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Die Gemeinde - Israelitische Kultusgemeinde Wien

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Wand tafeln, die die erzwungene Aus -<br />

wanderung der jüdischen Auswande -<br />

rung dokumentieren, „Schaltstellen des<br />

Grauens, in denen das von Adolf Eich -<br />

mann entwickelte System der Ausbeu tung<br />

und Vertreibung sichtbar wird“. Dar ge -<br />

stellt werden u.a. alle Ämter und<br />

Behörden, die Juden vor ihrer Ausrei se<br />

aufzusuchen hatten. So wurde sichergestellt,<br />

dass die jüdische Bevöl ke -<br />

rung nicht nur zusehends verschwand,<br />

sondern auch „durch diskriminierende<br />

Steuern und Abgaben ihres gesamten<br />

Vermögens beraubt wurde“.<br />

nach 1945 wurde das Archiv zu nächst<br />

nicht wieder eingerichtet. Ein Teil der<br />

Bestände lagerte zu diesem Zeitpunkt<br />

bereits in moskau, große Teile der<br />

übrigen wurden, wie bereits beschrieben,<br />

nach israel transportiert. „Anzu -<br />

neh men ist, dass das Archiv in den un -<br />

mittelbaren Nachkriegsjahren nicht zu den<br />

vordringlichsten Problemen zählte. Es galt<br />

vielmehr, wesentliche Fragen, wie etwa<br />

die Hilfe für die rückkehrenden Jüdinnen<br />

und Juden oder Angehörige von im Ho lo -<br />

caust Ermordeten beziehungsweise Fra -<br />

gen der Entschädigung, zu klären“, sagt<br />

Uslu-Pauer. Zudem habe es Beden ken<br />

gegeben, ob sich in <strong>Wien</strong> je wieder<br />

eine lebendige jüdische <strong>Gemeinde</strong><br />

etablieren werde können.<br />

Erst mit der Wiederentdeckung der<br />

Archivbestände in der Herklotzgasse<br />

im Jahr 2000 habe man dem gesamten<br />

Archiv zunehmend größere Beach tung<br />

geschenkt. Bis Anfang 2009 war es an<br />

die ehemalige Anlaufstelle der iKG<br />

angeschlossen. mit Jahresbeginn wur -<br />

de die Anlaufstelle aufgelöst und<br />

zwei neue Abteilungen gegründet: die<br />

Abteilung für Restitutionsange le -<br />

genheiten und die Abteilung Archiv<br />

der iKG <strong>Wien</strong>. „<strong>Die</strong>s bedeutet eine enorme<br />

Aufwertung für das Archiv“, freut<br />

sich Uslu-Pauer.<br />

in enger Zusammenarbeit mit dem<br />

Prä sidium und dem Generalsekre ta -<br />

riat arbeiten die beiden Historiker<br />

Uslu-Pauer und Forster nun an der<br />

„Wie derherstellung des Archivs“. Ob<br />

die Bestände, die derzeit in moskau<br />

lagern, nach <strong>Wien</strong> übersiedelt werden,<br />

wird die Zukunft zeigen. Von<br />

den heute in Jerusalem verwahrten<br />

Akten sind die Bestände aus den Jah -<br />

ren 1933 bis 1945 bereits mikroverfilmt,<br />

„das entspricht etwa der Hälfte des Ge -<br />

samtumfangs von drei Millionen Sei ten“.<br />

Von jenen Beständen, die sich in <strong>Wien</strong><br />

IN EIGENER SACHE • HINTER DEN KULISSEN<br />

befinden, habe man alles, was die nS-<br />

Zeit betreffe und darüber hinaus, zu<br />

90 Prozent inventarisiert beziehungsweise<br />

auf mikrofilm gebannt (rund<br />

ei ne million Aufnahmen), „Teile davon<br />

bedürfen jedoch noch einer intensiveren<br />

Überarbeitung“. Auch der Großteil der<br />

erhaltenen matrikenbücher bis 1945,<br />

die zum Teil im Archiv und teils im<br />

ma trikenamt der iKG aufbewahrt<br />

werden, sei bereits verfilmt. Das ma -<br />

te rial aus der Zeit vor 1938 und nach<br />

1945 hingegen habe man erst zu ei nem<br />

kleinen Teil erfasst, so die Leiterin des<br />

Archivs.<br />

mit der Sichtung, Konservierung, in -<br />

ven tarisierung und sachgemäßen La -<br />

gerung aller Dokumente liegt da her<br />

noch ein großer Teil der Arbeit vor<br />

