April 2009 als pdf herunterladen - Israelitische Kultusgemeinde Wien
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sche Gemein de leben aufbaut.<br />
Sie sind heute 24 Jahre alt, seit wann<br />
wissen Sie über Ihr Judentum Bescheid?<br />
christian: Ich erinnere mich an einen<br />
sonnigen Sonntag, <strong>als</strong> meine Eltern<br />
mit uns in den Park spazieren gingen,<br />
mein jüngerer Bruder Norbert war<br />
auch dabei, und plötzlich sagten sie:<br />
„Ihr seid Juden“. Und wir schauten sie<br />
er staunt an und sagten: „Großartig!<br />
Und bitte schön was ist das?“ Ich ahnte<br />
schon früher, dass irgendetwas bei<br />
uns anders war: In der Schule ärgerte<br />
ich mich über meinen Familiennamen<br />
Ezri. Er klang einfach nicht rumänisch,<br />
wie bei den anderen Kindern.<br />
Wie fanden Sie dann doch zu Ihrer<br />
ausgeprägten jüdischen Identität?<br />
christian: Nach der Wende – und ih rer<br />
plötz lichen Ankündigung - schickten<br />
uns die Eltern dann zum jüdischen<br />
Chor. Dort war ich zwar stimmlich ei ne<br />
Niete, unversehens aber in jüdischer<br />
Gesellschaft. Der Chor war eine Art<br />
Ein trittskarte in die jüdische Ge mein -<br />
schaft. Nur wer im Chor war, durfte<br />
auch ins Sommercamp mitfahren, und<br />
dieses war ebenfalls eine große At trak -<br />
tion.<br />
Sie sind aber heute Präsident der Ju gend -<br />
gruppe des JCC (Jewish Commu ni ty<br />
Center) und der wichtigste „Aktivist“.<br />
Wie kam es dazu?<br />
christian: Im Sommercamp in Ru -<br />
mänien ha be ich den religiösen Ritus<br />
zum ersten mal erlebt, konnte aber<br />
nichts damit anfangen. Es war sogar<br />
peinlich, <strong>als</strong> man mich <strong>als</strong> Kohen aufgefordert<br />
hat zu beten: Christian der<br />
Kohen!<br />
Der Wendepunkt in meinem Leben<br />
kam mit dem ersten Besuch im un -<br />
gari schen Szarvas 1995. Das war der<br />
JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />
Treffpunkt jüdischer Kinder aus dem<br />
gan zen mitteleuropäischen Raum:<br />
Das war das Ferienlager der Ronald S.<br />
Lauder Foundation gemeinsam mit dem<br />
American Jewish Joint Distribution Com -<br />
mittee. In diesem International Sum mer<br />
Camp fühlte ich mich pudelwohl, un ter<br />
500 lautstarken, verrückten Kin dern<br />
aus neun verschiedenen Ländern. Hier<br />
konnte ich mich öffnen. Hier wurde<br />
die Saat für meine Zukunft aus gesät.<br />
Sie haben Ihren Studienabschluss in<br />
Computer-Wissenschaften gemacht.<br />
Wie ist sich das mit der Universität und<br />
der intensiven Arbeit für das Jewish<br />
Community Center (JCC) ausgegangen?<br />
christian: meine gesamte Freizeit<br />
habe ich im JCC verbracht. Und eines<br />
Tages habe ich im Computer-Zimmer<br />
Edith miriam entdeckt – und dann<br />
war ich gefangen. Ich hätte meine<br />
Ausbil dung auch in Cluj (Klausen -<br />
burg, Kolosvár) oder Timisoara (Te -<br />
meschwar, Temes vár) machen können,<br />
dort gibt es an spruchsvollere Uni ver -<br />
si täten. Aber ich wollte in Oradea<br />
bleiben und für die jüdische Gemein de<br />
arbeiten.<br />
edith: Ja, das stimmt. Seit wir uns<br />
kennen, haben wir viel gemeinsam<br />
für die Jugend aufgebaut.<br />
Ich war<br />
mit meinen beiden<br />
Ge schwistern schon<br />
viel früher im Ju -<br />
gend zentrum <strong>als</strong><br />
Christian. Und ob -<br />
wohl mein Vater<br />
kein Jude ist, hat er<br />
meine mutter in<br />
unserer jüdischen<br />
Erziehung immer<br />
voll unterstützt.<br />
Als ihn sein Pries -<br />
ter nach der zivilen<br />
Heirat mit einer Jü -<br />
din anspuckte, ließ er diese Vergan -<br />
© Ben Harris/JTA<br />
Christian Ezri und Edith Homonnai<br />
Christian Ezri mit Freund vor einer<br />
100-jährigen Synagoge in Oradea.<br />
genheit hinter sich. Er geht mit uns in<br />
die Synagoge und feiert alles mit.<br />
Wie viele Gemeindemitglieder gibt es<br />
heute?<br />
edith: Wir haben eine Liste von rund<br />
700 jüdischen menschen. Wenn Leute<br />
zu Pessach ihre Mazzot abholen, lassen<br />
wir sie gleich Fragebögen ausfüllen<br />
und so erweitern und aktualisieren wir<br />
unsere Listen. Gleichzeitig fragen wir<br />
sie nach ihren Interessen und Hob bies<br />
und so können wir sie dann besser in<br />
die diversen Freizeitgruppen einteilen.<br />
Bekommen Sie Unterstützung aus<br />
Bukarest?<br />
christian: Die Gemeinde in der Haupt -<br />
stadt initiierte die Organisation der<br />
Jugend in allen größeren rumänischen<br />
Städ ten. Damit bekam auch un -<br />
sere Arbeit eine kompakte Struk tur:<br />
Die Ju gend lichen sind in einer sicheren<br />
Umge bung, lernen He brä isch,<br />
spielen Tisch tennis, hören<br />
israelische musik und or -<br />
ga nisieren Tanz- und Koch -<br />
kurse. Und durch die fi -<br />
nan zielle Un terstützung<br />
konnten wir unsere Ar beit<br />
seit 2007 professionalisieren.<br />
Es muss trotzdem noch<br />
Freiwillige geben, denn<br />
wir kümmern uns um vier<br />
Gruppen: Kinder, Jugend -<br />
li che, sowie Middle und<br />
Golden Age.<br />
<strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769 35<br />
© Reinhard Engel<br />
© Ben Harris/JTA