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GESUNDHEITSPoLITIK<br />
Im Sauseschritt<br />
Röslers unerwarteter Aufstieg in die Bundesregierung<br />
Die FDP war immer schon von der schnellen Truppe. Das gilt insbesondere für ihren Landesvorsitzenden.<br />
Philipp Rösler denkt schnell und spricht schnell, und in den Kommentaren<br />
dieser Tage taucht immer wieder die Vokabel vom »blitzgescheiten« FDP-Politiker auf<br />
Was die personellen<br />
Folgen seines unerwarteten<br />
Aufstiegs<br />
in die Bundesregierung<br />
betrifft, haben<br />
die Liberalen ihren Hang zur Geschwindigkeit<br />
weit in den eigenen Schatten<br />
gestellt. Innerhalb weniger Stunden<br />
hatte sich Fraktionschef Jörg Bode zu<br />
entscheiden, ob er Rösler im Amt des<br />
Wirtschaftsministers – und damit auch<br />
des stellvertretenden Ministerpräsidenten<br />
– folgen will. Und ein junger<br />
Abgeordneter, der sich noch gar nicht<br />
richtig damit vertraut machen konnte,<br />
innerhalb so kurzer Zeit in der aktiven<br />
Politik bereits als Parlamentarischer<br />
Geschäftsführer in der Fraktionsführung<br />
mitzumischen, wird nach wenigen<br />
Monaten bereits Fraktionsvorsitzender.<br />
Christian Dürr (32) aus dem<br />
oldenburgischen musste diese Entscheidung<br />
ebenfalls im Handumdrehen<br />
treffen. Mit Christian Grascha<br />
rückt ein weiterer Liberaler dieser Altersklasse<br />
als »Parlamentarischer«nach.<br />
Personelle Veränderungen, denen anderenorts<br />
wochen-, wenn nicht monatelange<br />
Diskussionen vorangehen,<br />
sind in der niedersächsischen FDP allesamt<br />
innerhalb von drei Tagen nicht<br />
nur beschlossen, sondern gleich umgesetzt<br />
worden.<br />
Die Freien Demokraten konnten all<br />
dies nur bewerkstelligen, weil sie – anders<br />
als manch andere Partei – über eine<br />
große Auswahl an Nachwuchspolitikern<br />
verfügen. Sie hatten ihren Aderlass<br />
bundesweit in den 80er Jahren zu<br />
bewältigen, als sich die Partei nach<br />
dem Bündniswechsel von der SPD zur<br />
CDU regelrecht spaltete und zahlreiche<br />
liberale Persönlichkeiten der FDP den<br />
Rücken kehrten, um bei den Sozialdemokraten<br />
ihr Heil zu suchen. 20 Jahre<br />
Was der Große König, Friedrich II, über die Stellung eines »Gesundheitsministers«<br />
dachte, geht aus seinem Erlass an den Minister von Hagen vom Februar<br />
1784 hervor, in dem es abschließend nach einer vorausgegangenen Fehlbesetzung<br />
betreffend heißt:<br />
»Wie schickt sich denn ein Justiz-Mann zu dem Medizinischen Fach; davon<br />
versteht er ja nichts, und soll auch keiner dergleichen wieder dabei gesetzt<br />
werden. Vielmehr gehört dazu ein guter und vernünftiger Medicus.«<br />
Dr. G. L. Mamlock<br />
Friedrich des Großen Korrespondenz mit Ärzten; F. Enke Verlag 1907<br />
Bundesgesundheitsminister<br />
Dr. Philipp Rösler<br />
hat es gedauert, bis sich die FDP davon<br />
erholt hat. Jetzt steht sie – vor allem in<br />
<strong>Niedersachsen</strong> – mit einem breiten Angebot<br />
an Nachwuchspolitikern da, die<br />
sich von dem Gedanken an Freiheit und<br />
Unabhängigkeit offenbar mehr angezogen<br />
fühlen als von dem Drang nach<br />
sozialer Gerechtigkeit – auch wenn sich<br />
beides nicht zwingend ausschließen<br />
muss. Und sie verfügt weiterhin über<br />
eine große Zahl erfahrener Politiker,<br />
