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Die Gemeinde - Israelitische Kultusgemeinde Wien

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en den sowie Holocaust-Überlebenden<br />

beziehungsweise deren nach fah -<br />

ren zu beantworten. Letztere werden<br />

sofort bearbeitet. Bei Abfragen für<br />

For schungs- oder Gedenkprojekte so -<br />

wie Dissertationen und Diplomarbei<br />

ten könne die Wartezeit jedoch bis<br />

zu zwei monate betragen, bedauert<br />

Uslu-Pauer.<br />

Derzeit ist das Archiv der iKG nicht<br />

öf fentlich zugänglich. Das heißt: es<br />

kann weder von Wissenschaftern<br />

noch von Privatpersonen direkt ge -<br />

nutzt wer den. Persönlich mit den ma -<br />

teria li en arbeiten dürfen nur die mit -<br />

ar bei ter der Res titutionsabteilung der<br />

Kultus ge mein de sowie, unter Anlei -<br />

tung, die mitglie der der Kommission<br />

für Pro ve nienz forschung sowie mit -<br />

ar beiter des na ti o nalfonds der Repu -<br />

blik Ös ter reich und des Allgemeinen<br />

Ent schä di gungs fonds.<br />

Was aber macht das Archiv der iKG<br />

so einzigartig? Herausstechend sind<br />

vor allem der lange Zeitraum, über<br />

den material gesammelt wurde, und<br />

die Fülle der Dokumente – darunter<br />

auch detailliertes material aus der<br />

nS-Zeit, wie etwa tausende und abertausende<br />

Karteikarten sowie Auswan -<br />

derungs-Fragebögen. Was die Arbeit<br />

der heutigen Archivare schwierig<br />

macht, ist die „Zerrissenheit der Be stän -<br />

de“ ab der nS-Zeit, sagt Uslu-Pau er.<br />

So wurden Teile der Akten von den<br />

nationalsozialisten zunächst nach Ber -<br />

lin ins Reichssicherheitshauptamt ver -<br />

bracht, im Sommer 1943 im Zug der<br />

Luftangriffe allerdings nach Schlesien<br />

übersiedelt. Dort wurden sie nach<br />

Ende des Zweiten Weltkriegs von der<br />

Roten Armee entdeckt und nach mos -<br />

kau transportiert, wo sie bis heute<br />

lagern. <strong>Die</strong>se Bestände könnten übrigens<br />

in absehbarer Zeit wieder nach<br />

<strong>Wien</strong> übersiedelt werden. im vergangenen<br />

mai wurde die Sichtung des<br />

Gesamtbestandes in moskau abgeschlossen.<br />

iKG und Außenministe ri um<br />

bemühen sich derzeit um die Rück ga -<br />

be der über 1.200 Archivkartons. nun<br />

gilt es die Entscheidung Russlands<br />

abzuwarten.<br />

Andere materialien wiederum, die<br />

aus der Zeit vor 1938 und aus der nS-<br />

Zeit stammen, wurden in mehreren<br />

Tranchen in den 1950-er bis 1970-er<br />

Jahren nach Jerusalem verbracht, wo<br />

sie bis heute als Leihgabe der iKG in<br />

IN EIGENER SACHE • HINTER DEN KULISSEN<br />

den Central Archives for the History of<br />

the Jewish People lagern.<br />

Und der dritte große Teil des Archivs,<br />

dessen Kern Dokumente aus der nS-<br />

Zeit bilden, der aber auch material<br />

aus der Zeit vor 1938 und nach 1945<br />

umfasst, wurde 1986 bei Umbauar bei -<br />

ten im Keller der Seitenstettengasse<br />

zum ersten mal entdeckt. Wohin dieser<br />

Archivbestand damals gebracht<br />

wurde, geriet allerdings in Verges sen -<br />

heit und sollte sich erst 2000 klären.<br />

in diesem Jahr wurden in einem La -<br />

ger in der Herklotzgasse kistenweise<br />

Dokumente gefunden, welche die iKG-<br />

Verantwortlichen daraufhin um ge hend<br />

in die Räumlichkeiten der An lauf stel le<br />

der iKG transportieren ließen. in den<br />

hunderten Kisten fanden sich schließlich<br />

u.a. an die 500.000 Blätter aus der<br />

nS-Zeit – wertvolles material nicht nur<br />

zur Aufarbeitung der Shoah mit personenbezogenen<br />

Karteien, son dern<br />

auch zur Beantwortung von Fragen<br />

