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atw - International Journal for Nuclear Power | 1.2024

Rückbau und Abfallbehandlung

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38<br />

<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Rückbau und genehmigungskon<strong>for</strong>mer Betrieb:<br />

Beides schien nicht gleichzeitig möglich zu<br />

sein. Die Situation war durch folgende Effekte<br />

gekennzeichnet:<br />

⁃ Seit Jahren immer wieder Verlängerungen<br />

der geplanten Projektlaufzeiten<br />

⁃ Kaum Zusammenarbeit, stattdessen großes<br />

Gemecker über „die Anderen“<br />

⁃ Hohe Stillstandszeiten durch fehlende Kommunikation<br />

und Abstimmung<br />

Abb. 2.<br />

Organigramm AVR Betrieb und Projekt zu Projektbeginn<br />

Ca. 70 Mitarbeitende sind im AVR-Projekt beschäftigt.<br />

Zurzeit konzentrieren sich die Rückbau­<br />

Aktivitäten auf den Rückbau noch verbliebener<br />

Betonstrukturen innerhalb des Reaktorgebäudes,<br />

das Projektende „Grüne Wiese“ ist für 2036<br />

geplant.<br />

Mitautor Marco Steinbusch übernahm 2019 die<br />

Leitung des AVR-Rückbauprojekts. Damals gab es<br />

im Organigramm zwei AVR-Abteilungen, den<br />

Betrieb und das Projekt (Abbildung 2).<br />

Projekt und Betrieb waren organisatorisch und<br />

auch faktisch voneinander getrennt und wurden<br />

in Personalunion durch M. Steinbusch geleitet. In<br />

der Abteilung „Betrieb“ waren der Restbetrieb mit<br />

der 24/7-besetzten Warte und die Instandhaltung<br />

mit Werkstätten, Betriebsingenieuren und Elektro­<br />

Planern angesiedelt. Hauptaufgabe war es, den<br />

genehmigungskon<strong>for</strong>men Betrieb sicherzustellen,<br />

wobei es nicht viel Fantasie benötigt sich vorzustellen,<br />

was Betrieb bei einem Kraftwerk bedeutet,<br />

das seit vielen Jahren kernbrennstofffrei ist und<br />

der Rückbau fast ausschließlich aus dem Abbau<br />

von Betonstrukturen besteht: Lüftung, Abwasserauffanganlagen,<br />

Klimaanlagen, Brandmeldeanlage<br />

und Heizung wiederkehrend prüfen und instand<br />

setzen.<br />

In der anderen Abteilung war das „Projekt“ beheimatet<br />

mit den Funktionen Rückbauplanung und<br />

Demontageausführung.<br />

Manifestierte Interessensgegensätze<br />

Mit der Brille eines Organisationsentwicklers<br />

liegt es auf der Hand: Hier sind gegensätzliche<br />

Interessen und Aufgaben so durch den Aufbau der<br />

„Doppelabteilung“ manifestiert, dass eine effektive<br />

Zusammenarbeit im Sinne gemeinsamer Ziele<br />

gar nicht zu erwarten ist. Die Einen sollen das<br />

abbauen, was die Anderen sicher betreiben sollen.<br />

Mit jedem erfolgreichen Tag im Rückbau verkürzt<br />

sich die Existenz der Anlage und des eigenen<br />

Arbeitsplatzes.<br />

Zusätzlich zu den Interessensgegensätzen zwischen<br />

Rückbau und Betrieb gab es noch einen<br />

weiteren Aspekt, der die Situation noch verschlimmerte:<br />

Der Strahlenschutz gehörte zu einer anderen<br />

Hauptabteilung, und zwar sowohl der<br />

prak tische Strahlenschutz vor Ort, als auch die<br />

Strahlen schutz-Planung der Teilprojekte. So gab es<br />

gleich drei Parteien, die sich zum Teil gegenseitig<br />

im Weg standen.<br />

Die folgende Grafik (Abbildung 3) zeigt eindrucksvoll<br />

zu welchen Ergebnissen die problematische<br />

Zusammenarbeit geführt hat.<br />

Abb. 3.<br />

Typischer Verlauf Rückbau Betonstrukturen<br />

In dem abgebildeten Zeitraum von 3 Monaten, der<br />

64 Arbeitstage umfasst, wurde nur an 24 Tagen tatsächlich<br />

am Abbau der Betonstrukturen – hier als<br />

„Baggern“ bezeichnet – gearbeitet, an 40 Arbeitstagen<br />

konnte aus unterschiedlichen Gründen kein<br />

Rückbau betrieben werden. Diese Arbeiten stellten<br />

den kritischen Pfad dar und dem Projektplan lag<br />

eine Plan-Abbauleistung von 10 Mg/Woche zugrunde.<br />

Eine realistische Annahme, denn an den<br />

Tagen, an denen „gebaggert“ werden konnte, lag<br />

die durchschnittliche Tagesleistung bei 2.160 kg<br />

(graue Linie). Das Problem waren die häufigen<br />

ungeplanten Stillstände, die zu einer durchschnittlichen<br />

Abbruchleistung von nur 762 kg pro Arbeitstag<br />

geführt hat (orange Linie).<br />

Zu spät bestellte Filter, schlecht disponiertes<br />

Personal, schlecht abgesprochene Reparaturen,<br />

Meinungsverschiedenheiten über zu ergreifende<br />

Schutzmaßnahmen und viele weitere vermeidbare<br />

Ursachen wurden identifiziert. Viel Energie wurde<br />

investiert, um Schuldige zu suchen, Rechtfertigungen<br />

zu konstruieren und Frust abzuladen.<br />

Ausgabe 1 › Januar

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