die den Wechsel von Sozialliberal zu<br />
Schwarz-Gelb noch erlebt haben. Was<br />
der FDP fehlt, ist die mittlere Alterklasse,<br />
die aufgrund dieser Entwicklung<br />
nur dezimiert präsent ist.<br />
Wenn jetzt in der politischen Konkurrenz<br />
darüber gelästert wird, dass<br />
der schnelle Wechsel auf unerfahrene<br />
junge Politiker für die Führungsämter<br />
foto: ZKn-ArCHiv<br />
in Regierung und Landtagsfraktion ein<br />
Beleg für die dünne Personaldecke der<br />
Liberalen ist, darf man das getrost als<br />
blanken Neid interpretieren. Gerade<br />
bei der SPD und den Grünen ist die<br />
Nachwuchsgeneration in den Parlamenten<br />
sehr spärlich gesät, während<br />
bei den Liberalen und auch bei der Union<br />
die Nachwuchsarbeit der vergangenen<br />
Jahre bereits Früchte trägt. Wie anders<br />
wäre sonst zu erklären, dass die<br />
Führung der Grünen-Bundestagsfraktion<br />
mit Altgedienten wie Renate Künast<br />
und Jürgen Trittin bestückt ist und<br />
die Kandidatur von Sigmar Gabriel<br />
zum SPD-Parteivorsitzenden praktisch<br />
ohne Alternative ist? Anne Zick,<br />
rundblick, 28.10.2009 l<br />
Philipp Rösler<br />
vor seiner<br />
größten Herausforderung<br />
Zu den großen Überraschungen<br />
der jetzt zu Ende gegangenenKoalitionsverhandlungen<br />
von Union und FDP in<br />
Berlin gehört ganz sicher die<br />
Berufung von Dr. Philipp Rösler zum<br />
neuen Bundesgesundheitsminister.<br />
Der amtierende niedersächsische Wirtschaftsminister<br />
hatte bislang nie einen<br />
Hehl daraus gemacht, dass ihm eine<br />
Karriere in der Bundespolitik nur wenig<br />
erstrebenswert erscheint. Zwar hat<br />
sein Parteivorsitzender, der designierte<br />
Bundesaußenminister Dr. Guido<br />
Westerwelle, seit geraumer Zeit daran<br />
gearbeitet, Rösler für Berlin zu gewinnen,<br />
aber der Niedersachse und junge<br />
Familienvater hat das bisher erfolgreich<br />
abwehren können. Nun hat es der<br />
offenkundige Mangel an jungen, unverbrauchten<br />
Gesichtern bei der FDP<br />
erforderlich gemacht, dass sich Rösler<br />
doch in die Pflicht nehmen lässt. Man<br />
hätte ihm gewünscht, dass es nicht gerade<br />
das Gesundheitsministerium, eines<br />
der schwierigsten Ressorts im Bundeskabinett,<br />
sein sollte, mit dem Rösler<br />
in die Bundespolitik startet. Von<br />
Freund und Feind gern als »Haifischbecken«<br />
bezeichnet, ist das Ministerium<br />
Die Liberalen haben am<br />
27.10.2009 ihre Nachfolgeregelung<br />
nach dem Wechsel<br />
von Parteichef Dr. Philipp<br />
Rösler in die Bundesregierung<br />
beschlossen. Der Vorschlag<br />
des geschäftsführenden Landesvor-<br />
und vor allem dessen Umfeld – in Form<br />
zahlreicher Lobbygruppen von den Ärzteverbänden<br />
über die Pharmaindustrie<br />
und die Krankenkassen bis hin zu<br />
dem schwächsten Glied in der Kette,<br />
den Patienten – wohl die größte Herausforderung<br />
für den jungen Liberalen.<br />
Rösler hat dergleichen bislang nie<br />
gescheut. Er war gerade 27 Jahre alt, als<br />
er Generalsekretär der Landespartei<br />
wurde, und knapp 33 Jahre, als er den<br />
Vorsitz der Partei von Walter Hirche<br />
übernahm. Auch in den Landtag ist er<br />
gleich »von oben« eingestiegen: Nach<br />
der Rückkehr der FDP ins Landesparla-<br />
FDP beschließt Personalentscheidungen<br />