zum Ver mögensentzug und ei ner allfälligen<br />

„Wiedergut ma chung“.<br />

<strong>Die</strong> Ur sprün ge<br />

des Ar chivs reichen<br />

in des sen<br />

we sent lich wei -<br />

ter zu rück.<br />

Of fi zi ell ge grün -<br />

det wur de das<br />

Ar chiv der Kul -<br />

tus ge mein de<br />

im Juni 1816.<br />

<strong>Die</strong> Vertreter der<br />

jü di schen Gemein -<br />

de be schlossen da -<br />

mals, den Aktuar,<br />

so nann te man den<br />

Schriftführer, „zu ver -<br />

anlassen, alle Akten -<br />

stücke, die in An ge le gen -<br />

heiten der hiesigen Israeli ten<br />

ergan gen sind, zusam men -<br />

zulegen, um sie zu ei nem<br />

gewissen Gebrauche zu verwenden“.<br />

Gesammelt und dokumentiert<br />

werden sollten damit beispielsweise<br />

alle Patente, also kaiserliche Er -<br />

lässe und Verordnungen, welche die<br />

Rechte und Pflichten der ortsansässigen<br />

Juden re gelten.<br />

Es dauerte jedoch weitere 30 Jahre, „bis<br />

sich das Archiv institutionalisierte“, er -<br />

zählt Uslu-Pauer. Der damalige Ar -<br />

chi var Ludwig August Frankl sorgte für<br />

eine bessere Unterbringung der Ar chi -<br />

valien und ließ im Gebäude der Ge -<br />

mein de in der Seitenstettengasse ei nen<br />

Archivraum einrichten. <strong>Die</strong> alten und<br />

neu hinzukommenden Ak ten stücke<br />

wur den sukzessive geordnet, indiziert<br />

und katalogisiert. Wie einem Bericht<br />

Frankls vom September 1841 zu entnehmen<br />

ist, umfassten die Bestände zu<br />

diesem Zeitpunkt 10.145 Akten stü cke,<br />

davon 22 aus den Jahren 1626 bis 1805,<br />

die restlichen aus der Zeit danach.<br />

Anfang des 20. Jahrhunderts wurde<br />

die „Historische Kommission“ ge grün -<br />

det. „Sie sollte sich mit der wissenschaftlichen<br />

Aufarbeitung der Geschichte der<br />

Ju den in Österreich befassen und zu diesem<br />

Zweck sämtliche, in österreichischen<br />

Ar ch i ven verfügbaren historischen Quel -<br />

len, zu diesem Thema identifizieren und<br />

sammeln“, sagt Uslu-Pauer. <strong>Die</strong> Grün de<br />

für diese initiative seien nicht eindeutig<br />

belegt. „Ein Grund könnte in dem zuneh<br />

menden Bedürfnis nach Iden ti tätssi -<br />

cherung liegen“, meint die Lei te rin des<br />

iKG-Archivs. „Ein weiterer könnte auch<br />

gewesen sein, dem damals stark wachsenden<br />

Antisemitismus mit fun diertem<br />

Wissen über die Geschichte der Juden in<br />

Österreich entgegentreten zu kön nen.“<br />

Unmittelbar nach dem „An -<br />

schluss“ Österreichs an Hit ler-<br />

Deutschland im märz 1938<br />

wurde das Archiv aufgelöst<br />

und die <strong>Kultusgemeinde</strong> zu -<br />

nächst geschlossen, im mai<br />

1938 jedoch wieder geöffnet<br />

und gezwungen, „unter<br />

An weisung der NS-Be hör -<br />

den die Aus wan de rung<br />

der jüdischen Be völ ke -<br />

rung und in wei terer<br />

Folge die De por ta -<br />

tion von Jü din nen<br />

und Ju den in die<br />

Kon zen tra tions- und<br />

Vernich tungs lager zu<br />

organisieren“.<br />

Erschütternde, großformatige Dokumente<br />

aus dieser Zeit, die sich bis<br />

heute im Archiv der iKG, aber auch<br />

teils in moskau, befinden: Wand ta -<br />

feln, auf denen schematisch „<strong>Die</strong> jüdische<br />

Wanderung aus der Ostmark“ dargestellt<br />

wird. <strong>Die</strong> Tafeln seien vermutlich<br />

im Auftrag der „Zentralstelle<br />

für jüdische Auswanderung“ von<br />

mitarbeitern der <strong>Kultusgemeinde</strong> an -<br />

gefertigt worden, so Uslu-Pauer. Für<br />

die Leiterin des Archivs sind diese<br />

August 2009 - Aw/Elul 5769 5

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