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atw - International Journal for Nuclear Power | 1.2024

Rückbau und Abfallbehandlung

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Decommissioning and Waste Management<br />

53<br />

Quecksilber sulfid stellt enorme An<strong>for</strong>derungen<br />

an beteiligte Parteien wie z. B. Transport selbst<br />

und den Strahlenschutz. Während der Transport<br />

von Reaktordruckbehältern ins Ausland zwecks<br />

Ein schmelzung inzwischen mehrfach erprobt<br />

ist, wäre der Transport von elementarem Quecksilber<br />

zu einer fiktiven Verarbeitungsanlage unter<br />

Berücksichtigung der Strahlenschutzgesetzgebung<br />

absolutes Neuland.<br />

Des Weiteren gilt im Rückbau die Prämisse<br />

der Mengenreduktion der Endlagerabfälle. Der<br />

Platz unter Tage ist begrenzt und teuer. Bei der<br />

Umsetzung von 1 kg elementaren Quecksilbers<br />

mit Schwefel entstünden rechnerisch 1,16 kg<br />

Quecksilbersulfid. Auch wenn das Umsetzungsprodukt<br />

mit Hochdruckpressen kompaktiert<br />

werden könnte, so würde es auf dem Papier ca. das<br />

doppelte Stoffvolumen einnehmen wie das<br />

ursprüng liche Quecksilber. Außerdem ist die<br />

Endlagerung von radioaktiv-kontaminiertem<br />

Quecksilbersulfid bisher nicht vorgesehen und<br />

würde ein erweitertes Genehmigungsverfahren<br />

nach sich ziehen, vor allem da zur Langzeitstabilität<br />

von „Labor­ Zinnober“ im Vergleich zum<br />

mineralischen Zinnober wenig bekannt ist.<br />

Demnach ist eine Endlagerung in Form von Quecksilbersulfid,<br />

auch aus Kostengründen, nicht unbedingt<br />

die Lösung der Wahl. Somit könnte man<br />

die Option der Entsorgung durch Endlagerung als<br />

Sackgasse bezeichnen, da sie in vielen Punkten<br />

nicht umsetzbar ist oder zum gewünschten Ergebnis<br />

führen würde.<br />

Freigabe – Wenn es denn so einfach wäre<br />

Als letzter, möglicher Entsorgungsweg bleibt folglich<br />

nur die Freigabe. Und es könnte so einfach<br />

sein: Entscheidungsmessungen zum Nachweis der<br />

Unterschreitung der Freigabewerte nach Anlage 4<br />

Tabelle 1 StrlSchV, das Zusammentragen der<br />

notwendigen Dokumentation und abschließend<br />

der schriftliche Freigabeantrag bei der Behörde.<br />

Abb. 3.<br />

Zinnober (hier mineralische Darstellung).<br />

Was sich in der Theorie so einfach liest, ist in<br />

Wirklichkeit eine wahre Heraus<strong>for</strong>derung für alle<br />

Beteiligten. Doch wo liegt genau das Problem?<br />

Grundlage für die Freigabe ist zunächst einmal<br />

das 10 µSv-Dosiskriterium (§ 31 StrlSchV), dessen<br />

Einhaltung es im Rahmen des Freigabeverfahrens<br />

nachzuweisen gilt. Hierfür sind Entscheidungsmessungen<br />

der radionuklid-spezifischen Aktivitäten<br />

durchzuführen und zu dokumentieren (§ 42<br />

StrlSchV). Man würde wohl die uneingeschränkte<br />

Freigabe nach § 35 StrlSchV bevorzugen und demnach<br />

die Unterschreitung der Werte aus Anlage 4<br />

Tabelle 1 Spalte 3 StrlSchV nachweisen wollen. Ein<br />

gängiges Verfahren, welches täglich vielerorts für<br />

zahlreiche Materialien angewandt wird. Ein Blick<br />

in Anlage 8 Teil B StrlSchV verrät jedoch, dass die<br />

uneingeschränkte Freigabe für Quecksilber nicht<br />

vorgesehen ist, da es weder zur Kategorie „Öle“<br />

noch „organische Lösungs- und Kühlmittel“ zählt.<br />

Arbeitet man sich nun weiter durch die StrlSchV,<br />

so stößt man in Anlage 8 auf den Teil G, welcher<br />

die spezifische Freigabe von Metallschrott zum<br />

Recycling beschreibt. Hier wird eindeutig die<br />

Einschränkung getroffen, dass die Freigabe von<br />

Metallschrott eine Einschmelzung er<strong>for</strong>dert. Also<br />

ist auch die spezifische Freigabe nach Anlage<br />

4 Tabelle 1 Spalte 14 StrlSchV nicht umsetzbar.<br />

Folglich bleibt nur noch eine potentielle Freigabe<br />

nach § 37 StrlSchV, der sogenannten Einzelfallbetrachtung.<br />

Die Freigabe im Einzelfall nach § 37 StrlSchV könnte<br />

demnach immer dann angewandt werden, wenn<br />

es sich um andere als in Anlage 8 Teil B StrlSchV<br />

bezeichnete Flüssigkeiten handelt. Üblicherweise<br />

gilt dies z. B. für wässrige Abfälle.<br />

Zur Erlangung der uneingeschränkten Freigabe<br />

im Einzelfall werden gemäß § 32 StrlSchV „alle<br />

möglichen künftigen Nutzungen, Verwendungen<br />

(…), Beseitigungen, Innehaben der freizugebenden<br />

Stoffe und Gegenstände oder deren Weitergabe<br />

an Dritte beachtet (wurden).“ Alle prinzipiell zu<br />

berücksichtigenden Expositionsszenarien<br />

sind in Anlage 11 StrlSchV beschrieben,<br />

welche sich jedoch glücklicherweise für<br />

das Quecksilber dank der Minamata-<br />

Konvention (und darauf aufbauende,<br />

spezifische Gesetze und Verordnungen<br />

auf Bundesebene), dem<br />

Immissionsschutz und dem<br />

Gefahrstoffrecht auf einige<br />

wenige einschränken lassen.<br />

Da der Umgang für die Bevölkerung<br />

untersagt wird<br />

sowie die berufliche Handhabung<br />

von Quecksilber nur<br />

noch auf ein absolut notwendiges<br />

Maß unter ausschließlich<br />

hohen Auflagen reglementiert<br />

Vol. 69 (2024)

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