atw - International Journal for Nuclear Power | 1.2024
Rückbau und Abfallbehandlung
Rückbau und Abfallbehandlung
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Decommissioning and Waste Management<br />
Abb. 2.<br />
Gefahrstoff Quecksilber<br />
Kerntechnik eingesetzt: zahlreiche Quecksilberschalter,<br />
Quecksilber-gefüllte Manometer, mit<br />
Quecksilber ausgegossene Manipulatordichtungen<br />
oder Quecksilber-gefüllte Abschirmungen für<br />
Gammadetektoren oder Spallationstargets.<br />
Mehrere Umweltkatastrophen des 20. Jahrhunderts<br />
rüttelten jedoch am Image des Quecksilbers und<br />
mündeten in der Minamata-Konvention von 2013,<br />
welches von 135 Staaten ratifiziert wurde. Bedingt<br />
durch das übergeordnete Ziel, der Verringerung<br />
der Quecksilber-Emissionen und dem Schutz<br />
von Mensch und Umwelt, galt dieses Übereinkommen<br />
auch als das Aus für die weitere Produktion,<br />
Verwendung und unspezifische Lagerung<br />
dieses Stoffes. Die Konvention legte quasi den<br />
Grundstein für die Klassifizierung des Quecksilbers<br />
als Problemreststoff. Die Entsorgung<br />
war somit beschlossene Sache, unabhängig des<br />
Anwendungsbereichs.<br />
Sackgasse Entsorgung<br />
Die Entsorgung von Gefahrstoffen ist in Deutschland<br />
vielfältig geregelt: Das Kreislaufwirtschaftsgesetz<br />
(KrWG), die Abfallverzeichnis-Verordnung<br />
(AVV) und die Gewerbeabfallverordnung<br />
( GewAbfV) um nur einige der Texte zu nennen. Für<br />
Quecksilber finden sich vor allem in der Deponieverordnung<br />
(DepV) eindeutige Vorgaben.<br />
Da kerntechnische Anlagen allerdings im Aufsichtsbereich<br />
des Atom- bzw. Strahlenschutz rechts<br />
liegen, sind die zuvor genannten Gesetze und<br />
Verordnungen nur bedingt relevant. Zwar muss<br />
auch hier prinzipiell jede Gefährdung von Mensch<br />
und Umwelt ausgeschlossen werden, doch stehen<br />
zunächst einmal nur zwei Entsorgungswege zur<br />
Wahl: Die Endlagerung als radioaktiver Abfall<br />
oder die Entlassung aus der atom- oder strahlenschutzrechtlichen<br />
Aufsicht, die Freigabe.<br />
Betrachten wir zunächst die Endlagerung als<br />
radioaktiver Abfall. Da Quecksilberabfälle aufgrund<br />
ihrer ehemaligen Anwendungsbereiche<br />
glücklicherweise nicht zu den hochradioaktiven<br />
Abfällen (HAW) zählen, würde deren Entsorgung<br />
über die (zukünftigen) LAW-/MAW-Endlager<br />
laufen. Im Grunde stellen diese Langzeitlager für<br />
radioaktive Abfälle ebenfalls Deponien dar. Die<br />
gesonderten Vorgaben, die Endlagerbedingungen,<br />
hier vollständig aufzuzählen, würde an dieser<br />
Stelle zu weit führen. Zwei Grundan<strong>for</strong>derungen<br />
sollten dennoch genannt werden: Abfallprodukte<br />
müssen in fester Form vorliegen. Sie dürfen keine<br />
Flüssigkeiten oder Gase enthalten, abgesehen von<br />
nicht vermeidbaren Restgehalten. Wie bereits<br />
oben erwähnt, ist Quecksilber bei Normalbedingungen<br />
flüssig und weist darüber hinaus<br />
einen niedrigen Dampfdruck auf. Es bildet bei<br />
Raumtemperatur Quecksilberdämpfe. Gemäß CLP-<br />
Verordnung (EG 1272/2008) wurde es nicht nur als<br />
reproduktionstoxisch, sondern auch als stark<br />
wassergefährdend eingestuft, was sich nicht mit<br />
der gehobenen wasserrechtlichen Erlaubnis z. B.<br />
des Endlager Konrads in Einklang bringen lässt.<br />
Folglich wurde die Gesamtmenge für flüssiges<br />
Quecksilber für Salzgitter auf nur 43,7 kg (3,2 Liter)<br />
reglementiert. Zum Vergleich: Das entspricht<br />
nicht einmal der einfachen Kühlmittelmenge des<br />
„Clementine“-Reaktors.<br />
Allerdings könnte Quecksilber in einer chemisch<br />
stabilen und relativ ungefährlichen Form endgelagert<br />
werden. Zinnober(rot) ist manchen<br />
möglicherweise aus dem Wasserfarbkasten im<br />
Schulunterricht bekannt. Doch die Farbe des<br />
Zinnobers, welches korrekterweise als Cinnabarit<br />
(Abbildung 3) bezeichnet wird, rührt von der<br />
chemischen Verbindung aus Quecksilber und<br />
Schwefel, dem Quecksilbersulfid HgS, her. Die<br />
Umwandlung elementaren Quecksilbers in Quecksilbersulfid<br />
ist eine seit dem Altertum bekannte<br />
Reaktion, bei Quecksilber mit Schwefelblüten in<br />
Anwesenheit von verschiedenen Laugen unter<br />
stetiger Wärmezufuhr umgesetzt wird. Verschiedene<br />
Firmen haben in den 2000er Jahren<br />
moderne Varianten dieses altertümlichen Verfahrens<br />
zum Patent anmelden lassen und somit<br />
erkannt, dass die Umsetzung zum Zinnober eine<br />
Möglichkeit zur Entsorgung von elementarem<br />
Quecksilber darstellt. Wohl aber fand dieses<br />
Verfahren bislang noch keine Anwendung in<br />
der kerntechnischen Branche und wird eher für<br />
konven tionelle Quecksilberbestände angewandt.<br />
Getrieben durch den Rückbau unserer deutschen<br />
Reaktoren ist die großtechnische Umsetzung<br />
de Verfahrens alles andere als trivial und genehmigungsbedürftig,<br />
sofern es direkt vor Ort<br />
durch geführt werden soll. Ein Transport des<br />
elemen taren Quecksilbers zu einem externen<br />
Dienstleister zwecks chemischer Umsetzung zu<br />
Ausgabe 1 › Januar