21.12.2023 Views

atw - International Journal for Nuclear Power | 1.2024

Rückbau und Abfallbehandlung

Rückbau und Abfallbehandlung

SHOW MORE
SHOW LESS

Create successful ePaper yourself

Turn your PDF publications into a flip-book with our unique Google optimized e-Paper software.

52<br />

<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Abb. 2.<br />

Gefahrstoff Quecksilber<br />

Kerntechnik eingesetzt: zahlreiche Quecksilberschalter,<br />

Quecksilber-gefüllte Manometer, mit<br />

Quecksilber ausgegossene Manipulatordichtungen<br />

oder Quecksilber-gefüllte Abschirmungen für<br />

Gammadetektoren oder Spallationstargets.<br />

Mehrere Umweltkatastrophen des 20. Jahrhunderts<br />

rüttelten jedoch am Image des Quecksilbers und<br />

mündeten in der Minamata-Konvention von 2013,<br />

welches von 135 Staaten ratifiziert wurde. Bedingt<br />

durch das übergeordnete Ziel, der Verringerung<br />

der Quecksilber-Emissionen und dem Schutz<br />

von Mensch und Umwelt, galt dieses Übereinkommen<br />

auch als das Aus für die weitere Produktion,<br />

Verwendung und unspezifische Lagerung<br />

dieses Stoffes. Die Konvention legte quasi den<br />

Grundstein für die Klassifizierung des Quecksilbers<br />

als Problemreststoff. Die Entsorgung<br />

war somit beschlossene Sache, unabhängig des<br />

Anwendungsbereichs.<br />

Sackgasse Entsorgung<br />

Die Entsorgung von Gefahrstoffen ist in Deutschland<br />

vielfältig geregelt: Das Kreislaufwirtschaftsgesetz<br />

(KrWG), die Abfallverzeichnis-Verordnung<br />

(AVV) und die Gewerbeabfallverordnung<br />

( GewAbfV) um nur einige der Texte zu nennen. Für<br />

Quecksilber finden sich vor allem in der Deponieverordnung<br />

(DepV) eindeutige Vorgaben.<br />

Da kerntechnische Anlagen allerdings im Aufsichtsbereich<br />

des Atom- bzw. Strahlenschutz rechts<br />

liegen, sind die zuvor genannten Gesetze und<br />

Verordnungen nur bedingt relevant. Zwar muss<br />

auch hier prinzipiell jede Gefährdung von Mensch<br />

und Umwelt ausgeschlossen werden, doch stehen<br />

zunächst einmal nur zwei Entsorgungswege zur<br />

Wahl: Die Endlagerung als radioaktiver Abfall<br />

oder die Entlassung aus der atom- oder strahlenschutzrechtlichen<br />

Aufsicht, die Freigabe.<br />

Betrachten wir zunächst die Endlagerung als<br />

radioaktiver Abfall. Da Quecksilberabfälle aufgrund<br />

ihrer ehemaligen Anwendungsbereiche<br />

glücklicherweise nicht zu den hochradioaktiven<br />

Abfällen (HAW) zählen, würde deren Entsorgung<br />

über die (zukünftigen) LAW-/MAW-Endlager<br />

laufen. Im Grunde stellen diese Langzeitlager für<br />

radioaktive Abfälle ebenfalls Deponien dar. Die<br />

gesonderten Vorgaben, die Endlagerbedingungen,<br />

hier vollständig aufzuzählen, würde an dieser<br />

Stelle zu weit führen. Zwei Grundan<strong>for</strong>derungen<br />

sollten dennoch genannt werden: Abfallprodukte<br />

müssen in fester Form vorliegen. Sie dürfen keine<br />

Flüssigkeiten oder Gase enthalten, abgesehen von<br />

nicht vermeidbaren Restgehalten. Wie bereits<br />

oben erwähnt, ist Quecksilber bei Normalbedingungen<br />

flüssig und weist darüber hinaus<br />

einen niedrigen Dampfdruck auf. Es bildet bei<br />

Raumtemperatur Quecksilberdämpfe. Gemäß CLP-<br />

Verordnung (EG 1272/2008) wurde es nicht nur als<br />

reproduktionstoxisch, sondern auch als stark<br />

wassergefährdend eingestuft, was sich nicht mit<br />

der gehobenen wasserrechtlichen Erlaubnis z. B.<br />

des Endlager Konrads in Einklang bringen lässt.<br />

Folglich wurde die Gesamtmenge für flüssiges<br />

Quecksilber für Salzgitter auf nur 43,7 kg (3,2 Liter)<br />

reglementiert. Zum Vergleich: Das entspricht<br />

nicht einmal der einfachen Kühlmittelmenge des<br />

„Clementine“-Reaktors.<br />

Allerdings könnte Quecksilber in einer chemisch<br />

stabilen und relativ ungefährlichen Form endgelagert<br />

werden. Zinnober(rot) ist manchen<br />

möglicherweise aus dem Wasserfarbkasten im<br />

Schulunterricht bekannt. Doch die Farbe des<br />

Zinnobers, welches korrekterweise als Cinnabarit<br />

(Abbildung 3) bezeichnet wird, rührt von der<br />

chemischen Verbindung aus Quecksilber und<br />

Schwefel, dem Quecksilbersulfid HgS, her. Die<br />

Umwandlung elementaren Quecksilbers in Quecksilbersulfid<br />

ist eine seit dem Altertum bekannte<br />

Reaktion, bei Quecksilber mit Schwefelblüten in<br />

Anwesenheit von verschiedenen Laugen unter<br />

stetiger Wärmezufuhr umgesetzt wird. Verschiedene<br />

Firmen haben in den 2000er Jahren<br />

moderne Varianten dieses altertümlichen Verfahrens<br />

zum Patent anmelden lassen und somit<br />

erkannt, dass die Umsetzung zum Zinnober eine<br />

Möglichkeit zur Entsorgung von elementarem<br />

Quecksilber darstellt. Wohl aber fand dieses<br />

Verfahren bislang noch keine Anwendung in<br />

der kerntechnischen Branche und wird eher für<br />

konven tionelle Quecksilberbestände angewandt.<br />

Getrieben durch den Rückbau unserer deutschen<br />

Reaktoren ist die großtechnische Umsetzung<br />

de Verfahrens alles andere als trivial und genehmigungsbedürftig,<br />

sofern es direkt vor Ort<br />

durch geführt werden soll. Ein Transport des<br />

elemen taren Quecksilbers zu einem externen<br />

Dienstleister zwecks chemischer Umsetzung zu<br />

Ausgabe 1 › Januar

Hooray! Your file is uploaded and ready to be published.

Saved successfully!

Ooh no, something went wrong!