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<strong>1990</strong> bis <strong>2005</strong> Jubiläumsausgabe<br />
15 Jahre Landesverband <strong>Sachsen</strong><br />
Prof. Dr. Norbert Walter<br />
Chefvolkswirt<br />
Deutsche Bank AG<br />
Die bittere Enttäuschung über<br />
den Mangel an Chancen in vielen<br />
Teilen unseres Landes, insbesondere<br />
im Osten Deutschlands steht<br />
im Gegensatz zu den versprochenen<br />
blühenden Landschaften. Nach 15<br />
Jahren deutscher Einigung ist es an<br />
der Zeit, Zwischenbilanz zu ziehen,<br />
Versäumnisse und Erfolge zu identifizieren,<br />
wichtiger aber – im von der<br />
Globalisierung geprägten Umfeld –<br />
die erforderlichen wirtschaftspolitischen<br />
und gesellschaftlichen Weichenstellungen<br />
zu erforschen.<br />
Die anderthalb Jahrzehnte der Politik<br />
des „Aufbau Ost“ werden derzeit überall<br />
einer kritischen Prüfung unterzogen.<br />
Die Infrastruktur der neuen<br />
Länder ist durch große öffentliche<br />
Anstrengungen weitgehend auf ein<br />
modernes Niveau gebracht worden.<br />
Trotz enorm hoher Subventionen <strong>für</strong><br />
die Investitionen in Ostdeutschland<br />
ließ sich jedoch kein dauerhaft dynamisches<br />
Wachstum erzielen. War<br />
die <strong>Wir</strong>tschaft in den ostdeutschen<br />
Bundesländern zwischen 1992 und<br />
1997 jährlich noch über 6% gewachsen,<br />
lag das jährliche Wachstum zwischen<br />
1998 und 2003 unter oder bei<br />
knapp 1%.<br />
Der Hauptgrund liegt darin, dass<br />
fast anderthalb Jahrzehnte lang die<br />
Lohnkosten weit über der Produktivität<br />
Finanzpolitik<br />
Das Wachstumspotential<br />
der ostdeutschen<br />
<strong>Wir</strong>tschaft<br />
lagen und sich erst jetzt in den privatwirtschaftlich<br />
organisierten Bereichen<br />
angemessene Marktlöhne einstellen.<br />
Hohe Transferleistungen in vielen<br />
Bereichen haben gleichwohl den<br />
Lebensstandard auf ein beachtliches<br />
Niveau gehoben.<br />
Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung<br />
ist nach einem anfänglichen<br />
Aufholprozess von Schwäche geprägt.<br />
Nach dem Bauboom bis zur Mitte<br />
der neunziger Jahre befindet sich die<br />
ostdeutsche Bauwirtschaft nach zehn<br />
Jahren noch immer in einer Anpassungsrezession.<br />
Auch die öffentlichen<br />
Dienstleistungen sind rückläufig. Die<br />
Dienstleistungsbereiche haben nach<br />
anfänglich starkem Wachstum nun<br />
ebenfalls an Dynamik verloren. Allein<br />
das Verarbeitende Gewerbe erweist<br />
sich bisher – ausgehend von niedrigem<br />
Niveau – als Wachstumsmotor.<br />
Gute Resultate haben insbesondere<br />
die Vorleistungs- und Investitionsgüterhersteller<br />
aufzuweisen.<br />
Ohne ein weiterhin hohes Tempo<br />
des Strukturwandels gibt es kaum<br />
Chancen auf <strong>Wir</strong>tschaftswachstum.<br />
Der technische Fortschritt wird in<br />
Ostdeutschland noch an Bedeutung<br />
gewinnen. Der Einsatz des Produktionsfaktors<br />
Arbeit wird dagegen<br />
durch demografische Trends in den<br />
nächsten Jahrzehnten beeinträchtigt.<br />
Bei einem Rückgang der Bevölkerung<br />
bis 2020 um fast 1,45 Millionen und<br />
einem Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials<br />
um 20 Prozent werden<br />
auch die Investitionen beeinträchtigt<br />
werden. Wegen des Schrumpfens des<br />
Arbeitskräftepotentials wird in den<br />
kommenden Jahrzehnten ein tendenziell<br />
kleinerer Output zu erwarten sein.<br />
Unter der optimistischen Annahme,<br />
dass sich die Investitionstätigkeit und<br />
die Produktivitätsentwicklung wie im<br />
Westen des Landes entwickeln werden,<br />
wird das Wachstumspotential der<br />
ostdeutschen <strong>Wir</strong>tschaft in den nächsten<br />
Jahren auf ein halbes Prozent<br />
absinken und bis 2050 dort verharren.<br />
Der Aufholprozess der ostdeutschen<br />
<strong>Wir</strong>tschaft, der bereits 1996/97 ins<br />
Stocken geriet, wird nicht wieder aufleben.<br />
Bis 2020 dürfte die Relation des<br />
Pro-Kopf-Einkommens der fünf neuen<br />
Bundesländer zum westdeutschen<br />
Durchschnitt von derzeit knapp 65<br />
Prozent sogar auf rund 60 Prozent<br />
zurückfallen und in etwa auf diesem<br />
Niveau bis 2050 stagnieren. Im Schnitt<br />
wird der Wohlstand in den neuen<br />
Bundesländern somit nur langsam<br />
zunehmen und deutlich unter dem<br />
westdeutschen Durchschnitt zurückbleiben.<br />
In Bund und neuen Bundesländern<br />
wird man sich auf die Konsequenzen<br />
dieser Entwicklungen nur vorbereiten<br />
können, wenn man bereit<br />
ist, auch kontroverse Diskussionen<br />
zu führen und zu neuen Orientierungen<br />
zu kommen. Wichtige<br />
Weichenstellungen in der Finanzpolitik,<br />
die der Konsolidierung der<br />
Staatshaushalte Priorität einräumt,<br />
sind erforderlich.<br />
Auch sind die Instrumente der Bildungs-<br />
und Arbeitsmarktpolitik zu<br />
nutzen, um möglichst viele Perso-<br />
nen in den Arbeitsmarkt zu inte-<br />
grieren. Das Erwerbspersonenpotential<br />
muss durch gut ausgebildete<br />
Arbeitnehmer und möglichst viele<br />
Selbständige bestmöglich ausgenutzt<br />
werden.<br />
… Fortsetzung auf Seite 65