Us lu-Pauer und Forster, der be reits<br />

seit mehr als zehn Jahren mit der wissenschaftlichen<br />

Aufarbeitung der nS-<br />

Zeit, unter anderem auch im Rahmen<br />

der Historikerkommission der Repu -<br />

blik, beschäftigt ist. Zur Seite gestellt<br />

haben die beiden Historiker dabei<br />

immer wieder die eine oder andere<br />

„Pro blemkiste“: darin finden sich lo se<br />

Blätter, zeitlich und vom Kontext her<br />

nicht zuordenbar. Hier gelte es zuerst<br />

einmal „die Entstehungszusammen hän ge<br />

zu eruieren“.<br />

„Wir planen bis Mitte beziehungsweise<br />

Ende 2010 mit der Inventarisierung der<br />

Bestände am Desider-Friedmann-Platz<br />

zur Person<br />

fertig zu werden“, sagt Uslu-Pauer. Wei -<br />

tere Vorhaben: die komplette Über -<br />

arbeitung des Verwaltungsarchivs der<br />

iKG nach 1945 sowie die Einrichtung<br />

einer Website. Auf dieser soll „u.a. die<br />

Genese des Archivs dargestellt werden“.<br />

Uslu-Pauers Wunschtraum: „<strong>Die</strong> He -<br />

raus gabe eines Archivhandbuchs, sozusagen<br />

ein Adelsprädikat eines Archivs, und<br />

ein übersichtlich inventarisiertes Archiv,<br />

das öffentlich zugänglich ist, in dem man<br />

forschen kann und in dem man Akten auf<br />

Knopfdruck findet.“ Dabei behilflich:<br />

Rainer Hackauf, der für Restitutions -<br />

abteilung und Archiv die EDV be treut,<br />

und Roy Riginashevily, zuständig für<br />

Layout und Design.<br />

in ihrer bisherigen Arbeit im Archiv<br />

der iKG haben Uslu-Pauer vor allem<br />

„die Karteikarten, die persönliche Schick -<br />

sale sichtbar machen“ beeindruckt. im -<br />

mer wieder „berührend“ seien auch die<br />

Fragebögen zur Auswanderung. ihr<br />

„ku riosester Fund“ in den vergangenen<br />

Jahren: „Ich habe einen Akt bearbeitet,<br />

in dem auch falsche Zähne enthalten<br />

waren.“ Forster findet es vor allem er -<br />

staunlich, wenn er im Zug der Auf ar -<br />

beitung von Akten mit namen konfrontiert<br />

wird, die er bereits in anderen<br />

wissenschaftlichen Zusammen hän gen<br />

kennengelernt hat. „Man bekommt im -<br />

mer neue Puzzlesteine für dieses gigantische<br />

Puzzle NS-Zeit.“<br />

mag. susanne uslu-Pauer, geb. 1969 in Hainburg (nÖ), absolvierte zu nächst<br />

eine Ausbildung zu Reiseleiterin und Gästebetreuerin und studierte dann<br />

ab 1992 Geschichte und Kunstgeschichte an der Universität <strong>Wien</strong>. Von 1999<br />

bis 2006 war sie als wissenschaftliche mitarbeiterin im Rahmen von Projek -<br />

ten des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands (DÖW),<br />

der Zentralen österreichischen Forschungsstelle nachkriegsjustiz sowie des<br />

Ver eins zur Erforschung nationalsozialistischer Gewaltverbrechen und<br />

ihrer Aufarbeitung tätig.<br />

Als Uslu-Pauers Forschungsschwerpunkte kristallisierten sich dabei heraus:<br />

die nachkriegsjustiz in Österreich, die strafrechtliche Verfolgung von „End -<br />

pha severbrechen“, nS-Verbrechen an so genannten Zwangsarbeitern und nS-<br />

Verbrechen an Roma und Sinti, Erinnerungskultur und Vergangenheits po -<br />

li tik sowie holocaustrelevante Themenbereiche. Seit Jänner 2007 ist die<br />

Historikerin mitarbeiterin im Archiv der iKG. im Jänner 2009 hat sie die<br />

Leitung der Abteilung Archiv der iKG <strong>Wien</strong> übernommen.<br />

Privat interessiert sich Uslu-Pauer auch für Kunst und Literatur und sie reist<br />

gerne. ihr größter Wunsch: einmal Australien und neuseeland zu bereisen<br />

und einen historischen Roman zu schreiben.<br />

6 August 2009 - Aw/Elul 5769

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