Jörg Bode Christian Dürr Christian<br />
Gero Clemens<br />
Grascha<br />
Hocker<br />
stands der Partei vom Wochenende,<br />
Landtagsfraktionschef Jörg Bode zum<br />
neuen Wirtschaftsminister und damit<br />
zum stellvertretenden Ministerpräsidenten<br />
zu nominieren, wurde vom<br />
Landesvorstand einstimmig bestätigt.<br />
Am Abend trat die Landtagsfraktion zu<br />
Widmann-Mauz und Kapferer<br />
werden BMG-Staatssekretäre<br />
Daniel Bahr, Dr. Philipp Rösler und<br />
Annette Widmann-Mauz<br />
Das Team fürs BMG steht:<br />
Neben Daniel Bahr (FDP)<br />
wird die bisherige gesundheitspolitische<br />
Sprecherin<br />
der CDU/CSU-Fraktion im<br />
Bundestag, Annette<br />
Widmann-Mauz, parlamentarischeStaatssekretärin<br />
im Bundesgesundheitsministerium.<br />
Die 43-Jährige ist<br />
seit 1998 im Bundestag.<br />
Sie hätte sich auch<br />
selbst die Führung des<br />
BMG zugetraut, verriet<br />
sie dem »Schwäbischen<br />
Tagblatt«. Aber: »Nicht jeder<br />
Wunsch lässt sich erfüllen.« Ihre Aufgabe<br />
sei nun, »darauf zu achten, dass bei<br />
den schwierigen Entscheidungen, die<br />
nun anstehen, die soziale Balance im<br />
ment nach fast zehnjähriger Abstinenz<br />
startete Rösler 2003 als Fraktionsvorsitzender,<br />
bis er im Februar dieses Jahres<br />
Hirche auch als Wirtschaftsminister<br />
beerbte. In Berlin ist der inzwischen<br />
36-jährige Mediziner erneut der Jüngste<br />
in der künftigen Regierungskoalition,<br />
und man kann ihm nur wünschen,<br />
dass es ihm auch dort gelingt, die großen<br />
Probleme, die das Ressort mit sich<br />
bringt, mit seinem jugendlichen Elan<br />
und viel Fortune in den Griff zu bekommen.<br />
rundblick, 26.10.2009 l<br />
einer Sitzung zusammen, um Bodes<br />
Nachfolger zu wählen. Der bisherige<br />
Parlamentarische Geschäftsführer, der<br />
32-jährige Christian Dürr aus Ganderkesee,<br />
bekam als neuer Fraktionschef<br />
ebenfalls ein einstimmiges Votum. Zu<br />
seinem Amtsnachfolger wählten die<br />
Abgeordneten den 31-jährigen Finanzpolitiker<br />
Christian Grascha aus Einbeck,<br />
wiederum ohne Gegenstimmen. Der<br />
designierte Gesundheitsminister Rösler,<br />
der an diesem Mittwoch im Bundestag<br />
vereidigt werden soll, scheidet<br />
damit auch aus dem Landtag aus. Für<br />
ihn wird der Diplomökonom Gero Clemens<br />
Hocker aus Achim in die FDP-<br />
Fraktion nachrücken.<br />
rundblick, 28.10.2009 l<br />
Gesundheitswesen nicht verloren<br />
geht«, sagte sie der Zeitung.<br />
Neuer beamteter Staatssekretär<br />
wird Medienberichten zufolge Stefan<br />
Kapferer (FDP). Der 44-Jährige war bislang<br />
unter Rösler Staatssekretär im<br />
niedersächsischen Wirtschaftministerium.<br />
Kapferer ist Verwaltungswissenschaftler.<br />
Er war unter anderem Kampagnenmanager<br />
der FDP-Bundesgeschäftsstelle,<br />
stellvertretender Bundesgeschäftsführer<br />
der Liberalen und<br />
fünf Jahre lang Abteilungsleiter in der<br />
Staatskanzlei <strong>Niedersachsen</strong>s.<br />
www.facharzt.de, 27.10.2009 l<br />
692 · ZKN mit teiluNgeN · 11 | 2009 11 | 2009 · ZKN mit teiluNgeN · 693<br />
foto: internetSeite WiDMAnn-MAuZ<br />
fotoS: fDP nieDerSACHSen<br />
»Hätte mir jemand dies vor vier Wochen prognostiziert,<br />
hätte ich ihn um eine Kostprobe von<br />
dem Zeug gebeten, das er gerade raucht.«<br />
www.hippokranet.com, 25.10.2009