Der neonazismus habe eine „enorme<br />
Dy namik”, meint der Experte. „Der<br />
mas sive Zulauf zur Untergrundszene ist<br />
un ge brochen.” in den vergangenen Jah -<br />
ren sei es der neonaziszene gelungen,<br />
ih re „schlagkräftigen Strukturen wieder<br />
aufzubauen”. Peham erkennt dabei vor<br />
al lem ein Problem: „Neonazismus ist<br />
zu nehmend zur Jugendbewegung ge wor -<br />
den.” <strong>Die</strong> Szene sei „ausgefranst” und<br />
POLITIK • INLAND<br />
„Erlebniswelt Neonazismus”<br />
biete Jugendlichen ein vielfältiges<br />
Angebot: Von Reisen über Demon stra -<br />
tionen, Klei dung und musik bis zu<br />
Kampf sport arten sei alles dabei. Es ge -<br />
be so gar ein eigenes Parfüm für ne o -<br />
nazis. „Wir nennen das Erlebnis welt<br />
Neona zis mus.”<br />
Das frühere image, „wildgewordene<br />
Spießer” zu sein, hätten die neonazis<br />
mittlerweile abgelegt. Hätten sie früher<br />
niemals Autoritäten wie die Po li -<br />
zei angegriffen, beginne sich dies nun<br />
auch in Österreich zu ändern, erklärt<br />
Peham. Außerdem seien die Rechts ex -<br />
tremen äußerlich nicht mehr einfach<br />
zu erkennen - ähnlich der „Autono -<br />
men” (politisch links) würden sie heutzutage<br />
auch mit Che-Guevara-Shirts<br />
und Palästinenserschals auftreten.<br />
„Früher hat das nicht gefetzt, aber das<br />
haben sie in den letzten Jahren geschafft.”<br />
Das neonazi-Problem finde auch auf<br />
politischer Ebene statt. „<strong>Die</strong> FPÖ wird<br />
durchlässig”, meint der Experte. Der<br />
„Rechts ruck” der Partei seit 2005 sei<br />
„auf fällig” und werde sich auch im<br />
neu en Parteiprogramm wiederfinden,<br />
glaubt Peham, indem er auf Vor fälle<br />
wie etwa die Bestellungen bei ei nem<br />
rechtsextremen internet ver sand durch<br />
damalige mitarbeiter des Drit ten na -<br />
tionalratspräsidenten martin Graf (F)<br />
verweist. „Ich appelliere an das Verant -<br />
wor tungsgefühl der FPÖ - auch in ihrem<br />
Sinne.”<br />
Besonders stark sei die neonazi-Sze ne<br />
aber in Vorarlberg und Ober ös terreich<br />
ausgeprägt. Dass vor allem Ober ös ter -<br />
reich in letzter Zeit öfter mit rechtsextremistischen<br />
Vorfällen in die Schlag -<br />
„Im Moment träume ich von <strong>Wien</strong>,<br />
der Stadt, in der ich geboren bin und<br />
aus der ich als Kind vertrieben wurde.<br />
Ich bin dort in diesem Jahr Ehren bür -<br />
ger geworden, ein bittersüßer Mo -<br />
ment. Ich träume davon, dass Österreich<br />
seine Vergangen heit aufarbeitet.<br />
<strong>Die</strong> Integrität und Offenheit, mit der<br />
Deutschland die Hitler-Zeit untersucht<br />
und eine De mokratie geformt hat, ist<br />
vorbildlich. Von solcher Transparenz<br />
ist in Österreich nichts zu spüren.”<br />
Eric Kandel, amerikanischer Neurowissenschaftler<br />
und Nobelpreis träger im<br />
„ZEITmagazin” Nr. 30<br />
zei len geriet, hat für Peham zwei<br />
Grün de: Zur Zeit der Befreiung der<br />
Al liierten seien viele nazis ins innund<br />
Hausruckviertel gezogen, da sie<br />
sich von den amerikanischen Besat -<br />
zern mehr milde erwarteten. Weil das<br />
Gedankengut oft in der Familie wei -<br />
tergegeben wurde, seien diese Gebie te<br />
„bis heute Hochburgen”. Aktuell sei<br />
auch die nähe zu Deutschland ausschlaggebend,<br />
wo es ebenfalls gut or -<br />
ga ni sier te neonazis gebe.<br />
Dass das Oberösterreichische Netzwerk<br />
gegen Rassismus und Rechtsextremis mus<br />
mitten im Landtagswahlkampf der<br />
FPÖ in einem „Dossier” Rechtsex tre -<br />
mis mus vorgeworfen hat, begrüßt Pe -<br />
ham. natürlich bestehe dabei auch die<br />
Gefahr einer mobilisierung der Ge gen -<br />
seite, aber: „Was wäre die Alter na tive?<br />
Schweigen kann es nicht sein.”<br />
„Reden, reden, reden” sei ohnehin das<br />
Einzige, was man gegen den zunehmenden<br />
Rechts extremismus unternehmen<br />
kann, glaubt Peham. „Man muss<br />
vor allem mit Jugendlichen arbeiten, die<br />
kann man noch zum Umdenken bewe -<br />
gen.” Er sei gespannt, ob ab Herbst,<br />
wie von der Regierung versprochen,<br />
mehr in po litische Bildung an Schulen<br />
in vestiert werde, oder ob es sich nur<br />
um ein „Lippenbekenntnis” angesichts<br />
der jüngsten Vorfälle etwa im KZ<br />
Ebensee handle. Generell müsse die<br />
Bil dung der Jugendlichen aber eine<br />
„ge samtgesellschaftliche Anstrengung”<br />
sein, die nicht nur von einer institu tion<br />
verlangt wird. Von der Politik er warte<br />
er sich außerdem „mehr Demo kra tisie -<br />
rung” und „Mut zur inhaltlichen Ab gren -<br />
zung”, betonte Peham. •<br />
14 August 2009 - Aw/Elul 5769